Rote Karte für den Grünen Punkt
Töpfers Verpackungsverordnung – Rettung für die Umwelt oder für die Industrie?
(M Sudholz/ AGM) Schick – oder besser: geschickt – dieses neue Umweltzeichen. Es symbolisiert einen geschlossenen Kreislauf, das vollkommene Recycling. Und eine „ehrenvolle Auszeichnung“ für immer mehr Verpackungen ist es, wenn wir den Initiatoren des „Grünen Punktes“ glauben dürfen. Dürfen wir? Auch wenn wir gern glauben würden, daß die Aktion „Grüner Punkt“ die Müllberge zumindest um den erheblichen Anteil des Verpackungsmülls schrumpfen läßt, auch wenn sich die Idee des „Grünen Punktes“ auf den allerersten Blick umweltfreundlich und schlüssig darstellt – handelt es sich doch um eine riesengroße Mogelpackung!
Bestellt hat sie der Bundesumweltminister, hergestellt wird sie von der „Duales System Deutschland GmbH“ (DSD), einer eigens für den „Grünen Punkt“ geschaffenen Gesellschaft der Verpackungshersteller.
Die ständig wachsenden (Verpackungs-)Müllberge und der wachsende. Unmut der Kommunen, für deren Beseitigung allein zahlen zu müssen, ließen den Bundesumweltminister die „Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen“ erlassen.
Diese sogenannte Verpackungsverordnung sieht für Hersteller und Handel eine Rücknahme- und Pfandpflicht sämtlicher Verpackungen vor – es sei denn, das Duale System wird eingerichtet. Das Duale System bedeutet im einzelnen, dass die Verpackungen (gekennzeichnet durch den Grünen Punkt) nicht mehr von der öffentlichen Abfallentsorgung eingesammelt werden, sondern von privaten Firmen. Zur separaten Sammlung sollen flächendeckend gelbe „Verpackungstonnen“ bzw. Container aufgestellt werden. Die gesammelten Verpackungen sollen sortiert und der stofflichen Verwertung zugeführt werden.
Die flächendeckende Einrichtung des Dualen Systems (mehrere Mio. neue Mülltonnen, ca. 200 neue Sortieranlagen, Müllwagen, Beschäftigte) wird nach Schätzung der DSD ca. 7 Milliarden DM kosten, die laufenden Kosten werden auf ca. 2 Milliarden DM pro Jahr geschätzt. Dabei ist keineswegs vorgesehen, dass diese Unsummen von der Verpackungsindustrie aufgebracht werden. Vielmehr sollen die „Grüner-Punkt-Produkte“ mit einer Sonderabgabe belegt werden, die an die VerbraucherInnen weitergegeben wird. Die Höhe der Abgabe, die sich nach der Größe der Verpackung richtet, ist dabei unabhängig von der Umweltfreundlichkeit der Verpackung und kann im Rahmen der sogenannten Mischkalkulation vom Handel auf alle Produkte umgelegt werden – also auch auf Mehrwegverpackungen.
Wenn die DSD in der Werbung also von der kostenlosen Abfuhr der Verpackungen zur Wiederverwertung spricht, ist das eine glatte Lüge. – Aber leider nicht die einzige, denn weiter heißt es in einem Informationsblatt der DSD: der Grüne Punkt bescheinigt den jeweiligen Verpackungen „Erstens, daß sie wiederverwertbar sind. Und zweitens, daß der jeweilige Hersteller ihre Wiederverwertung auch garantiert – vorausgesetzt, sie werden getrennt vom Hausmüll eingesammelt.“ Tatsache ist jedoch, daß weder ausreichend Sortieranlagen vorhanden sind, noch alle mit dem Grünen Punkt versehenen Verpackungen überhaupt recycelbar sind bzw. in den nächsten Jahren sein werden!
Ein Kunststoffrecycling ist beispielsweise nur bei sortenreinen Kunststoffabfällen möglich. Die Techniken zur Kunststoffsortierung sind jedoch noch nicht ausgereift und im großen Stile anwendbar. Das bedeutet, daß zumindest in den nächsten Jahren die gemischten und z.T. verschmutzten Kunststoffabfalle lediglich zu Produkten minderer Qualität verarbeitet werden können. Dies ist aber nur eine einmalige Weiterverwendung und kann wohl kaum als Recycling bezeichnet werden.
