Zum Interview mit Norbert Schmidt (Gegenwind 123)
Die Frage, wie es sein kann, daß es keine Jusos mehr gibt beantwortet Norbert Schmidt mit: „Man hat in der Vergangenheit die jungen Genossinnen und Genossen nicht ernst genommen“ Dies kann ich als ehemaliger Vorsitzender der Wilhelmshavener JungsozialistInnen nicht unkommentiert stehen lassen. Die Jusos waren 1991 nur noch ein ganz kleiner Haufen, den niemand interessierte. Die Jugend war nicht motiviert und politikverdrossen, was die Arbeit in einer Jugendorganisation einer großen „Volkspartei“ betrifft. Bei den „Kindern“ der SPD wollte keine/r mehr mitarbeiten. So kam es, daß die Wilhelmshavener Jungsozialisten auf ihrer Jahreshauptversammlung 1991 kurz vor der Auflösung standen, wären da nicht einige neue und alte Leute zur Versammlung gekommen.
Ich hatte 1986 schon einmal bei den Jusos mitgearbeitet und wollte jetzt nicht akzeptieren, daß die politische Landschaft Wilhelmshavens ohne Jusos weiterbestehen sollte. Wir gründeten mit neuen motivierten Leuten einen Übergangsvorstand, der die Jusos wieder dahinführen wollte, wo sie politisch hingehören: auf den linken Flügel der SPD.
Junge Menschen können sich nur schwer mit den Aussagen und dem Handeln einer der großen Parteien identifizieren. Wir konnten es mit der Politik der Wilhelmshavener SPD auch nur schwer. Wir hatten teilweise andere Ansichten, die wir versuchten durchzusetzen. Eine gute Partei zeichnet sich dadurch aus, daß auch Kritik innerhalb der Partei geübt wird. Unser Konzept ging auf. Wir machten unser Maul auf, wo wir Dinge falsch fanden. Viele neue Leute mit vielen neuen Ideen kamen zu uns, und so wuchsen wir wieder auf eine hohe Zahl von aktiven Mitarbeitern heran. Wir gründeten eine Zeitung, die „linke bazille“, in der wir unsere Meinungen und Konzepte an die Öffentlichkeit bringen wollten. Die Zeitung wurde von der Wilhelmshavener Jugend gut akzeptiert, von den Altgenossen der Partei weniger. Gleich in der ersten Ausgabe stieß ihnen ein Artikel über Eberhard Menzel auf, für den man uns auf der nächsten Unterbezirksversammlung rügte. Ein Rathsherr (und ehemaliger Juso!) warnte uns sogar, daß es bei solcher Berichterstattung passieren könnte, daß uns der Etat gestrichen wird.
Man wollte uns also gleich wieder mundtot machen. Die Partei nahm uns wieder ernst und hatte sogar Angst vor uns. Beistand bekamen wir nur von zwei Genossen. Als wir den sog. „Beta-Skandal“ aufdeckten, hatten wir es uns gänzlich mit den „Alten“ verscherzt. Sie ließen uns fallen wie eine heiße Kartoffel, später wurde unser Etat rigoros gekürzt, so daß eine politische Arbeit nicht mehr möglich war. Auf dem Unterbezirksparteitag wurden nur unsere Pipifax-Anträge angenommen. Die bissigen Anträge jedoch wurden in geschlossener Front erbahmungslos abgeschmettert. Wir erhielten keinerlei Unterstützung mehr, geschweige denn einen Etat. Als die Bundespartei dann noch mit der Diskussion um den Art. 16 GG (Asylrechtsänderung) begann, traten viele Jusos aus der Partei aus. Ein politisches Arbeiten von und mit Jugendlichen in Wilhelmshaven war nicht mehr möglich. Die Jusos bestehen jetzt nur noch aus einer Kontakttelefonnummer.
Es stimmt also nicht, daß die Jusos nicht ernst genommen wurden. Richtig ist: Sie wurden durchaus ernst genommen und paßten nicht in das Friede, Freude, Eierkuchen Konzept der Wilhelmshavener SPD. Die Jusos wurden eiskalt abserviert, weil linke Politik und „Maul aufmachen“ in dieser SPD nicht möglich ist. Wenn die Wilhelmshavener SPD nach der Jugend schreit, darf sie nicht erwarten, daß die Jugend für die Ideale von Mittfünfzigern kämpft.
Vielleicht ändert sich die Jugendpolitik unter einem neuem VB-Vorsitzenden. Ich wünsche Norbert Schmidt viel Glück und Kraft bei dieser (fast) aussichtslosen Aufgabe.
Frank Tunnat
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