Job-Center
Aug 102005
 

Was soll das?

Halbherziges „Buh!!!“ vom Job-Center Wilhelmshaven

(noa) Heinz Müller*, Arbeitslosengeld II-Empfänger, staunte nicht schlecht, als er neulich vormittags einen Brief des Job-Centers aus dem Briefkasten holte, der an seine Frau gerichtet war. Frau Müller ist nämlich berufstätig und hat insofern mit dem Job-Center ja eigentlich gar nichts zu tun.

Oh doch, versicherte ihm die unterzeichnende Sachbearbeiterin am Telefon, als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Heinz und Anna Müller habe sie der Einladung Folge zu leisten. Wenn sie für den Termin nicht von der Arbeit befreit würde, dann würde es aber auch reichen, wenn er, der Ehemann, an ihrer Stelle käme; ihren Arbeitsvertrag müsse er aber schon mitbringen.
Müllers sind dann doch zusammen hingegangen und fielen aus allen Wolken, als sie hörten, worum es ging: Frau Müller ist teilzeitbeschäftigt. Dadurch hat sie ein relativ geringes Einkommen. Würde sie vollschichtig arbeiten, würde sie genug verdienen, so dass Herr Müller kein Alg II mehr bekommen würde.
In unserer Ausgabe 200 kann man unter der Überschrift „Ein echter Liebestest“ nachlesen, wie viel Geld in einer Bedarfsgemeinschaft verdient werden darf und ab welchem Einkommen des Partners/der Partnerin eine arbeitslose Person gar nichts mehr bekommt. Diese Zahlen sind den Müllers bekannt. Was sie aber nicht wussten, ist, dass die berufstätige Partnerin sich um eine volle Beschäftigung bemühen muss und dass, wenn sie das nicht tut, dies ein Grund für eine Kürzung oder gar Streichung des Alg II ihres Ehemannes ist.
„Ich muss Ihnen das sagen“, teilte ihnen die Job-Center-Beschäftigte mit. Zwar habe sie keine Vollzeitstelle im Angebot, die sie Frau Müller vermitteln könnte, und es wäre auch wahrscheinlich leichtsinnig, einen Teilzeitarbeitsplatz aufzugeben, den man schon viele Jahre innehat, um einen Vollzeitjob anzunehmen, von dem man nicht wissen kann, ob er für den Rest des Arbeitslebens sicher ist. Aber dennoch…
Höchst beunruhigt gingen Müllers wieder nach Hause. Anna arbeitet nicht aus Faulheit in Teilzeit, sondern sie hat dafür gesundheitliche Gründe. Sollte sie dazu gezwungen werden, vollschichtig zu arbeiten, könnte es passieren, dass sie nicht bis zum Rentenalter durchhält. Dann würde es für das Job-Center noch teurer…
„Seit Anfang des Jahres sind schon zahlreiche Ratsuchende mit diesem Problem in unsere Beratung gekommen“, informiert uns Werner Ahrens von der Arbeitsloseninitiative. „Zum Teil wurde den teilzeitbeschäftigten Ehefrauen arbeitsloser Männer sogar vorgeschlagen, zusätzlich einen Putzjob abzunehmen“, führt er weiter aus. Nach seinen Erfahrungen hat es immer ausgereicht, beim jeweiligen Sachbearbeiter anzurufen und nachzufragen, was der Blödsinn soll – ein schriftlicher Widerspruch oder sogar eine Klage beim Sozialgericht war nie notwendig. Es steht nicht so genau im Gesetz, ob dergleichen wirklich verlangt werden kann und ob das Alg II eines Mitgliedes einer Bedarfsgemeinschaft tatsächlich gekürzt werden darf, wenn ein anderes Mitglied derselben Bedarfsgemeinschaft nicht bereit ist, eine volle Stelle anzunehmen oder einen Zuverdienst zu suchen. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Job-Center einen solchen Prozess verlieren würde“, schätzt Werner Ahrens die Situation ein.
Wenn das so ist, warum werden dann Leute wie z.B. das Ehepaar Müller überhaupt eingeladen und mit dieser bedrohlichen Aussicht konfrontiert? Geht es darum, mal auszuprobieren, ob jemand sich davon einschüchtern lässt? Es könnte ja sein, dass es bei dem einen oder der anderen klappt und man damit bei gleich bleibender Arbeitslosenzahl die Statistik doch freundlicher gestalten kann.
*) Der Name wurde von der Redaktion geändert.

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