DGB Neujahrsempfang
Jan 292018
 

Gleichstellung im Blick behalten

Axel Opitz, Lothar Bredemeyer, Marianne Kaiser-Fuchs, Uwe Reese, Heinz Reinecke und Doro Jürgensen (v.ln.r.) gestalteten den DGB-Neujahrsempfang. Foto: Gegenwind

Axel Opitz, Lothar Bredemeyer, Marianne Kaiser-Fuchs, Uwe Reese, Heinz Reinecke und Doro Jürgensen (v.ln.r.) gestalteten den DGB-Neujahrsempfang. Foto: Gegenwind

(red) Beim traditionellen Neujahrsempfang im Gewerkschaftshaus standen die Themen „100 Jahre Frauenwahlrecht“, die anstehenden Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie sowie das Klinikum Wilhelmshaven im Mittelpunkt. Eingeladen hatten der DGB Stadtverband Wilhelmshaven, der Kreisverband Friesland und die Mitgliedsgewerkschaften.

Axel Opitz (IG Metall), Vorsitzender des DGB-Stadtverbandes, blickte auf ein „turbulentes“ Jahr 2017 zurück. Nach drei Jahren als Gewerkschaftssekretär in Wilhelmshaven wechselte Danny Schnur nach Hannover. Seine Nachfolgerin Magdelene Majeed wird im Februar 2018 schon wieder auf eine andere Stelle wechseln.

Zum Antikriegstag am 1. September organisierte der DGB Wilhelmshaven eine Veranstaltung zum Thema Kindersoldaten zusammen mit dem Jugendparlament. Opitz appellierte an Jugendliche, in den Gewerkschaften aktiv zu werden. Der DGB begleitete kritisch die Bundestags- und die Landtagswahlen und die Planungen zum neuen Klinikum Wilhelmshaven. „Gesundheit darf nicht ausschließlich unter monetären Gesichtspunkten betrachtet werden,“ betonte Opitz.

Noch 200 Jahre bis zur Gleichberechtigung

Am 12. November 1918 wurde erstmals in Deutschland das Wahlrecht auch für Frauen ausgerufen: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen“. Bis dahin war es ein langer harter Weg, den viele Vorkämpferinnen mit Repressalien bis hin zum Tod bezahlten. Der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ wurde erst 1949 ins Grundgesetzes aufgenommen.

Martina Bruse, politische Sekretärin der IG Metall Oldenburg, dokumentierte in ihrer Ansprache, dass es bis heute keine wirkliche Gleichberechtigung gibt. Bis heute sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert. Im Durchschnitt erhalten sie für gleichwertige Arbeit 20% weniger Lohn als männliche Kollegen. Verschiedene Recherchen hatten zum Ergebnis, dass Frauen aber für bestimmte Waren und Dienstleistungen mehr zahlen – z. B. für Kosmetik, in der Autowerkstatt oder in der Reinigung – „Sexismus an der Kasse sozusagen“. Der Sexismus im Arbeitsleben wurde durch die aktuelle #metoo Debatte wieder einmal deutlich.

Aktuell geht der Weg in vielen Köpfen sogar wieder rückwärts. In den USA war Präsident Trump gerade eine Stunde im Amt, da waren staatliche Internetseiten zum Thema Gendergerechtigkeit gesperrt. Das russische Parlament hat erst im letzten Jahr häusliche Gewalt von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft. In der Türkei brachte die Regierungspartei AKP einen Gesetzesentwurf ins Parlament ein, der vorsah, dass Sexualstraftäter straffrei ausgehen, wenn sie ihre Opfer heiraten (der Entwurf wurde nach heftigen Protesten zurückgezogen).

In Deutschland, so Bruse, wird derweil der Rechtspopulismus wieder salonfähig. AfD-Lobbyistin bezeichnet Gender-Mainstreaming als „politische Geschlechtsumwandlung“. Björn Höcke will „schädliche, teure, steuerfinanzierte Gesellschaftsexperimente, die der Abschaffung der natürlichen Geschlechterordnung dienen, zum Beispiel das Gender-Mainstreaming, … sofort … beenden.“

„Wir kämpfen heute Seite an Seite, Männer und Frauen“ ermunterte Bruse die Anwesenden. Trotzdem wird es, nach dem aktuellen „Gender Gap Report“ des Weltwirtschaftsforums, noch über 200 Jahre dauern, bis die Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt erreicht ist.

