SPD und die Frauen
Nov 292001
 

Geschlechterkampf

Nach der Wahl ist vor der Wahl

(red) Der Kampf um den gutdotierten Sessel des eingleisigen Oberbürgermeisters mit all seinen – mitunter unappetitlichen – Nebenerscheinungen ist erst kürzlich abgeschlossen worden. Dieser Kampf war eine reine Männersache. Aber bereits jetzt bereitet sich die SPD intensiv auf die Bundestagswahl 2002 vor, denn für die Wilhelmshavener MdB Gabriele Iwersen, die den neu konstruierten Wahlkreis 27 (bisher Wahlkreis 21) Wilhelmshaven/Friesland nicht mehr in Berlin vertreten will, wird ein/e neue/r Kandidat/in gesucht. Die Nachfolge scheint wieder einmal nicht so glatt zu laufen, denn wieder es ist eine Frau, die sich um das vakante Amt bewirbt.

Erinnern wir uns

Bereits im Herbst 1988 gab Dr. Herbert Ehrenberg, SPD-Bundestagsabgeordneter seit 1972 und für einen kurzen Zeitraum auch Minister für Arbeit und Sozialordnung im Kabinett Helmut Schmidt, in einem Gespräch mit den drei SPD-Unterbezirksvorsitzenden bekannt, dass er 1990 nicht mehr für den Bundestag kandidieren würde. „Am Ende dieser Legislaturperiode beginnt mein 65. Lebensjahr. Nach gutem gewerkschaftlichen Brauch ist es zu diesem Zeitpunkt höchste Zeit, sich aus der aktiven Arbeit zurückzuziehen“ und „Ich will der Partei genügend Zeit geben, sich um die Nachfolge Gedanken zu machen“, so Ehrenberg. Bei diesem Treffen legten die drei Unterbezirksfunktionäre dann auch gleich fest, dass jetzt eine Frau die Nachfolge von Ehrenberg antreten sollte. Der Beschluss lag deshalb so nahe, weil unterdessen die Delegierten beim SPD-Parteitag in Münster eine Quotenregelung beschlossen hatten. Der damalige Landtagsabgeordnete Udo Könecke bezeichnete diese gemeinsame Absichtserklärung als einen „historischen Augenblick“.
Nachdem sich drei Wilhelmshavener Sozialdemokratinnen, Gabriele Iwersen, Ursula Aljets und Marianne Fröhling, in vielen Vorstellungsrunden bei den Ortsvereinen um die Kandidatur beworben hatten, fiel die Wahl letztlich auf Gabriele Iwersen.
Sie hatte kommunalpolitische Erfahrung als Ratsfrau gesammelt und war seit 1986 Bürgermeisterin in der Jadestadt.
Die beiden Mitbewerberinnen haben inzwischen die eine oder andere Stufe auf der politischen Leiter erklommen.
Marianne Fröhling, damals noch stellvertretende Unterbezirksvorsitzende der SPD, inzwischen Bündnisgrüne: Seit ihre neue Partei im Rat der Stadt sich an die Seite der regierenden Ratsfraktion gekuschelt hat, wurde sie für diesen Coup Bürgermeisterin.
Ursula Aljets wurde nach der Kommunalwahl vor einigen Wochen neue SPD-Bürgermeisterin.
Der damalige Bezirksvorsitzende der SPD, Bernd Theilen, unterstützte die Kandidatur von Iwersen nach Kräften. Dagegen unkten Wilhelmshavener Spitzenfunktionäre bei jeder sich bietenden Gelegenheit, sie würde es nicht schaffen, das Direktmandat der SPD zu erhalten. Zahlreiche Ortsvereine sahen das ganz anders und sprachen sich für Iwersen aus. Auch die SPD-Presse warb für sie als „eine Kandidatin mit Profil“.
Am 2. Dezember 1990, dem Wahlsonntag, gewann sie dann auch – zwar äußerst knapp (50 918 Stimmen) – das Direktmandat vor Erich Maaß von der CDU (49 686 Stimmen) und zog als erste Frau für den Wahlkreis Wilhelmshaven/Friesland in den Bundestag ein.
Kaum hatte sich Iwersen in Bonn mit ihren neuen Aufgaben vertraut gemacht, gab es bei den Spitzengenossen am Ort schon wieder kritische Äußerungen. Sie wäre farblos, hieß es, und unfaire Gerüchte über sie wurden gezielt unters Volk gebracht. Ende 1993 – ein Jahr vor der Bundestagswahl – wurden ihre prominenten Kritiker dann konkret. Es war der Sander Pädagoge und zugleich Frieslands SPD-Unterbezirksvorsitzende Günther Heußen, der zuerst offen Kritik an Iwersen übte. Gabriele Iwersen kümmere sich zu wenig um ihren Wahlkreis, besuche die Ortsvereine nicht, hätte Schwierigkeiten im Umgang mit der Presse… Die Kritik musste wohl auch deshalb sein, weil Heußen sich selbst um dieses Mandat bewerben wollte. Als ihm jedoch dann seine Sander Parteifreunde und auch die Schortenser Genossen die Gefolgschaft verweigerten und an Gabriele Iwersen festhielten, verzichtete er auf die Kandidatur.
Doch auch in Wilhelmshaven baute sich – vorerst vorsichtig im Umland sondierend und taktierend – ein weiterer Bewerber auf: der Wilhelmshavener Oberbürgermeister Eberhard Menzel. Beim Parteitag 1993 machte er in seiner Begrüßungsrede seine Bewerbung öffentlich. “Ich kandidiere, weil viele SPD-Mitglieder die Gefahr sehen, dass hier 1994 das Direktmandat verloren geht“, und weiter: Seine Kandidatur… „erfolgt aus Sorge, die SPD könne nach der Bundestagswahl mit leeren Händen dastehen.“
Dass nicht alle Genossen seine Sorgen teilten, stellte sich danach bei verschiedenen Zusammentreffen von Sozialdemokraten heraus. So waren es Genossen aus dem SPD-Ortsverein Jever, die sich bei einer Sitzung einstimmig hinter Gabriele Iwersen stellten. Fraktionschef Klaus Waleczek z.B. sagte, Gabriele Iwersen habe sich immer redlich bemüht. „Darum gebe ich ein klares Plädoyer für sie ab.“ Und der Genosse Karl-Heinz Niemeyer vom gleichen Ortsverein meinte sogar: „Mit dem Oberbürgermeister der Stadt Wilhelmshaven würden wir den Wahlkreis 21 nur verlieren.“ (9.10.93. – Jeversches Wochenblatt)
Am 16. Oktober 1993 stellten sich bei der Wahlkreiskonferenz im Schortenser Bürgerhaus die beiden Bewerber ums Bundestagsmandat den 62 Delegierten. Menzel erklärte in seiner Vorstellungsrede u.a. siegesgewiss: “Ich habe noch nie eine Wahl verloren.“ Nach der Stimmenauszählung, keine 40 Minuten später, musste er feststellen, dass es immer ein erstes Mal gibt. Mit 36 zu 26 Stimmen entschieden sich die Delegierten für die Genossin und nicht für den Genossen. Ein klares Votum, das deutlicher ausfiel als von einigen erwartet. Von einer SPD-Ortsteilzeitung – die inzwischen auf Druck der Partei ihre Berichterstattung einstellen musste – befragt, wie sie sich nach ihrem Sieg fühle, antwortete Gabriele Iwersen u.a.: „Ich habe ja ein bestimmtes Programm aufgebaut… und als es gerade anfing, Erfolge zu zeigen, wurden mir doch einige Knüppel zwischen die Beine geworfen. Doch die sind jetzt zur Seite geräumt, und ich hoffe gar, sie sind verschwunden“. Wer da die Knüppel geworfen hat, ist unschwer zu erraten.
Und die Delegierten hatten recht daran getan, es bei einer erneuten Kandidatur von Gabriele Iwersen zu belassen. Hatte sie bei ihrer ersten Kandidatur 1990 nur 44,0 % der Stimmen im Wahlkreis 21 erhalten, so erreichte sie bei der folgenden Bundestagswahl am 16.10.1994 einen Stimmenanteil von 47,8 %. Ehrenberg hatte bei der Bundestagswahl 1987 gerade 2 % mehr Stimmen bekommen.

