Theda
Jul 141999
 

Mein liebn Kuddl!

Mann du, ich bin ja noch ganz erschöpft vonnem Wochenende anner Jade. War da wieder was los! Konnst wieder essen und trinken, wo du nur hingetreten bist und dir’n Wolf laufen und viel Spaß ham, bloß dabei bin ich mir garnich so sicher, weil zum Beispiel, als ich so am Samstag mal aufm Flohmarkt am Bontekai war, da wurd man in so Tretspuren voran geschoben und wenn du mal keine Lust hattest, immer nur die Stände auf deiner Seite zu bekucken sondern mal wechseln wolltest auffe Gegenspur, dann konnste aber echt merken, was so’n Volkszorn is. Hab ich lieber nich mehr versucht dann und mir statt dessen die Leute angekuckt, hattst ja genug Zeit für beim Geschobenwerden und weißt, was mich da gewundert hat?

Kuckte keiner freundlich oder fröhlich oder lustig und war doch’n Fest für die breiten Volksmassen, was doch Spaß macht, oder? Das war vielleicht komisch, aber ich hab da schon ne Teeohrie: wahrscheinlich waren das alles die, die kein rotes Fähnchen für drei Mark gekauft haben, da hat nämlich die Wehzett von gesagt, dass das alles Schnorrer sind und sich was schämen sollen. Und das werdense ja wohl dann getan ham, weilse eben offietzjell nun gar keinen Spaß ham durften. Hab ich mir auch gleich eine Lösung für ausgedacht, also dafür, wie man das Schnorrerproblem innen Griff kriegt: am besten gebense nächstes Jahr zwei Fähnchen aus, einmal das rote für drei Mark und die Wehzett verteilt welche mit ner anneren Farbe und am besten auch ner anneren Form für die Schnorrer, vielleicht orange oder gelb, damit das auch ordentlich auffällt, und in Sternform vielleicht, damit jeder gleich erkennt, wer sich auf seine Kosten billig amüsieren will. Ich glaub aber, dass die ganzen Stände auch so nicht schlecht verdient haben, und die Schausteller auch, und da ist mir dann gleich noch ne Idee gekommen. Da gabs nämmich Probleme mitm Riesenrad, erst mitm Aufstellen, weil das so schwer war dies Jahr, dasse Angst hatten, der Bontekai bricht zusammen, und dann, als es schon stand, hat sich jemand beschwert, weil er das Ding nun direkt vor seinem Balkon hatte und nur noch Riesenrad sah und keine Aussicht mehr. Und da hat der doch tatsächlich nun so ne Art Schmerzensgeld für gekricht, musst dir mal vorstellen! Also, is doch ganz klar, nächst Jahr lad ich die mit ihrem Riesenrad gleich ein zu mir innen Garten, Schmerzensgeld können wir dann schon vorher aushandeln und ich bin fein raus und die ham ihre Ruhe. Und Willi, was mein Nachbar ja is, der kann sich mitm Discozelt in seinem Garten was dazu verdienen und Tant Käthe nimmt sicher ne Gyrosbude mit inne Einfahrt. So wird das Wochenende an der Jade so richtig zum Volksfest, wo dann jeder was von hat.

Nächst Jahr is ja nun auch die Eckspoh und dauernd gibt’s da schon Signale für und Generalproben, das ist alles das, was in den letzten Jahren ne ganz normale Veranstaltung war, Hafenschwimmen zum Beispiel, aber nu is das immer gleich Üben für die Eckspoh. Find ich gut, dasse das alles so richtig ernst nehmen, kann man ja gar nicht früh genug mit anfangen, mitm Üben, mein ich. Und deswegen kommt einem das, was die Stadt für die Eckspoh alles so an Besonderheiten geplant hat, wohl auch irgendwie so bekannt vor, also Konzerte, son Mjusickel im Stadttheater, Teeahter am Rosenhügel, Drehorgelspielen, Kunst inner Galarie ‚M‘ – na ja, nix, was den normalen Mitbürger in Schrecken versetzt, dass er sich nun völlig umstellen muss, bloß weil Eckspoh is.

