Hartz IV und Recht
Jan 312008
 

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Mal wieder: Job-Center Wilhelmshaven und die Kosten der Unterkunft

Bislang ist wenig bekannt, dass Leistungsberechtigte nach Hartz IV, also Alg II-EmpfängerInnen, eines grundgesetzlich verbrieften Rechts beraubt sind. Ihre Freizügigkeit ist eingeschränkt – nach Hartz IV jedenfalls. Irgendwann wird das Bundesverfassungsgericht wohl klären, ob die Bestimmung, dass Alg II-Berechtigte sich einen Umzug genehmigen lassen müssen, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.


Wir kennen eine Alg II-Empfängerin, die ihren Wunsch nach einer neuen Wohnung nach wochenlangen Auseinandersetzungen mit dem Job-Center wieder aufgegeben hat. Ihr war das Risiko, am Ende die Miete nicht voll erstattet zu bekommen, zu groß. Der Fall von Christoph Winter, über den wir in der Ausgabe 230 berichtet haben, hätte diese Frau ermutigen können: Herr Winter war innerhalb Wilhelmshavens umgezogen, und das Job-Center erstattete ihm einige Monate lang die Kosten der Unterkunft nur in der Höhe wie für seine vorige Wohnung, und das, obwohl die neue Miete immer noch deutlich unter dem Wert, den Wilhelmshaven als angemessen anerkennt, lag. Das Job-Center brachte im Verfahren vor, Winter habe den Umzug ohne Genehmigung vollzogen; dieser hielt dagegen, er habe sehr wohl die Zustimmung des Job-Centers gehabt; das Sozialgericht Oldenburg setzte sich lediglich mit dieser Streitfrage auseinander und nicht damit, ob die Freizügigkeit durch ein Bundesgesetz beschnitten werden darf.
Nun lag dem Sozialgericht Oldenburg zum Ende des vergangenen Jahres ein weiterer Fall (Beschluss vom 29.11.2007 – Az: S 49 AS 2079/07 ER) vor, in dem die Frage der Genehmigungspflichtigkeit eines Umzuges zur Debatte stand. Eine Familie (Hartz IV-berechtigt) war von Recklinghausen nach Wilhelmshaven umgezogen. Der Vater hatte vorher in Wilhelmshaven nachgefragt und erfahren, dass “Kosten in Höhe von Euro 727,– einschließlich Heizkosten nicht überschritten werden dürften”, und die Familie mietete eine Wohnung knapp unter diesem Mietpreis an.
Das Job-Center bewilligte der Bedarfsgemeinschaft dann aber die Kosten der Unterkunft nur in Höhe von 569,45 Euro und führte im Verfahren “im Wesentlichen aus, dass der Umzug der Antragsteller nicht genehmigt worden sei. Es ergebe sich auch nicht, dass der Umzug erforderlich gewesen sei.”
Das Sozialgericht Oldenburg beschloss zu dieser Frage: “Die fehlende Zusicherung ist insoweit kein Anspruchshindernis, da das Zusicherungsverfahren lediglich Aufklärungs- und Warnfunktion hat. Die in § 22 Abs. 2 SGB II vorgesehene Zusicherung zu den Aufwendungen vor dem Umzug in eine Wohnung ist (…) keine Anspruchsvoraussetzung.”
Interessant wird es jedoch erst danach im Beschluss: “Auch die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit dem 01.08.2006 geltenden Fassung steht dem Anspruch der Antragsteller nicht entgegen. Danach werden nach einem nicht erforderlichen Umzug Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht, wenn sich nach dem Umzug die angemessenen Aufwendungen für die Unterkunftskosten erhöhen.” – Also: Selbst wenn die (höheren) Kosten für die neue Unterkunft immer noch unter dem üblicherweise erstattungsfähigen Wert liegen, bekommt man nach dem Umzug nur die Miete der vorigen Wohnung! – Aber: “Die Neuregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II greift jedoch nur bei Umzügen innerhalb desselben Wohnungsmarktes. Für die Frage, welche Wohnkosten nach einem nicht erforderlichen Umzug in einen neuen Wohnort als angemessen übernommen werden, kann es daher weiterhin nur auf die Angemessenheit der Unterkunftskosten am Zuzugsort ankommen.”
Aha. Und heißt das nun, dass die von Wilhelmshaven gesetzten Mietobergrenzen auf einmal vom Sozialgericht Oldenburg mitgetragen werden? – Nein.
“Danach ergibt sich bei einem Sechs-Personen-Haushalt in Wilhelmshaven bei einer Mietenstufe II (§ 1 Abs. 1 Wohngeldverordnung, Anlage zur Wohngeldverordnung, Bundesgesetzblatt 2001, Seite 2743) grundsätzlich ein Wert von Euro 610,– zuzüglich eines Zuschlags von 10 %, also in Höhe von 671,– Euro (Kaltmiete plus Nebenkosten ohne Heizkosten).”
Hier gibt es also einen weiteren Gerichtsbeschluss gegen die von der Stadt Wilhelmshaven festgelegten Mietobergrenzen. Wohngeldtabelle plus 10 %, das ist die Miete, die Alg II-Berechtigten zusteht. Und alle, die nach wie vor weniger bekommen, haben wirklich keine andere Möglichkeit als den Klageweg, denn freiwillig rückt das Job-Center diese Miete nicht raus.(noa)

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