Theda
Mai 131998
 

Mein liebn Kuddl !

Mann, bin ich ausse Puste, das war vielleicht’n Tag! Fing damit an, daß ich schwimmen gehen wollte.

Und wie ich nu mit meim ollen Hollandrad so durch die Gegend gurke, denk ich noch so ganz in Gedanken immer anne Wampiere, an die Unsterblichkeit und das eklige Essen, was die immer kriegen, das kam noch vonner Mjusickel-Aufführung vom Abend vorher im Pumpwerk, wo das so gerammelt voll war, daß du an die Unsterblichkeit sowieso schon nicht mehr glauben konntest, aber wenigstens mußten alle fuffzehn Mark bezahlen, ob du nu gesessen hast oder hinten langsam erstickt bist, das find ich immer gut am Pumpwerk, daß die da so schön demokratisch sind mit ihren Zuschauern, also jedenfalls sinnier ich so über das Blutsaugen und die Monster, und ich überleg so, was das alles mit der Kommunalpolitik hier zu tun haben könnte und kuck nich so recht und fahr immer dem blauen Schild mit den kleinen weißen Wellen nach, weil ich denk, bei so’m Schild kannste ja nur baden gehen – na ja, lange Rede, kurzer Sinn, steh ich plötzlich am Südstrand, aber nich vorm Bad, sondern vor unserm neuen Marinemuseum und kannste gar nich in schwimmen. Hab ich mich natürlich erstmal geärgert, aber dann bin doch reingegangen, kannst ja immer noch was bei lernen, nich? Fing auch gleich gut an, nämmich mit’m Eintritt, kost ja‘n Zehner für draußen und drinnen, also pro Person, gefällt mir gut, weil sorgt ja dafür, daß da nich jeder reinkommt, der sich bloß bei Regen ‘n büschen unterstellen will und nix wissen. So hat man da drin auch gut Platz zum Gucken und Rumlaufen, isja sowieso ganz übersichtlich da, also steht nich so voll, und man wird auch nich mit soviel Informatzion bombahdiert, daß man sich dauernd soviel Gedanken machen muß. Is alles wirklich schön ordentlich da, und man sieht viele Schiffe und Besatzungen, schön nach Dienstgraden geordnet, und vor allem, mein Kuddl, keine Leichen! Das find ich gut, kann ich nämmich nich haben, so in Kriegsfilmen und so, die ganzen abben Arme und Beine und halb weggeschossenene Köpfe, igittigitt, zahl ich doch keine zehn Mark für. Draußen zum Beispiel hamse so’n Torpedo stehn, da hamse so’n Haifischgesicht draufgemalt und können Kinder auf reiten, nu stell Dir mal vor, mein Kuddl, die wüßten, was so’n Torpedo für Löcher in Menschen machen kann, dann hätten die doch bestimmt nich mehr so’n Spaß mit’m Reiten, oder? Schlau von den Museumsleuten. Schön fand ich auch die kleinen Broschüren, wo was über die Schiffe draußen drin steht, auch alles gleich auf Englisch, weil wir ja so kosmopolitanisch sind, hab ich Dir ja schonmal erzählt. Hamse schön übersetzt, weißt ja, seit ich vor zwei Jahren auf Jamaica war, kann ich ja fein Englisch und dacht ich gleich, kannst ja mal’n büschen auffrischen. War auch gar nich schwer, Du, weil hamse die englischen Sätze so gebaut, wie wir unsere deutschen auch machen, fühlst dich gleich ganz heimelig inne fremde Sprache, auch mit den Wörtern, „on dry land“ war zum Beispiel „an Land“ und die „day-to-day-conditions of the people on board“ heißt natürlich „Alltag der Menschen an Bord“. Aber ich weiß trotzdem nich so recht – ich glaub, einer vonne Übersetzers war so’n supwersiewer Patzifißt, weil da wird nämmich ein Oberleutnant zu einem „Sub-Lieutenant“ degradiert, und statt „die U-Boote entstanden“ steht da „they disposed of submarines“, und das heißt doch, dasse die Dinger auf’n Müll geworfen ham, und das wär doch nun wieder blöd für so’n Museum, nich, hat ja dann irgendwie keinen Sinn mehr. Bei der Eröffnung übrigens fanden das so’n paar Auto-Nohme auch, also daß das Ganze keinen Sinn hat, und hamse unsern Eberhard deswegen beschimpft, dabei sollte der doch bloß die Ohrdöwres machen, oder wie das heißt. Jedenfalls muß ihn das aber doch so beeindruckt haben, dasser auffer Maifeier, weißt ja, am Pumpwerk, gleich ganz in schwarz und mit’ner schwarzen Sonnenbrille vermummt rumgelaufen is, sonst waren da aber keine Auto-Nohmen.

