Kottek ermittelt
…den Parkplatzbedarf durch die Bahnhofsplatzbebauung
(hk) Großes hat ein Investor mit dem Bahnhofsvorplatz vor: Ein Kaufhaus der Superlative, ebensolche Gastronomie, ein Rieseneinkaufsmarkt, 2 Parkhäuser usw. usf. Einhellige Freude herrscht in allen Parteien über den sich ankündigenden Riesen-Coup. Kritik zu üben ist verpönt, Geschlossenheit ist angesagt. Dass dabei der Bahnhof abgerissen wird, wen stört es? Die Wilhelmshavener werden dieses Gebäude erst lieben, wenn es nicht mehr steht. Der GEGENWIND führte zu diesem Projekt ein Gespräch mit dem Stadtbaurat Kottek.
Gegenwind: Wie ist der momentane Sachstand der Planung?
Kottek: Wir haben bisher vom Architekten nur die Pläne, die noch vor der Phase des Vorentwurfs sind. Pläne, die zeigen, welche Größenordnung das Objekt hat und wie es aussehen könnte. Diese vorliegenden Pläne werden Grundlage des Ansiedlungsvertrages sein, der im März dem Rat zur Entscheidung gestellt wird. Danach geht es in die Phase des Vorentwurfs, erst dann wird man auch näheres sagen können. Was feststeht ist sicherlich die Größe, der Umfang der Planung.
Gegenwind: In welchem finanziellen Rahmen bewegt sich das Objekt?
Kottek: Für den Investor werden Kosten zwischen 100 und 120 Millionen benannt – einschließlich des Abrisses der Bahnhofsgebäude. Für die Stadt werden keine Kosten auftreten, die nicht auch im Rahmen der Sanierung der Innenstadt aufgetreten wären. Die Stadt wird sich verpflichten, die Bahnhofstraße auszubauen. Weiter wird der zu bebauende Bereich aus dem Sanierungsgebiet herausgenommen.
Gegenwind: Heißt das, daß die Investitionen nicht aus Steuergeldern subventioniert werden?
Kottek: Richtig.
Gegenwind: Wilhelmshaven liegt im Abseits. Ein Umland gibt es nur in westlicher und südwestlicher Richtung – wie kann da jemand auf die Idee kommen, hier mehr als 100 Millionen Mark zu investieren und zu glauben, daß sich das lohnt?
Kottek: Nicht zu leugnen ist die Standortschwäche Wilhelmshavens, aber mir ist keine Stadt in der Bundesrepublik bekannt, die so ideale Bedingungen für ein solches Projekt bietet: Das Projekt hat eine direkte Anbindung an die Bundesbahn und an den ZOB, der ja auch weiterhin am Bahnhofsplatz sein wird, eine direkte Anbindung an den Personennahverkehr, keine hundert Meter zum Fußgängerbereich und dann auch noch genügend Parkplätze auf eigenem Grundstück.
Gegenwind: Bekannt ist, daß im Zusammenhang mit der Bebauung des Bahnhofsplatzes auch 2 Parkhäuser mit 800 Stellplätzen geplant sind. Ist das nicht eine Stadtplanungspolitik, wie sie vor 15 bis 20 Jahren betrieben wurde. Während allerorten versucht wird, den Verkehr aus den Innenstädten herauszubekommen, macht man in Wilhelmshaven das genaue Gegenteil und zieht den Verkehr in die Innenstadt.
Kottek: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Die Kaufkraft für ein solch großes Objekt kommt zum einen aus den jährlich 170 Millionen Kaufkraftverlust, die aus Wilhelmshaven in andere Orte gehen und zum anderen aus der größeren Kaufkraftbindung im Einzugsbereich des Oberzentrums Wilhelmshaven. Wir müssen mehr Leute aus dem Umland bekommen. Und wer aus dem Umland kommt, der kommt in den seltensten Fällen mit dem Bus – auch wenn das ökologisch sinnvoll wäre – aber die meisten kommen eben mit dem Auto. Das bedeutet, daß durch das Bahnhofsprojekt erheblich mehr Fahrzeuge nach Wilhelmshaven reinkommen. Und dem müssen wir Rechnung tragen. Es wäre fatal, wenn die Kaufkraft für dieses Objekt nur durch eine Umschichtung innerhalb Wilhelmshavens realisiert würde. Wir haben das Ziel, mehr Leute aus dem Umland an Wilhelmshaven zu binden. Ein Projekt dieser Größenordnung erfordert ca. 500 Stellplätze für PKW’s. Uns stehen weitere 300 Plätze als Manövriermasse zum Umschichten von Parkplätzen in der Innenstadt zur Verfügung. Dadurch haben wir die Möglichkeit, städtebaulich wichtige Plätze, wie z.B. den Theater- und den Adalbertplatz, freizubekommen.
Gegenwind: Sollen dann die Theaterbesucher vom Parkhaus am Bahnhof in Abendkleid und Robe durch die regendurchpeitschte Virchowstraße zum Theater laufen?
Kottek: Da wird es sicherlich andere Lösungen geben. Aber in Wilhelmshaven werden ja sämtliche freien Flächen und Plätze mit Autos zugestellt. Es kann nicht angehen, daß man in der Innenstadt 800 Stellplätze schafft und dann nicht an den sich daraus erwachsenen städtebaulichen Vorteil denkt.
Gegenwind: Wie wollen Sie es anstellen, daß das Parkhaus ausgelastet ist?
