JadeWeserPort
Nov 292001
 

Kalauer aus Absurdistan

JadeWeserPort: Wilhelmshavener sollen Aktien kaufen

(jm) Mitte bis Ende Januar nächsten Jahres will die ‚JadeWeserPort Entwicklungsgesellschaft‘ (JWP EG) das Finanzierungskonzept für den JadeWeserPort in trockenen Tüchern haben. Träger der Infrastruktur (Stromkaje mit Zufahrt und Baukörper mit Anschluss der internen Infrastruktur an die externen Verkehrs-, Energie-, Wasserversorgungs- und Kommunikationsnetze) soll die ‚JadeWeserPort AG‘ (JWP AG) werden. Nun geht es darum, Aktionäre für die Finanzierung der auf eine Milliarde Mark geschätzten Baukosten zu finden.

Mehrere dazu geeignet erscheinende Mosaiksteine wurden im Laufe der Jahre von den Wissensträgern aus Gutachterkreisen, Wirtschaft und Politik ins öffentliche Forum geworfen. Einige davon – z.B. der öffentliches Aufsehen erregende Klotz mit der Privatfinanzierung – wurden wieder aussortiert. Denn es kam ans Licht, dass in Fachkreisen aus Hafenwirtschaft und Verkehrspolitik einvernehmlich gilt, dass die Vorhaltung der Infrastruktur öffentliche Aufgabe (ist), die sich durch schiffseigene Entgelte nicht refinanzieren lässt. (Gemeinsame Plattform für die Seehafenpolitik in Deutschland und der EU).
Erste Rohlinge des Finanzierungspuzzles wurden am 18.02.00 in Hannover bei der Vorstellung der Machbarkeitsstudie vor der aus Wilhelmshaven angereisten Prominenz aus Wirtschaft und Politik vorgestellt:

  • Allerdings ist eine vollständige Privatfinanzierung unwahrscheinlich. Realistisch ist dagegen eine Mischfinanzierung der Infrastruktur durch die öffentliche Hand (Bund und Land) unter Beteiligung von Investoren (Refinanzierung durch Mieten und Gebühren) sowie eine Privatfinanzierung der Suprastruktur durch den Betreiber. (…) Das bedeutet für das Land Niedersachsen einen jährlichen fiskalischen Nutzen von bis zu 48 Mio. DM. Hinzu kommen sonstige Einnahmen (Gebühren, Pachten etc.) in Höhe von gut 20 Mio. DM. (Dipl.Ing. Günter Baak, Projektführer des Projektkonsortiums JadePort).
  • Ich will aber darauf hinweisen, dass der Betrieb eines Container-Terminals auf Grund der extremen Wettbewerbs-Situation in der Hamburg-Antwerp-Range selbst bei guten Wachstumsraten für keinen Hafen ein sonderlich gutes Geschäft ist. Mit einem gut laufenden Container-Terminal kann man zwar relativ viele Menschen beschäftigen, aber eben keine hohen Gewinne erwirtschaften. (Emanuel Schiffer aus dem Vorstand der Firma Eurogate, die als bisher einziges Unternehmen zwar öffentlich ein Betreiberinteresse für einen JadeWeserPort bekundet hat, aber lediglich in die Suprastruktur bzw. das Umschlaggerät 500 Mio. DM investieren will).

Eine diesbezüglich noch klarere Absage erteilte der Vorstandsvorsitzende der mit der Eurogate verbandelten Bremer ‚BLG Logistics Group‘ Detthold Aden:
Ich bin auch der Meinung – egal für welchen Tiefwasserhafen die Entscheidung fällt – ein wichtiges Kriterium wird dann sein, kann man ihn finanzieren!? (…) Das ist möglich. Aber nicht vom Betreiber. Denn wir sind nicht in der Lage, den sogenannten Zinstilgungsdienst für diese Investition direkt wirtschaftlich zu bezahlen. (aus seinem Vortrag vor dem Nautischen Verein Cuxhaven am 22.01.01)

  • Vorher ist die Finanzierung zu klären. Ich bin mit der Hafenwirtschaft einig, dass die Privatfinanzierung im Vordergrund stehen muss. Es besteht sicher Klärungsbedarf, wer was finanziert und ob das Land gegebenenfalls durch Zur-Verfügung-Stellen von Flächen und Bürgschaften helfen kann. (Dr. Birgit Grote, Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr.)

Unterdessen hat der Finanzstratege der Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung (WHV) Hans-Peter Kramer an den Puzzlesteinen mit Fleiß herumpoliert [Alle folgenden auf Hans-Peter Kramer bezogenen Äußerungen stammen aus einem Beitrag zur Nummer 7/2001 der Fachzeitschrift „Hansa“]:

  • Die AG (gemeint ist die JWP AG) wird privatrechtlicher Eigentümer des Containerterminals, und sie wird die Anlage als Eigentümer an potenzielle Terminalbetreiber verpachten, vermieten, verleasen oder wie auch immer wirtschaftlich weitergeben. Auch das Selbst-Betreiben muss möglich bleiben müssen, wenn es auch wohl nicht vorrangig in Betracht gezogen wird. Daraus ergibt sich – nach unserem Recht zwingend -, dass sich die öffentlichen Hände an der AG durch Kauf von Aktien beteiligen können. Absichtserklärungen liegen vor, und die an der Projektentwicklungsgesellschaft Beteiligten – zumindest Niedersachsen und vor allem Wilhelmshaven (Hervorhebung vom Verfasser) – tun gut daran, Anteile zu erwerben, um die Entwicklung weiter verfolgen und beeinflussen zu können.

