Kraftwerk: Scoping-Termin
Jul 072008
 

Voll zurück nach vorgestern!

Von Fehlplanungen, falschen Verheißungen und noch viel mehr am seeschifftiefen Wasser

(jm) „Sehr geehrte Damen und Herren,
die Firma E.ON Kraftwerke GmbH plant die Erweiterung des derzeit in Wilhelmshaven betriebenen Kohlekraftwerks durch die Errichtung und den Betrieb eines zweiten Kraftwerksblocks mit einer zusätzlichen Feuerungswärmeleistung von ca. 1.000 MW.“


So stand es in der Einladung des Gewerbeaufsichtsamtes Oldenburg zu einem Scoping-Termin am vergangenen 18. Juni zur Klärung des Umfanges der vom Antragsteller beizubringenden Antragsunterlagen.
Irritierend dabei war, dass E.ON vorher immer von dem Zubau eines 500 MW-Kraftwerks sprach. Aufklärung brachte der später nachgereichte Vorschlag bezüglich der beizubringenden Unterlagen:
Bei den angegebenen 500 MW handelt es sich um die reine elektrische Leistung ohne Energieverluste. Die andere Hälfte der Feuerungswärmeleistung geht in die Jade, wie von der Gewerbeaufsicht beim Scoping bestätigt wurde.
Das war eine echte Überraschung: Hatte man in der Öffentlichkeit nicht vorgegaukelt, dass ein Kühlwasseraustausch mit dem vor der Genehmigung stehenden Flüssiggas-Terminal der Schwesterfirma E.ON-Ruhrgas geplant sei?
Auf der Scoping-Sitzung kam dann so nach und nach heraus, dass daran überhaupt nicht gedacht wird. Stattdessen soll für die Kühlwasserentnahme und -rückgabe eine ca. 1.000 Meter lange Rohrleitung vor dem Rüstersieler Deich in die Jade verlegt werden. Doch die Kühlwasserentnahme werde nicht in diesem, sondern in einem Planfeststellungsverfahren zum JadeWeserPort (JWP) abzuarbeiten sein.
Die Vorhaltung des Landesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen (LBU), dass die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest (WSD) ja bereits einen Planfeststellungsbeschluss für den JWP erteilt habe und noch nicht einmal ein Änderungsantrag vorliege, wurde mit den Worten kleingeredet, dass – wenn auch in verschiedenen Verfahren – doch alles behandelt werde.
Weiter merkte der LBU dazu an, die WSD hätte zur Verhinderung eines durch den JWP verursachten Kühlwasser-Kurzschlusses bereits eine Strömungsprallwand zwischen der Kühlwassereinleitung und -entnahme des bestehenden Kraftwerks genehmigt, und diese werde ja auch schon eingerammt. Auch das konnte die Gewerbeaufsicht nicht in Verlegenheit bringen: Dieses Bauwerk sei nur eine Übergangslösung (!)
Der niedersächsische Steuerzahler, der sowohl die vorübergehende Prallwand als auch einen Großteil (wenn nicht komplett) des neuen Kühlwasseraustauschs für beide E.ON-Kraftwerke berappen muss, dürfte von dieser Geldverschwendung frühestens in einigen Jahren durch einen Jahresbericht des Landesrechnungshofs erfahren. Aber das wäre ja nicht das erste Mal, dass der Rechungshof das Land wegen Verschwendung von Steuergeldern in Wilhelmshaven gerügt hat: So hat das Land Anfang der neunziger Jahre 12 Mio. DM in ein Massengutlager gesteckt, das nie genutzt wurde. (WZ, 30.05.1998) Jetzt soll auf der Lagerfläche das Electrabel-Kraftwerk gebaut werden, und es muss ein Ersatzlager – vermutlich wieder auf Kosten des Steuerzahlers – angelegt werden.
Ganz abgesehen von dieser Verschwendungssucht: Nun muss die DFTG wohl doch einen noch nicht beantragten Kühlwasseraustausch in die Jade bauen, um das importierte auf -160°C heruntergekühlte Flüssiggas mit Jadewasser zu erwärmen, bevor es regasifiziert in das deutsche Gasleitungsnetz eingespeist werden kann.
Dabei hatte die DFTG in ihre Antragsunterlagen hineingeschrieben, dass „…die für den Verdampfungsvorgang benötigte Wärme hauptsächlich vom E.ON-Kraftwerk geliefert (wird), welches sich etwa 10 km südlich befindet. Dies geschieht über eine mit einem Wärmeträgermedium beaufschlagte Ringleitung.“ (aus Kurzbeschreibung des DFTG-Vorhabens vom 26.11.07)
Zusätzlich muss jetzt doch – wie schon vor 30 Jahren (!) vorgesehen – auf dem Gas-Terminal ein Heizwerk (Tauchflammverdampfer) vorgehalten werden:
„Eine Optimierung führte zu der Einplanung eines kombinierten Verdampferbetriebes. Im Sommer empfiehlt es sich, die Wärme des Meerwassers in relativ kapitalintensiven, aber hinsichtlich der Betriebskosten günstigen Meerwasserverdampfern zu nutzen. Im Winter werden die betriebsmäßig sehr teuren Tauchflammverdampfer eingesetzt. Im Frühjahr und Herbst ist ein Mischbetrieb vorgesehen.“ (aus der Projektbeschreibung des LNG-Terminals in Wilhelmshaven vom Mai 1978 – Bauherr DFTG).
Dazu ist anzumerken, dass die Betriebskosten der Tauchflammverdampfer durch die Gaspreisexplosion im Vergleich zu 1978 exorbitant gestiegen sind.
Aber diese ihr wohlbekannten Fakten versucht die Gewerbeaufsicht folgendermaßen zu umgehen:
Man sei ja auch verpflichtet, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens Ermittlungen über die Möglichkeiten der Kraft-/Wärmekopplung der beantragten Kraftwerke mit der Industrie durchzuführen. Da sowohl die WRG als auch die INEOS Prozesswärme für ihre Produktion benötigten, habe m an mit diesen Firmen Gespräche aufgenommen.
Weshalb das zwischen E.ON-Kraftwerke und E.ON-Ruhrgas rückgängig gemacht wurde, darüber hat sie beim Scoping allerdings kein Wort verloren. So wird es wohl auch dabei bleiben, dass die Gewerbeaufsicht pflichtgemäß Gespräche durchführt und das war’s denn auch.