Kottek: Wir kriegen in das Parkhaus niemanden rein, solange noch ebenerdig kostenloser Parkraum vorhanden ist.
Gegenwind: Die Parkplätze an der Bahnhofstraße zwischen Mitscherlich- und Mozartstraße bleiben bestehen?
Kottek: Ja. Das ist zwar irgendwie anachronistisch, wenn man Parkplätze und Parkhaus direkt nebeneinander sieht.
Gegenwind: Werden dann die Leute nicht in erster Linie auf dem Parkplatz rumkurven um eine Lücke zu erwischen?
Kottek: Das ist eine Frage des Preises. Wir müssen eine Preisstaffelung machen, durch die die Parkplätze die am leichtesten zu erreichen sind, die den kürzesten Weg haben, auch die teuersten sind. Eine weitere Staffelung ist dadurch möglich, dass der Einzelhandel das Parken im Parkhaus vergütet.
Gegenwind: Parkhäuser sind die wohl häßlichsten Gebäude, die es gibt. Und so etwas soll in so exponierter Lage in Wilhelmshaven errichtet werden? Warum keine Tiefgarage?
Kottek: Diese Überlegung haben wir auch angestellt. Aber man kann hier nicht einfach tief in die Erde gehen. Im Prinzip schwimmt der Bau dann auf. Der Unterboden gibt eine solche Möglichkeit nicht her. Das Häßlichste in einer Innenstadt ist die Masse der Autos an sich. Und es gibt solche und solche Parkhäuser. Ein Parkhaus, welches vom Erdgeschoß bis nach oben nur mit Autos besetzt ist, sieht schlimm aus. Wir planen, den unteren Bereich mit Geschäften „Shop in shop“ zu gestalten, so daß zumindest das, was der Passant wahrnimmt eben nicht Parkhaus ist.
Gegenwind: Wilhelmshaven ist nicht gerade reich bestückt mit ansprechenden Gebäuden. Und nun soll auch noch der in der Mitte des letzten Jahrhunderts im wilhelminischen Stil erbaute Bahnhof der Abrissbirne zum Opfer fallen. War es nicht möglich, dieses Gebäude in die Planung zu integrieren?
Kottek: Wir haben uns in einer Arbeitsgruppe mit dieser Frage auseinandergesetzt. Es ging darum, den Bahnhof, von dem ja heute nur noch 60 % existieren, wieder so herzustellen wie er früher aussah und ihn als kulturellen Bestandteil in die Innenstadt einzubinden. Die Bundesbahn zeigte aber kein Interesse daran, den Bahnhof in seiner alten Form wiederaufzubauen – und eine Verlegung des Bahnhofs in westliche Richtung war aus Kostengründen nicht realisierbar.
Gegenwind: Und dann wurde eben beschlossen, den Bahnhof abzureißen?
Kottek: Wir haben jetzt einen Weg eingeschlagen, der den Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt. Das Beharren auf eine Verlegung des Bahnhofes hatte wahrscheinlich dazu geführt, daß das gesamte Projekt gescheitert wäre.
Gegenwind: Wie wird sich das, was im Bahnhofcenter geplant ist von dem unterscheiden, was wir heute im Bereich der Fußgängerzone haben?
Kottek: Wir müssen darauf achten, dass wir in das Objekt nicht dieselben Anbieter reinkriegen, wie wir sie in der Marktstraße haben. Es müssen Anbieter sein, die ein ganz neues, ergänzendes Angebot in die Stadt bringen.
Gegenwind: Können die Geschäfte in der Marktstraße denn eine solche Konkurrenz verkraften?
Kottek: Wenn Sie im Fußgängerbereich 4 Textilgeschäfte haben und es kommt noch ein fünftes dazu, dann ist die Wirkung nicht die, daß sich die 5 Geschäfte den Umsatz der 4 alten Geschäfte teilen müssen. Im Gegenteil: Dadurch entsteht eine Sogwirkung – je mehr Läden es im Fußgängerbereich gibt, umso mehr Leute werden angezogen. Natürlich wird es im Marktstraßenbereich einen Umbruch geben. Es wird sicherlich 2 bis 3 Jahre dauern bis sich das zurechtgewackelt hat. Die Realisierung eines solch großen Objektes wird nicht reibungslos vonstatten gehen. Zum Teil wird es mit Sicherheit auch Umsatzeinbußen geben. Das wird sich aber insgesamt positiv auf den Innenstadtbereich auswirken, z.B. auf die hohen Mieten die heute in der Marktstraße gezahlt werden müssen. Diese hohen Mieten sind ja durch die rege Nachfrage nach Einzelhandelsgeschäften in diesem Bereich entstanden; Mieten, die am Ende nur noch von den Kettenläden aufzubringen waren.
Gegenwind: Welche Auswirkungen hat das Objekt Bahnhofsplatz auf die Stadtsanierung?
Kottek: Die alte Planung, den Kernbereich in Richtung Peter-/Bismarckstraße auszudehnen, muß wohl erst einmal aufgegeben werden. Durch dieses Projekt haben wir die Chance, die Entwicklung der Stadt in Richtung Wasser zu forcieren. Wir haben keine historische Altstadt – aber wir haben das Wasser in der Nähe. Wir sollten jetzt städteplanerisch darangehen, die Anbindung der Innenstadt an den Großen Hafen zu realisieren. „Shopping at the seaside“ – das sollte als Qualitätsmerkmal hervorgehoben werden.
Gegenwind: Wir danken Ihnen für das Gespräch.
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