Der kleine Kaiser
Jan 312008
 

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Der kleine Kaiser


ein Wintermärchen von Frau Ansche

Es war einmal ein kleiner Kaiser in einem kleinen Fürstentum am grauen Meer. Er saß alleine mit seinen beiden Lieblingshündchen in seinem kleinen Thronsaal, dessen einzige Zierde ein großer Spiegel war, und dachte nach.
Viel hatte er erreicht, unser kleiner Kaiser.
Bevor er Kaiser wurde, hatte am grauen Meer noch nicht einmal ein Fürstentum existiert. Gewählte Volksvertreter hatte es gegeben, aber die waren träge geworden, dick und satt von allem, was sie am Volk vorbei für sich gesammelt hatten und immer noch anhäuften.
Der kleine Kaiser war damals noch jung und gerecht und zornig. Mit einer Gruppe Gleichgesinnter aus vielen Teilen des kleinen Fürstentums – das noch keins war – plante er den Aufstand, leise, wirkungsvoll, gut organisiert – denn wenn der kleine Kaiser eins gelernt hatte, dann war es organisieren.
Der Aufstand gelang, und der kleine Kaiser durfte mit seinen Gleichgesinnten das Fürstentum – das aber eigentlich noch keins war – regieren. Das gefiel den Leuten, die damals noch keine Untertanen waren, denn der kleine Kaiser war oft bei ihnen, unterhielt sie mit lustigen Fahrradunfällen, verlieh Preise an ihre Kaninchen und tanzte mit ihnen bis in den Morgen. Sogar mit dem Regieren waren die Leute zufrieden. Alle waren glücklich.
Nun – fast alle. Der kleine Kaiser hatte sich einiges anders vorgestellt. Seine Gleichgesinnten waren gar nicht mehr immer seiner Meinung; oft musste er diskutieren, bis er Kopfschmerzen bekam. Und als er älter wurde, wuchsen Jüngere nach, die wieder Gleichgesinnte hatten, aber gar nicht mehr das wollten, was der kleine Kaiser wollte. Davon bekam er noch mehr Kopfschmerzen. Und schlechte Laune.
Und so scharte der kleine Kaiser – der ja eigentlich noch keiner war – ein letztes Mal seine Gleichgesinnten um sich. Er machte ihnen klar, wie gut es für alle und vor allem das kleine Fürstentum – das ja eigentlich noch gar keins war – wäre, wenn es ihnen gemeinsam gelänge, ihn direkt zum Kaiser wählen zu lassen. Nichts würde sich für sie ändern, und die Untertanen – die ja eigentlich noch keine waren – würden viel besser wissen, wie die Verhältnisse seien.
Und so geschah es. Die Gleichgesinnten schwärmten aus und verkündeten die frohe Botschaft. Das Volk, der vielen Streitereien müde, ärmer geworden, an Zahl geringer und hoffnungsloser, hörte sie wohl und begann zu glauben. Viele Menschen würden in ihr kleines Fürstentum kommen, um zu staunen und viel Gold dort zu lassen. Reiche Kaufleute und Fabrikbesitzer von weither würden sich niederlassen, und sie würden nie mehr arm sein, und ihre Kinder würden wohl gedeihen.
Und so wählten sie den kleinen Kaiser zu ihrem Fürsten, und er fing auch gleich an zu regieren.
Große Pläne hatte er, einen großen Hafen für die ganze Welt sollte das Fürstentum bekommen. Viel Industrie musste her, prachtvolle Hotels, große Kraftwerke, mindestens drei davon.
Die Untertanen – jetzt waren sie es endlich – waren glücklich. Jetzt würde es vorangehen. Doch dann sahen sie ihre Kinder auf den Straßen spielen, sahen Geschäfte und Fabriken schließen, sahen ihr graues Meer zur stinkenden Jauchegrube werden. Und sie begannen, Fragen zu stellen.
Fragen mochte unser kleiner Kaiser nicht. Davon bekam er Kopfschmerzen. Er erklärte Fragensteller zu Feinden des Fürstentums, so war es am einfachsten. Auch unter den Gleichgesinnten waren keine Fragen mehr erlaubt. Und wenn jemand deswegen nicht mehr für ihn arbeiten wollte, dann sagte der kleine Kaiser, der habe ja sowieso keine Lust gehabt und auch nie wirklich gearbeitet. Und alle, die nicht wollten, was er wollte, die wären wirklich böse und sollten für immer schweigen.
Nun saß er in seinem kleinen Thronsaal, alleine mit seinen Lieblingshündchen, einem grauen Schnauzer und einem beleibten Pinscher, die nur bellten, wenn er es befahl. Er schaute in den großen Spiegel. Nein, jung war er nicht mehr, harte Linien durchzogen das Gesicht, freudlos gaben die Augen seinen Blick zurück.
Aber die Fähigkeit, vor sich selbst zu erschrecken, hatte der kleine Kaiser schon lange verloren.

 

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