So, nach’m Marinemuseum wollt ich mir dann die Wasserspiele anne Nordseepassage angucken, hatt ich von gehört, wär ein „belebendes Element“, und hab ich mich schon gefreut, weil, dacht ich ja, spielen die so’n büschen rum, mit Wasserbällen und so und kannste knackige Tüpen inner Badehose für umsonst begucken. War aber’n Reinfall und bloß Löcher im Boden, wo ein Wasserstrahl draus rauskommt und sieht im Grunde nicht viel anders aus als meim Nachbar Willi sein Rasensprenger, bloß sind die Löcher nich in Gummi sondern in Beton, spritzen aber das Wasser genauso unegal durche Gegend wie Willi seiner. Also ich sag dir, mit Wasser hab ich heut kein Glück gehabt, und dann hab ich noch gehört, daß die richtigen Wasserspiele sowieso inner Kunsthalle waren, weil’s da so durchgeregnet hat, dasse mit den Bildern durche Gegend laufen mußten, damit die Farbe dranbleibt.

Ja, was gibt’s sonst Neues? Da wo’s Stadion nu noch is, weißt ja, Friedenstraße, soll alles neu, wollense wieder’n großes Haus hinbauen mit allem möglichen drin, und was kommt wohl wieder dran? Jawoll, wieder’n Turm, weil das bei uns Zeichen setzt und man von so’m Turm ja immer weit gucken kann. Wenn nu zum Beispiel die Russen kommen, von Norden, sagen wir mal, dann kann man sie schon vom Stadion aus von ganz weit sehen. Is aber’n schlechtes Beispiel,mein Kuddl, weil die Russen sind ja schon da und kleben für die Reps „Ausländer raus“-Plakate. Isdann doch wohl realistischer, nach Ehljens zu gucken.

Letzte Woche hamse hier die neue Süchatrie im Nieter-Krankenhaus eröffnet, sehr schön war das und wartense nu auf Patzjenten, und ich hab auch schon’n Vorschlag, wer zuerstmal hinsollte: unser gesamter Stadtrat nämmich, damit sie sich von ihrem Hornbacher Schießen ausruhen und erholen können, könnense schön was basteln oder sägen, damitse mal vonne anderen Seite anne Mateerje herankommen.

So, mein Kuddl, nu muß ich auch schon wieder los, zum Bahnhof kucken, ob da noch Züge fahren, weil hat uns die Bundesbahn ja nu gerade mit’m Sechs-Minuten-Kuh vom Rest der Welt abgeschnitten, von Wilhelmshaven aus is nu alles mit’m Zug zwei Tage weg, können wir so richtig schön unter uns bleiben, es sei denn wir fahren mit der neuen Tee-Lein nach England, aber das wär ja wieder übers Wasser, und da hab ich für heute die Nase voll von, oder die ganzen Engländer kommen auch noch zum Plakatekleben rüber oder verhauen unsere 92er Fußballer, wo die doch sowieso schon Probleme genug ham, nee, laß man, machen wir lieber selber weiter Wasserspiele. Ich fahr jetzt also zum Bahnhof, möchte ja auch gern mal ausprobieren, ob das stimmt, was der Gleis-hin-Fahrplan-her-Schmidt inner Wehzett geschrieben hat, daß nämmich der Bahnhof so schön is, dasser zum Zugfahren verleitet, was ja nich so schön sein kann, weil man die ganze Schönheit ja nich mehr sieht, wenn man wegfährt, aber vielleicht hab ich den Schmidt auch nur nich richtig verstanden, ich bin ja nur eine einfache Frau und weiß nix vonner Verkehrstechnick.

Tschüß, mein Kuddl, und’n dicken Knutsch von

Dein Theda

 

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