Gestern Pirat – Morgen Intendant?
Radio Jade informierte über die Chancen des Lokalrundfunks
(noa) Die letzten BesucherInnen bekamen nur noch Stehplätze, denn das „Spectakel“ war proppevoll, als der Verein „Radio Jade, Lokalrundfunk e V.“ sich am 9. März der Öffentlichkeit präsentierte.
Zunächst stellte sich der Vorstand des am 2. Februar gegründeten Vereins vor: Michael Diers, Rüdiger Schaarschmidt und Jürgen Mangels sind die gleichberechtigten Vorsitzenden, Friederike Menke ist Schriftführerin, Bruno Tannhäuser Kassierer, und BeisitzerInnen sind Andreas Koût und Elke Grimm. Mit ihnen sind auf kulturellem Gebiet tätige Institutionen, die katholische Kirche, der Piratensender Radio Überleben und freie Journalisten im Vorstand vertreten; zu den Gründungsmitgliedern gehören darüber hinaus VertreterInnen des DGB, einzelner DGB-Gewerkschaften, der evangelischen Kirche und des GEGENWIND.
In einem kurzweiligen Beitrag erzählten Bruno Tannhäuser und Erwin Fiege die Vorgeschichte des Vereins: Wie im April 1992 Radio Überleben, damals natürlich illegal, den Sendebetrieb aufnahm, um die Olympia-Belegschaft, die damals noch um ihre Arbeitsplätze kämpfte, publizistisch zu unterstützen, wie die „Piraten“ von den verschiedensten Stellen aus, u.a. vom Rathausturm, ihre Sendungen durch den Äther schickten, immer gejagt von der Telekom, wie sie am Ende gar ihre Funkausrüstung einbüßten, selber aber davonkamen. Nach einem Jahr mußten wir berichten: „Radio Überleben stellt ein: Den Sendebetrieb“ , doch die Idee, eines Tages wieder (und dann legal) Radio zu machen, haben die InitiatorInnen von Radio Überleben nie eingestellt.
Der Arbeitskreis „Wege zum kommunalen Rundfunk“ wurde gegründet und kümmerte sich seither um die Möglichkeiten, die das neue Niedersächsische Landesmediengesetz, das damals zur Verabschiedung anstand, bieten würde, sowie um den Kontakt zur Landesmedienanstalt, die aus einer Vielzahl von Gruppen und Initiativen diejenigen aussuchen wird, die die Erlaubnis und finanzielle Unterstützung für den Betrieb eines nichtkommerziellen lokalen Hörfunksenders bekommen werden.
Als Vertreter der Landesmedienanstalt sprach anschließend Lorenz Preuß über die gesetzliche Grundlage der Rundfunkaussichten für Lokalsender: In einem wissenschaftlich begleiteten und ausgewerteten Modellversuch soll ermittelt werden, inwieweit die lokale und regionale Berichterstattung sowie das kulturelle Angebot publizistisch ergänzt werden können. Der Gesetzestext ist im Moment so ungefähr das einzige, was schon feststeht, alles andere ist noch nicht entschieden. Aus einer Liste potentieller Versuchsgebiete, auf der auch der Raum Wilhelmshaven/Friesland steht, werden im Mai die endgültigen Verbreitungsgebiete herausgesucht werden, und es werden Förderrichtlinien aufgestellt. Über die Quelle der Mittel für die Zuschüsse, die die Sender bekommen sollen, muß die Versammlung der Anstalt noch beschließen. Wie hoch die Zuschüsse sein werden, ergibt sich dann aus der zur Verfügung stehenden Summe und der Anzahl der Sender, die zugelassen werden. Auf jeden Fall werden die lokalen Gruppen Eigenmittel erwirtschaften müssen, und die dürfen weder von Sponsoren noch aus Werbung stammen.
Unterstützung, die nicht auf Sponsoring hinausläuft, ist z.B. die Bereitstellung von Räumen, und diesbezüglich kann sich der Verein „Radio Jade“ gegenwärtig auf den DGB stützen, der einen Büroraum unentgeltlich zur Verfügung stellt. Wenn in Wilhelmshaven tatsächlich ein Sender eingerichtet wird, dann benötigt dieser aber weitere Räume, und so appellierten die Sprecher des Vereins an die zahlreichen Gäste, die zu einem großen Teil Vereine oder Institutionen vertraten, sich zu diesem Punkt wohlwollende Gedanken zu machen.
Aus dem Kreis der Gäste kam die Frage, ob es in Wilhelmshaven eine weitere Initiative gibt, die sich ebenfalls bei der Landesmedienanstalt um die Sendegenehmigung beworben hat. Offenbar hat es sich in Wilhelmshaven schon herumgesprochen, daß auch Hans-Joachim Gottschalk Radio-Ambitionen hat. Lorenz Preuß bestätigte, daß eine „IG Lokalradio Wilhelmshaven“ sich im Januar, also auf den letzten Drücker, in Hannover gemeldet habe, von der man aber nichts Genaueres wisse. Mittlerweile hat sich aber herausgestellt, daß Herr Gottschalk das Verlagshaus Brune (und damit also die „WZ“) vertritt. Ob sich angesichts dieser Konstellation die Vorstellung von Michael Diers, sich mit der anderen Initiative zusammenzutun, realisieren lassen wird, bleibt abzuwarten.
Nach einer lebhaften Diskussion zwischen den Vertreterinnen von „Radio Jade“ und den sehr interessierten Gästen kündigte der Verein schließlich noch seine nächsten Aktivitäten an: Neben der Weiterarbeit an der Programmstruktur, die schon seit einiger Zeit in Arbeit ist, und der Erstellung eines Redaktionsstatuts ist dies eine Radiowerkstatt, die mit einem Wochenendseminar am 22./23. April beginnen und danach an sechs Mittwochabenden weitergeführt werden soll.
Wer dazu oder überhaupt zu „Radio Jade“ mehr Information haben will, kann sich an Michael Diers (Tel. 42215) oder an Rüdiger Schaarschmidt (Tel. 82099) wenden.
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