IG Metall im Arbeitskampf

Bruse berichtete abschließend über den Stand der Tarifverhandlungen im Metallbereich. Die IG Metall hatte die Manteltarifverträge gekündigt und im Vorfeld 680.000 Beschäftigte befragt. 83% äußerten den Wunsch, mehr selbstbestimmt zu arbeiten. Alle Beschäftigten sollen die Möglichkeit bekommen, die Arbeitszeit (zeitlich befristet und unentgeltlich) auf 28 Wochenstunden zu reduzieren. Ist die Arbeitszeitreduzierung aus familiären Gründen erforderlich (Kinder, pflegebedürftige Angehörige), soll ein Teil-Lohnausgleich erfolgen.

„Die Wirtschaft brummt“, so Bruse, davon sollen auch mal die Beschäftigten profitieren. 6% mehr Lohn bietet die IG Metall, 2% und eine Einmalzahlung von 200 Euro bieten die Arbeitgeber. Am Samstag nach dem Neujahrsempfang wurden die Verhandlungen abgebrochen, in der kommenden Woche wird es 24-Stunden-Warnstreiks geben, zu deren Unterstützung Kolleg*innen aller Gewerkschaften eingeladen sind.

Woran krankt das Klinikum?

Lothar Bredemeyer, DGB-Kreisverbandsvorsitzender in Friesland, leitete zum Thema „Klinikum Wilhelmshaven“ über. Für ihn ist die derzeitige Entwicklung dort nicht zufriedenstellend., es werde viel über den Neubau gesprochen, aber es fehle ein inhaltliches Konzept. Als Vertreter des Rates lieferte Bürgermeister Uwe Reese Zahlen zum aktuellen Betrieb (2017): 1.480 Mitarbeiter*innen; 654 Planbetten; 20.700 Fälle insgesamt; 20.000 stationäre und 42.000 ambulante Behandlungen; 1.800 in der Psychiatrie; 790 Geburten.

Axel Opitz fügte eine Zahl hinzu: 30% Krankenstand unter den Beschäftigten. Chronische Unterbesetzung führt dazu, dass das Personal überfordert und unzufrieden ist. Das wirkt sich wiederum auf den Ruf des Klinikums aus, der ohnehin durch noch ungeklärte Vorgänge bei der Fusion mit dem St.-Willehad-Hospital beschädigt ist. Zu diskutieren ist auch, ob ein Konkurrenzdenken zwischen kommunalen Kliniken einer Region nicht ihrer eigentlichen Aufgabe widerspricht. Lokale Daseinsvorsorge darf nicht zum Spielball eines Verdrängungswettbewerbs werden.

„Wir müssen auch Druck auf Bundesebene machen“ forderte DGB-Regionsgeschäftsführerin Dorothee Jürgensen. Stationäre und teilweise auch teilstationäre Krankenhausleistungen werden, auf Grundlage des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, als standardisierte Fallpauschalen nach dem DRG-System (Diagnosis related groups) abgerechnet. Bund und Länder regeln auch den Pflegeschlüssel, als Untergrenze für den Personaleinsatz im Pflegebereich.

„Nicht der OP-Tisch, sondern danach entscheidet über die Gesundung des Patienten“ meldete sich der Wilhelmshavener Landtagsabgeordnete Holger Ansmann (SPD) zu Wort. „Zufriedene Beschäftigte sollen Menschen wieder gesund machen“. Seit der Zwangsfusion werden die im Klinikum Beschäftigten nach unterschiedlichen Tarifen bezahlt. Das stimmt sie natürlich nicht zufrieden. Ziel sei, das mit Eröffnung des Neubaus zu ändern. Wann das sein wird? „2023. Oder 24?“

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