Apropoh Teeahter, das wird ja nun ganz neu angemalt, dieses Wandbild, was ich ja immer schon son bisschen wild fand, is nun weg, und dafür wird nun alles in ‚Umbra‘ und ‚Siena‘ angestrichen, hab ich nachgekuckt, ist aber bloß braun und soll den Baustil der italjenischen Renässangs nachmachen. Ist das nicht toll, mein Kuddl, wie wir wieder so internatzjonal dastehen und mitten zwischen Volksbank und Sparkasse die italjenische Renässangs in braun zu blühen anfängt? Mit’m Teeahter is sowieso ne Menge los, früher hamse ja immer am Rosenhügel son schwer verdauliches Kulturzeug gezeigt, Schimmelreiter und Göhte und Scheekspier und so, und nun auf einmal gibt’s das ‚Weiße Rössel‘ mit’m richtigen Bierzelt drumrum, das find ich ja viel schöner und ne richtig gute Idee von dem neuen Intendanten, muss man nich so viel bei denken und kann fast alles mitsingen.

Bei der Stadt hamse auch mal wieder ne gute Idee gehabt, die lassen nämlich jetzt ausländische Schüler und Studenten das städtische Unkraut überall rausreißen, für ohne Bezahlung natürlich, weil das nämmich Wörk-Kämp heißt und kulturell wertvoll und völkerverbindend is. Kostet die Stadt echt fast nix, wohnen tun die in Zelten am Grodendamm und in der Freizeit kucken sie sich Sachen an, die sowieso schon da sind. Das könnt man doch gut noch ausbauen, meinst nicht? Die bräuchten ja nich immer bloß inne Rabatten rumwühlen, sondern könnten doch auch gut innen Schulen Fenster reparieren, Wände streichen oder am Bau arbeiten oder Akten sortieren bei der Verwaltung oder was es sonst noch alles so Nützliches gibt. Zum Beispiel auch den Parkplatz rund um die Kopperhörner Mühle bauen, da kommt nämmich nun son Supermarkt hin und weil die Autos ja auch ihren Lebensraum brauchen, muss das ganze überflüssige Gestrüpp drumzu natürlich weg, da regen sich jetzt son paar Leute enorm drüber auf, wegen Denkmalschutz und so, weiß garnich, was die haben. Passt doch bestens zusammen, der Supermarkt und die Mühle, weil da nämmich auch’n Bäcker mit bei sein soll und dann könnense doch einfach aus der Mühle sonen Brotschopp machen, nich, also Müller, mahlen, Mehl, Brot, is doch richtig ursprünglich und historisch, muss man doch’n bisschen fleckzibel sein heutzutage.

So, mein Kuddl, nun muss ich auch schon wieder los, gibt nämmich ne Pahtie im Wattenmeerhaus, mitm niedersecksischen Umweltminister, weilse feiern wollen, dasse vom Land Geld kriegen, weil der Minister gesagt hat, dass son Wattenmeerhaus gut dafür ist, Naturbelassenheit und Naturerfahrung zu erleben, also dass man das lernt. Und weißte, wie sie das feiern? Mitm Krabbenessen, das ist doch nun auch wieder ne gute Idee, was? Weil sind die Krabben erstens typisch fürs Wattenmeer und dann ja auch naturbelassen, bis auf dasse tot sind, und kannste die Naturerfahrung machen, wie gut die schmecken. Obse damals, als sie die Serengeti von dem Prohfesser Dschimmeck eingeweiht ham, zur Einweihung auch wohl Löwenhack und Elefantengeschnetzeltes zu essen gekricht ham? Weiß man so nix drüber, ich könnt mir auch eher vorstellen, dasse hier mal wieder Wilhelmshavener Zeichen gesetzt ham.

Also, bis nächstmal und‘n ganz dicken Knutsch von

Dein Theda!

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top