Wagner nimmt öffentlich Stellung zu Vorwürfen
Oberbürgermeister weist alle Vorwürfe bezüglich Urlaub und Reisekosten zurück.
(ube) In einer Sondersitzung des Rates am 19.01.2018 bekam Oberbürgermeister Andreas Wagner Gelegenheit, sich öffentlich zu den seit etwa vier Wochen im Raum stehenden Vorwürfen bezüglich zu viel genommenen Urlaubes und falsch abgerechneter Telefon- und Reisekosten, zu äußern.
Der Antrag zur Sitzung wurde durch die SPD-Fraktion, mit Unterstützung der Ratsgruppe ‘GUS’ (Grüne, UWG, BASU, DIE Partei) vergangene Woche bei der Stadt eingereicht.
Anlass war eine anonyme ‘Abwesenheitsliste’, die seit etwa vier Wochen kursierte und mittlerweile sogar überregionale Medien, wie den NDR und die ‘Hannoversche Allgemeine Zeitung’ beschäftigten. Bisher hatte sich Andreas Wagner einer Stellungnahme entzogen. Nun wollte der Rat es genau wissen und setzte die Sondersitzung an, die eigentlich im Kern nur ein Thema hatte: Andreas Wagner.
Unter großem Medieninteresse eröffnete der Ratsvorsitzende Stefan Becker um 14.00 Uhr die Sitzung. Zunächst sprach der 1. Stadtrat Jens Stoffers über die juristischen Feinheiten der im SPD-Antrag formulierten Tagesordnungspunkte und über die Rechtmäßigkeit der kurzfristig einberufenen Sondersitzung.
Im Anschluss nahm Andreas Wagner zunächst Stellung zur medialen Verbreitung der Vorwürfe auf Basis der anonym verbreiteten Liste. Wagner fragte in dem Zusammenhang, ob Ratsmitglieder vielleicht über weitere ‘alternative Fakten’ verfügten. Indirekt verteilte der Oberbürgermeister gleich zu Anfang seiner Rede Medienschelte und warf auch dem Rat indirekt mangelnde Recherche vor.” Bei Gerüchten ist ja immer Vorsicht geboten – vor allem, wenn man sie weiterverbreiten möchte….Vor allem die anwesenden Journalisten…werden diesen Schritt ganz sicher im Zuge ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht gegangen sein.”
“Gerüchte müssen glaubwürdig und plausibel sein, um ihren Weg in die Medien zu finden”
Wagner filetiert im Anschluss die Liste und stellt den genannten Abwesenheitsterminen Pressebeiträge aus WZ, NWZ und Jeversches Wochenblatt entgegen, die seine Aktivitäten innerhalb der genannten Zeiträume belegen. Im weiteren sieht er sich nicht in der Rechtfertigungspflicht, sondern stellt vielmehr die Frage nach der Beweispflicht der erhobenen Vorwürfe durch den Urheber der Liste. Schließlich legt der Oberbürgermeister einen Urlaubskalender vor und stellt fest, dass er in 2017 34 Tage Urlaub genommen habe, 13 Tage krank gewesen sei und eine zweiwöchige Wehrübung verrichtet habe, zu der der Rat verpflichtet sei, ihn frei zu stellen. Allein während dieser Wehrübung habe er über 80 Stunden für die Stadt gearbeitet. Sein Urlaubsanspruch in 2017 beziffert Wagner mit 41 Tagen, bedingt durch Resturlaubstage aus 2016.
Petra Stomberg (Grüne) stellte klar, dass es sich bei der anberaumten Sondersitzung und dem zugrunde liegenden Antrag der SPD nicht um eine Vorverurteilung durch den Rat handele, sondern vielmehr dem Oberbürgermeister Gelegenheit geben sollte, öffentlich gemachte Vorwürfe gegen ihn aus der Welt zu schaffen. Im Prinzip, so Stomberg, sollte der OB den 17 Unterzeichnern des Antrages dafür dankbar sein.
Dr. Michael von Teichman (FDP) stellte fest, dass er die Ausführungen des OB zwar zur Kenntnis nehme, aber eine Nachvollziehbarkeit im Detail so schwer möglich sei. Von Teichmann stellte klar, dass die Entkräftung der Vorwürfe durch den OB unmittelbar hätte erfolgen sollen, statt das Hochkochen in der Presse und den sozialen Medien erst abzuwarten. Mit einer unmittelbaren Klarstellung hätte Andreas Wagner Schaden von seiner Person, dem Amt und der Stadt abwenden können. Die Vorgehensweise des Oberbürgermeisters bezeichnete von Teichman als “schlechtes Krisenmanagement”, dass allen in der Stadt geschadet habe. Die FDP behalte sich weiterhin Akteneinsicht vor, so der Fraktionsvorsitzende der FDP.
Die von der SPD geforderte Einsicht in den Terminkalender des Oberbürgermeisters im öffentlichen Teil der Ratssitzung, konnte laut erstem Stadtrat Stoffers aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht entsprochen werden. Dieser Tagesordnungspunkt wurde daher in den nichtöffentlichen Teil der Sitzung verschoben.
