Eingleisig
Jul 141999
 

Aus Zwei mach Ein (Teil 2)

Fortsetzung unserer Reihe zur „Eingleisigkeit“

(red) Spätestens zu Beginn des Jahres 2002 haben wir einen Oberbürgermeister zu wählen, der dann nicht nur Ratsvorsitzender, sondern zugleich Verwaltungschef sein wird. Was für eine/n eingleisige/n Oberbürgermeister/in werden wir wählen? Aus welchem Holz sollte er/sie geschnitzt sein?

Wir wollten in diesem Teil 2 dieser Reihe eigentlich bereits geeignete und weniger geeignete Personen und Persönlichkeiten vorstellen, doch bislang halten sich die Parteien sehr bedeckt. Nur OB Eberhard Menzel hat vorsichtig seine Duftmarke gesetzt. Lassen wir hier deshalb nochmals Kenner zu Worte kommen.
Experten auf diesem Gebiet unterscheiden zwischen zwei Grundtypen von Politikern an der Spitze einer Gemeinde, einer Stadt.
Da gibt es als Typ eins den Bewerber/die Bewerberin, der/die nicht nur Kommunalpolitik betrieben hat, sondern der/die zuvor bereits anderen bzw. höheren Orts politische oder wirtschaftspolitische Erfahrungen gesammelt hat. Typ eins ist ein „Mann der Tat“, weniger der großen Worte.
Nehmen wir als Beispiel Norbert Gansel. Er steht einer Stadt vor, die maritim mit Wilhelmshaven konkurriert. Er hat lange Jahre als SPD-Abgeordneter im Bundestag gesessen, ehe er sich entschloss, für das Oberbürgermeisteramt in Kiel zu kandidieren. Prompt gewann er die Wahl. Die Kieler Bevölkerung wusste sehr wohl, weshalb sie Gansel mit großer Mehrheit zum Oberbürgermeister kürte. Seine Kontakte, die er während der Zeit als MdB in vielen Bereichen knüpfen konnte und die er jetzt in neuer Funktion nutzt, kommen letztlich den BewohnerInnen Kiels zugute. Zudem besitzt er die für solch ein Amt notwendige Durchsetzungskraft. So erreichte er mit der ihm eigenen Zähigkeit, dass erstmalig alle Kieler SchulabgängerInnen einen Ausbildungsplatz bekamen.
So sieht Joachim Becker (SPD), Autor des Leitfadens „Erfolg im Wahlkampf“, seinen erfolgreichen Mann an der Spitze einer Gemeinde: „Ein OB braucht die abwägende Distanz, den Willen und die Kraft zur Entscheidung – für eine Zukunft mit politischer Vernunft.“
Beim Typ zwei kann man auf die Nennung eines Namens als Beispiel verzichten. Der/die Bewerber/in hat meist die politische Laufbahn da begonnen, wo er/sie geboren wurde, und gedenkt, sie auch da zu beenden. Typ zwei ist ein Politiker, der immer wieder seine absolute Bürgernähe hervorhebt, jedes Fest zur Chefsache erklärt und jede Schirmherrschaft wie selbstverständlich übernimmt. Er ist überall da, wo Journalisten Bleistifte zücken und Fotografen ihre Kameras heben. Er möchte von allen geliebt werden. Anders als Typ eins, der Kritik an seiner Person und Handlungsweise wünscht, gar herausfordert, reagiert Typ zwei darauf meist mimosenhaft. Zwar gibt Peter Grafe, politischer Journalist und Autor des Buches „Wahlkampf“, zu, dass, „wer nicht regelmäßig in den Medien ist, in der politischen Öffentlichkeit keine wirkliche Rolle spielt. Doch ist die Präsenz kein wirklich zuverlässiger Gradmesser für den tatsächlichen Einfluss in der jeweiligen Sache. Da bewegen Stellvertreter, ihm unterstellte Personen oder gar Ehefrauen oft mehr als der politische Vorturner selbst.“
Ihm kann man auch zuordnen, dass er schwierige Entscheidungen vom Bürger fern hält oder unvermeidliche Entscheidungen auf Unbeteiligte abwälzt.
Über diesen Typ sagt Joachim Becker in einem „Focus“-Interview im Juni 1994: „Solche Bürgernähe hat die Politik der letzten Jahre handlungsunfähig gemacht. So genannte bürgernahe Politiker, Marionetten an der populistischen Leine von Interessengruppen und rabiaten Egoisten, bedeuten das Ende der Politik. Bürgernahe Politiker sind unfähig, Zukunftsaufgaben der Gesellschaft zu lösen. Sie verheddern sich in Interessenkonkurrenzen, verlieren ihre Würde und degenerieren zu gehorsamen Apportierhunden.“
Ein Oberbürgermeister vom Typ eins wäre Wilhelmshaven zu wünschen. Lokalpolitiker von Typ zwei haben wir genug gehabt.

Eher 2002
als 2001 wird es in Wilhelmshaven die Eingleisigkeit geben. Als wir vor einigen Wochen unseren Oberstadtdirektor Arno Schreiber fragten, wie er zur eingleisigen Stadtspitze stehe, wollte er nicht so recht – und schon gar nicht uns gegenüber – darauf antworten. Doch einen vielsagenden Satz ließ er sich doch entlocken: „Ich habe einen Vertrag.“
Deutet man diesen Satz richtig, so beabsichtigt Arno Schreiber, den Vertrag auch zu erfüllen. Dann gibt es eine nicht an die Kommunalwahl 2001 gekoppelte, sondern eine spezielle Oberbürgermeisterwahl zu einem späteren Zeitpunkt. (red)

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