1. Mai 2001
Apr 272001
 

Mai-Talk

Mit Talk-Runden gegen schwindendes Interesse

(hk) Nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung begeht den 1. Mai so, wie er einst erstritten wurde: als Kampf- und Feiertag, an dem die abhängig arbeitenden Menschen ihre Forderungen auf die Straße tragen. Und wenn dann der 1. Mai, wie in diesem Jahr, auch noch auf einen Dienstag fällt, dann wird dieser zusätzliche freie Tag doch lieber für einen Kurzurlaub auf den Inseln oder für den längst überfälligen Besuch bei der Oma in Castrop-Rauxel genutzt.

Müßig, die Gründe dafür aufzuzählen. Die Gewerkschaften versuchen in diesem Jahr (zumindest in Wilhelmshaven) der Maifeier einen moderneren Charakter zu geben: Statt langer Reden einzelner Gewerkschaftsfunktionäre kommen die Kolleginnen und Kollegen zu Wort, die das ganze Jahr über die Arbeit in den Betrieben und anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen mittragen. Es wird nicht mehr geredet, es wird getalkt.
Geplant sind vier Talk-Runden von jeweils ca. 20 Minuten.

Mitbestimmung: gestern – heute – morgen

Betriebsräte, junge und alte Gewerkschafter diskutieren über die Praxis der Mitbestimmung und skizzieren Ziele, wie eine moderne Mitbestimmung in der Zukunft aussehen kann.

Wir sagen NEIN! zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus

Aktive GewerkschafterInnen stellen Projekte vor, mit denen sie die Auseinandersetzung gegen die in allen Teilen der Gesellschaft vorhandenen Vorurteile gegen alles Fremde vorantreiben wollen. Des weiteren wird eine ausländische Kollegin berichten, wie sie täglich mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus konfrontiert wird.

Wirtschafts- und Strukturpolitik aus Sicht der Frauen

Wie ist die Stellung der Frau im heutigen Arbeitsleben? Hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten wirklich etwas verändert? Die Arbeit im Call-Center: Frauenberuf mit Zukunft? Eine Talk-Runde u.a. mit den IG Metall-Frauen.

Hilfepläne für Arbeitslose – wirkliche Hilfe?

„Natürlich gibt es kein Recht auf Faulheit, aber in der Verfassung gibt es auch kein Recht auf Arbeit!“, mit diesen Worten kommentierte Günther Kraemmer, Vorsitzender der Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland, die Äußerungen Bundeskanzler Schröders über die faulen Arbeitslosen. Mit Sicherheit eine spannende Talk-Runde.
Zwischendurch gibt es Musik von Charles de Peer (One-Man-Band) und Harum Scarum (Rock). Durchs Programm führt Rüdiger Schaarschmidt (Radio Jade).

Kommentar:

Alles verändert sich
Die Suche nach neuen Veranstaltungsformen zum 1. Mai ist wohl so alt wie der Tag der Arbeit selbst. Die Zeiten, an denen am 1. Mai die Aufstellung zur Demonstration nach Gewerkschaften und Betrieben vorgenommen werden konnte, sind längst vorbei. Irgendwann verloren sich auch die Teilnehmer im Kurpark. Seit der 1. Mai am und im Pumpwerk stattfindet, hat sich eine Gruppe von einigen hundert Leuten herauskristallisiert, die man an jedem 1. Mai wieder treffen kann. Positiv auf die Maifeiern der letzten Jahre wirkte sich die Öffnung des Gewerkschaftsheiligtums 1. Mai für andere Gruppen auf den Charakter des 1. Mai aus. Neben den Infotischen der Gewerkschaften tauchten plötzlich Vereine der Ausländer, im sozialen Bereich tätige Gruppen, Wohlfahrtsvereine usw. auf und gaben den Veranstaltungen einen bunteren Touch.
Die Reden der Funktionäre traten immer mehr in den Hintergrund – man musste sogar die nur für Sicherheit und Ordnung zuständigen uniformierten Polizisten um Ruhe bitten, damit man im allgemeinen Festgemurmel noch etwas von den Reden mitbekam.
In diesem Jahr wird wieder ein Heiligtum beseitigt: Statt langer Reden gibt es eine Talkshow. Meiser, Fliege, Arabella, Christiansen, Türck, Nicole, Biolek, Beckmann – wer schaltet da nicht aufs nächste Programm um? Beim Mai-Talk geht es allerdings nicht um Themen wie „Mein Mann liebt meine Mutter“, sondern um Themen, die uns allen auf den Nägeln brennen – wegzappen ist nicht angesagt!
Mit Sicherheit wird dieser 1. Mai informativer und lockerer als der letzte 1. Mai. Mit Sicherheit werden sich aber an diesem 1. Mai auch nicht mehr Menschen als im letzten Jahr im Pumpwerk-Garten versammeln. Ob die Gründe dafür vielleicht in der täglichen gewerkschaftlichen Kleinarbeit zu finden sind? In dem Betrieb, in dem ich arbeite, habe ich seit wenigstens 10 Jahren kein örtliches Mai-Plakat mehr gesehen und keine Vertrauensfrau oder –mann vom 1. Mai reden hören.

Hannes Klöpper

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