Aha! Dadurch, dass die öffentliche Hand Aktien kauft, wandeln sich die Steuergelder in Privatgelder, die die JWP AG in den Bau des JadeWeserPort stecken kann. Auf diese Weise bleibt es bei der 100%igen Privatfinanzierung. Auf einen solch intelligenten Einfall können natürlich nur ausgewiesene Finanzexperten kommen…
Aber wo sollen die finanziell ausgebluteten öffentlichen Kassen den Geldbatzen hernehmen?! Für Herrn Kramer kein Problem. Hat doch Birgit Grote ihm die Steilvorlage dafür geliefert (s.o.), aus den Freiflächen auf dem Voslapper und Rüstersieler Groden ein El Dorado zu machen:

  • Das Land Niedersachsen könnte so z.B. ein weitgehend brachliegendes und in soweit nutzloses Industriegelände in eine hoffentlich lukrative Industriebeteiligung umwandeln. Das wäre für die öffentliche Hand ein beachtlicher Mehrgewinn, ohne dass aus dem schwindsüchtigen Landessäckel auch nur eine müde Mark abfließen müsste. Die AG könnte das Gelände beleihen und so zu Geld machen. Auch Wilhelmshaven selbst könnte auf ähnlichem Wege einsteigen.

Aber wer kauft jetzt schon Grundstücke, die an der Jade im Überfluss vorhanden sind, durch Bau des JadeWeserPorts noch durch Leerflächen vergrößert und – wenn überhaupt benötigt – frühestens nach Inbetriebnahme    des JadeWeserPorts wirtschaftlich genutzt werden könnten?!
Oder anders herum: Wie verwandelt man nutzloses Industriegelände in eine Geldgrube, ohne dass sich durch vorhandene Nachfrage ein angemessener Grundstückspreis durchsetzen ließe? Auch dafür hat Birgit Grote als Vertreterin des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums einen Weg aufgezeigt:
Man beleiht das Gelände und belastet es mit einem virtuellen Betrag, den es in Wirklichkeit gar nicht wert ist. Man spekuliert einfach mit zukünftigen Wertsteigerungen. Denn alles, was in Niedersachsen, Bremen und Wilhelmshaven Rang und Namen hat, gibt sich überzeugt davon, dass die Umschlagtätigkeit im JadeWeserPort jede Menge hafenabhängige Betriebe an die Jade locken würde. Aber übernehmen die Banken als Kreditgeber auch das Risiko? Zwar haben sie Interesse bekundet und lt. Herrn Kramer … redet man (in Bankkreisen) offen darüber, dass dieses Projekt eine Fremdfinanzierung in Höhe von 400 -500 EURO ohne weiteres trägt.
Aber das Geld ohne Sicherheiten vorzustrecken, fällt den Banken offenbar im Traum nicht ein. Brauchen sie auch nicht, denn ihre Sicherheit sollen sie nach Frau Grote ja von der öffentlichen Hand in Form einer Bürgschaft bekommen. Wenn – und so wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kommen – die JWP AG die Zinsen nicht mehr aufbringen kann, kommt der Steuerzahler dafür auf und für die Tilgung der Hypotheken dazu.
Und die Belastungen des Steuerzahlers könnten gigantische Ausmaße annehmen:
So erklärte der JWP-EG Chefplaner Claus Wülfers gegenüber dem Hamburger Abendblatt (HA-Ausgabe v. 9.10.01):

  • Noch in diesem Monat soll zudem die Bausumme von 1,4 Milliarden Mark genau nachgerechnet werden. Immerhin sollen Firmen wie die Hamburger Hafen und Lagerhaus AG, mit dem Hafen- und Binnenschiffsflottenbetreiber Rhenus/Midgard sowie der Eurogate-Gruppe neben den Kosten für Krane, Anlagen und Hallen auch die Hälfte der auf die Container-Terminals bezogenen Infrastruktur bezahlen. Dies dürfte sich auf 150 bis 250 Millionen Mark summieren. Dabei müssen die Zinsen bezahlbar bleiben. Der Hafen ist schließlich nicht allein auf der Welt.

Das kann doch wohl nur eines bedeuten: Bei gerechter Verteilung des Geschäftsrisikos zwischen privaten und öffentlichen Anteilseignern kann kein Privatinvestor für die Infrastruktur des JadeWeserPorts gefunden werden. Denn die AG würde in diesem Falle, statt Gewinne zu erwirtschaften, jahrelang bzw. bis zum Bankrott Verluste einfahren. Nur falls die öffentliche Hand ca. 80% der Aktienanteile übernehmen, dabei jedoch auf Erträge aus Einnahmen (Gebühren, Pacht, Vermietung usw.) verzichten und darüber hinaus für die Verbindlichkeiten (Zinsen, Tilgung) einstehen würde, bestünde die Aussicht, dass die Aktien für die privaten Anteilseigner noch eine angemessene Rendite abwerfen…
Zurück nach Absurdistan, wo Hans-Peter Kramer abschließend noch einen Kalauer zum Besten gibt:
Für die Wilhelmshavener Bevölkerung ist genau dies (gemeint ist der Aktienkauf) z.B. eine hervorragende Möglichkeit, sich selbst in die Entwicklung des Wirtschaftsraumes einzubringen und mit Bündelung der Stimmen selbst Einfluss auszuüben.

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