Und was gab’s sonst noch auf dem Scoping-Termin?

Es wurden Forderungen nach vermehrten Messstationen von Schadstoffen und Lärm sowie Boden- und Wasserbeprobungen, die Erstellung diverser Gutachten zu den Schutzgütern Mensch und Umwelt usw. usf. erhoben, wozu ein Vertreter der Stadt Wilhelmshaven bemerkte, dass man schon viele diesbezügliche Gutachten im Rahmen der Flächennutzungs- und Bebauungspläne für den Rüstersieler Groden erstellt habe, die man ja nicht ein zweites Mal durchführen brauche. (Hoffentlich lässt sich die Stadt ihre Gutachten wenigstens teuer bezahlen…)
Ach ja – im Laufe des Scopings wurde noch bekannt, dass das Kraftwerk die Genehmigung für die Verbrennung von Petrolkoks hat und dafür ein großes Zwischenlager unterhält. Zudem darf sie auch Klärschlamm verbrennen.
Und dann hat die Gewerbeaufsicht auch noch bestätigt, dass noch immer kein Antrag auf den Bau eines neuen Massengutlagers (s.o.) gestellt wurde. Ungeachtet dessen wurde das wertvolle Wald- und Feuchtgebiet, in dem viele bedrohte Pflanzen- und Tierarten heimisch waren, bereits im letzten Frühjahr – wenige Tage vor Beginn der Vegetationsperiode – mit gesetzlich fragwürdiger Genehmigung durch die Stadt Wilhelmshaven abgeholzt und planiert.

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