Auch die weiteren im Antrag der SPD zur Sprache gebrachten Fragestellungen versuchte Andreas Wagner zu klären.
Bezüglich der Kilometerabrechnung seines dienstlich genutzten, privaten PKW stellte Wagner zunächst fest, dass diese private Nutzung gegenüber der Nutzung eines Dienstwagens deutlich (etwa 150 €/ Monat) billiger sei und er außerdem für Dienstreisen ein Fahrtenbuch führe. Die Dienstfahrten würden nach Prüfung durch die Verwaltung mit 30 Cent/km, wie bei allen anderen 249 Stadtbediensteten, die dieses Verfahren nutzten, abgerechnet.
Bezüglich seiner Dienstreisen, gab Andreas Wagner für 2016 fünf Übernachtungen im Gesamtwert von 589,14€ und in 2017 sieben Übernachtungen im Gesamtwert von 1090,50€ an. Diese Reisekosten würden von der Verwaltung vor der Erstattung geprüft, bevor die Auszahlung angewiesen werde. Mit ihrem Antrag, die Reisekosten durch den Rechnungsprüfungsausschuss (RPA) prüfen zu lassen, würden die Unterzeichner diesen Mitarbeitern das Misstrauen aussprechen, so Wagner. Das die Prüfung der Verwaltung wahrscheinlich nur die formale und mathematische Richtigkeit, der RPA aber auch die sachliche Richtigkeit prüft, erwähnt Wagner dabei nicht.
“Ich habe gar kein Diensttelefon”
Die Frage nach den Mobilfunkabrechnungen beantwortet Wagner kurz mit dem an eine alte Kaffee-Werbung erinnernden Satz: ”Ich habe gar kein dienstliches Telefon!” Die Abrechnung der von seinem Privattelefon geführten Dienstgespräche reiche er zur Erstattung bei der Verwaltung ein. Die Frage danach, ob ein Oberbürgermeister nicht ein Diensttelefon nutzen sollte, ob er vielleicht eine Dienst-Sim-Karte zusätzlich in seinem Privathandy nutzt und die Frage, ob bei der Prüfung wieder nur formal und arithmetisch geprüft wird, bleibt offen.
Schlussendlich kommentiert Andreas Wagner den im Raum stehenden Vorwurf, er habe gebührenpflichtige Seiten über seinen Dienst-PC aufgerufen mit: “Das ist natürlich Käse”. Dies ist eine wenig erhellende Aussage. Leicht hätte sich durch die technische Abteilung des Rathauses, die die Server betreut, der Beleg zur Entkräftung dieses Vorwurfes erbringen lassen.
Wenn ein Oberbürgermeister eines groben Fehlverhaltens öffentlich beschuldigt wird, so ist dies nicht nur unangenehm für die Person, sondern kann auch zur Beschädigung des Amtes und des Rufes der Stadt führen.
Logisch wäre also aufkommende Vorwürfe sofort im Keim zu ersticken, es sei denn sie stimmen und lassen sich nicht entkräften.
Andreas Wagner sieht dies offenbar völlig anders. Seit Dezember kursieren die Gerüchte um angebliche 19 Wochen Urlaub im vergangenen Jahr und darüber hinaus um falsch abgerechnete Reise- und Telefonkosten sowie um Nutzung von ‘Bezahl-Seiten’ im Internet über den Dienst-PC.
Vom OB ist dazu 4 Wochen nichts als ein laues Dementi zu hören, während sich mittlerweile landesweit die Medien mit den Vorgängen befassen. Erst durch eine von der SPD und der GUS betriebenen, öffentlichen Sondersitzung des Rates, sieht der OB sich genötigt die Vorwürfe gegen ihn zu entkräften. Natürlich nicht ohne die Journalisten und um Antworten suchenden Ratsmitglieder indirekt zu tadeln. Kann man machen, muss man nicht!
Ob an die Wand projizierte Zeitungsausschnitte reichen, die Einhaltung der Urlaubs- und Abwesenheitsregeln zu belegen, wird nicht nur von der FDP bezweifelt.
Viel wichtiger, als die Frage der Anwesenheitszeiten des Oberbürgermeisters erscheint mir aber die Frage hinter den Fragen. Wie zerstört muss ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Rat und dem Oberbürgermeister sein, dass eine anonyme Liste ausreicht im Ende eine Sondersitzung einzuberufen?
In der freien Wirtschaft würden sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer solchen Situation ‘in gegenseitigem Einvernehmen’ trennen. In diesem Fall scheint es mir, hat Andreas Wagner vielleicht jetzt erst begriffen, dass der Rat sein Dienstherr ist und die Bürger auch in der Kommune der Souverän sind.
Immerhin, für eine weitere Amtsperiode steht Andreas Wagner nicht zur Verfügung. Für ihn liegt der Grund in dem Umgang mit ihm und seiner Familie – für mich in dem bröckelnden Rückhalt in der eigenen Partei und dem voraussichtlich desaströsen Wahlergebnis, das ich für ihn erwarten würde.
Ulf Berner | Chefredakteur Schlicktown-Magazin
(Der Artikel wurde uns vom Schlicktown Magazin zur Verfügung gestellt)
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