Ein weiteres Beispiel sind die Verbundstoffe (Metall/ Kunststoff etc.), die sich in der Regel nicht wieder voneinander trennen lassen. Derzeit wird versucht, aus Getränkeverpackungen Bau- und Möbelplatten herzustellen – also wieder nur eine einmalige Weiterverarbeitung, die im übrigen derzeit nur mit fabrikneuen Getränkeverpackungen funktioniert. Die Zerlegung der Verbundmaterialien der Tetrapacks in die einzelnen Fraktionen (Pappe, Kunststoff, Aluminium) ist bisher nur im Versuchslabor unter unverhältnismäßig hohem Aufwand gelungen, also in nächster Zeit nicht im erforderlichen Umfang einzusetzen.
Selbst dort, wo bereits Verpackungen getrennt gesammelt und sortiert werden, landen zu Ballen gepreßte Kunststoffverpackungen aufgrund mangelnder Weiterverarbeitungsmöglichkeiten und Kapazitäten letztendlich auf der Hausmülldeponie – oder sie werden als „Wertstoff“ (zur Verbrennung) ins Ausland transportiert.
Recycling ist nur dort sinnvoll, wo sich die Umweltverträglichkeit des Recyclingprozesses und die Rückführung der Verpackungen in den Wertstoffkreislauf nachweisen lassen. Recycling ist nicht immer gleichbedeutend mit Umweltschutz, deshalb sind Maßnahmen zur Abfallvermeidung wie Verzicht oder Mehrfachverwendung dringend erforderlich.
Der „Grüne Punkt“ soll uns VerbraucherInnen eine Umweltverträglichkeit vorspiegeln, die in vielen Fällen gar nicht gegeben ist: denn den „Grünen Punkt“ erhält, wer an die DSD GmbH zahlt, nicht wer umweltfreundlich produziert oder verpackt. Der „Grüne Punkt“ soll vielmehr die Akzeptanz der Einwegverpackungen steigern – was zu gelingen scheint, wie das Beispiel einer Brauerei zeigt, die auf Druck des Handels von der traditionellen Mehrwegflasche nun auf die Getränkedose umgestellt hat.
Also den „Grünen Punkt“ sehen und stehen lassen und schon beim Einkauf an den Abfall denken: Finger weg von mehrfach verpackten Produkten, Einwegverpackungen usw., wenig- oder unverpackte Produkte kaufen und wo immer möglich, Mehrwegsysteme unterstützen!
Die Aktionsgemeinschaft gegen Müllverbrennung (AGM) hat am 1. Februar auf dem Rathausplatz vor dem Cityhaus eine erste Info-Aktion zu diesem Thema durchgeführt. Zehn Leute wiesen mit „Sandwich“-Umhängen, Flugblättern und Broschüren auf den Grüner-Punkt-Etikettenschwindel hin und klärten interessierte KonsumentInnen über Möglichkeiten der Abfallvermeidung als bessere Alternative auf. Diese Aktion soll in den nächsten Wochen wiederholt werden.
Die AGM trifft sich jeden zweiten Donnerstag im Monat im Theatercafé Kulisse.
ist nach Auffassung der Firma Tetrapak die Waffe gegen den Verpackungsmüll. Denn durch TüTo werden leere Milchtüten zum begehrten Wertstoff – das versuchte jedenfalls ein Vertreter der Firma Tetrapak etwa 50 VertreterInnen von Kommunalverwaltungen, Schulelternräten und Hausmeistern weiszumachen. Eingeladen zu dieser Show hatte die Fa. Brio, neuer Betreiber der Molkerei Wilhelmshaven, mit dem Ziel, der einhelligen Forderung nach Lieferung von Milch und Kakao in Pfandflaschen weiterhin entgegenzutreten.
Einigen TeilnehmerInnen blieb glatt die Spucke weg, als jener Herr von Bassewitz seine Tütentonne als absolute Neuheit vorstellte: Eine simple 140-1-Abfalltonne mit breiten Schlitzen im Deckel wird in Schulen aufgestellt und die Kinder darauf dressiert, ihre (leere?) Milchtüte plattzumachen und in den Behälter zu werfen, der „bei Gelegenheit“ abtransportiert wird.
Wann und wohin, blieb offen. Nicht Herr Bassewitz, sondern Umweltdezernent Graul konnte die beiden (bundesweit zur Zeit einzigen) „Recyclingwerke“ in Süddeutschland benennen. Dort können maximal 4.000 von 150.000 Tonnen jährlich anfallender Tetrapaks verarbeitet werden – zu Preßplatten, deren Werkstoffeigenschaften und Absatz zur Zeit ungeklärt sind. (jm)
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