Doch bald nach ihrem Wahlerfolg kratzten Obergenossen erneut an ihrem Image.

Sicher, sie war und blieb im Plenum eine Hinterbänklerin, hielt keine bedeutenden Bundestagsreden und trat auch nicht in Talkshows auf. Doch in den Ausschüssen des Bundestages, die – nie im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehend – ihre Arbeit brav verrichten, galt sie als kompetente und zuverlässige Mitarbeiterin. Dass sie für die Mitbürger in ihrem Wahlkreis immer ansprechbar war, dass sie drei Bürgerbüros in ihrem Wahlkreis als SPD-Stützpunkte ausbaute, sich für die Arbeitsplatzinitiative für Frauen in Wilhelmshaven stark machte, all das schien einigen ehrgeizigen Parteifreunden nicht zu reichen. Und wiederum war es das „starke Geschlecht“, das ihr vor der Bundestagswahl 1998 ihren Platz streitig machen wollte. Erneut war es Günther Heußen, der „da rein wollte“ und erstmals auch Norbert Schmidt, gelernter Dreher (O-Ton Schmidt: „Ich fühle mich immer noch als Arbeiter“), unterdessen Berufsschullehrer und wie Heußen SPD-Unterbezirksvorsitzender. Beide hatten sich zusammengetan, um vorerst vereint gegen Iwersen anzutreten. Ihre Bewerbungen hatten sie vorsichtshalber zuerst im Umland und nicht in Wilhelmshaven öffentlich gemacht. Als sie dann von einigen Ortsvereinen als Kandidaten vorgeschlagen wurden (Anmerkung: bei der SPD wird man immer „von vielen Genossen vorgeschlagen“ beziehungsweise „zur Kandidatur gedrängt“), wurde das Vorgehen gegen die Amtsinhaberin und „Parteifreundin“ zunehmend unfreundlich, ja sogar ziemlich ruppig. So erklärte Schmidt in einem Gespräch mit der WZ (31.05.97) ziemlich unverfroren: „Ich kann nicht so lange warten, bis Gabriele Iwersen freiwillig ihre politische Karriere beendet.“
Wie der Vorwahlkampf zur Bundestagswahl 1998 verlief, welche Stolpersteine die „Parteifreunde“ für Iwersen aufstellten, wie dann die Wahl ausging und was sich jetzt in Vorbereitung auf die Bundestagswahl 2002 so alles tat und tut, lesen Sie in der nächsten Ausgabe.

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