SPD-Landtagskandidat
Apr 032007
 

Den Richtigen gewählt, Genossen?

Norbert Schmidt ist SPD–Landtagskandidat. Ein kritischer Blick rund um seine Wahl.

(red) Der SPD geht es zurzeit denkbar schlecht. Nach einer Umfrage im „Stern“ (März 2007) wollen bei einer Bundestagswahl nur noch 28% der Bürger der SPD ihre Stimme geben. Im Bundestag musste erst neulich der Fraktionsvorsitzende Peter Struck seinen Bundestagsgenossen androhen, ihnen die Unterstützung der Partei bei der nächsten Bundestagswahl zu versagen, falls sie der Gesundheitsreform nicht zustimmen würden.


Dazu die Panne in Hessen, wo die Partei den Meldeschluss zur Wahl eines Oberbürgermeisters einfach verpennte; das wochenlange Gerangel in Hamburg um den Parteivorsitz, und dann ließen sich die Genossen nach einer Mitgliederbefragung auch noch etwa 1.000 Stimmzettel klauen.
Die Partei leidet an akutem Mitgliederschwund. Allein in Niedersachsen wollten im letzten Jahr über 2.000 Genossen kein rotes Parteibuch mehr haben. In Wilhelmshaven hatte die Partei im Jahr 2005 noch 855 Mitglieder. Im Februar 2007 waren’s nur noch 731.

„Er könne sich sehr gut vorstellen, in der Politik auch ökologische Themen zu besetzen. Doch in Wilhelmshaven hätten andere Dinge derzeit Vorrang.“ Norbert Schmidt, WZ 21.06.1994

Wie kommt es, dass gerade in Wilhelmshaven – einst eine Hochburg der Sozialdemokratie – die Mitgliederzahlen immer weiter sinken? Sterben der Partei die Mitglieder weg? Oder gibt es andere Gründe?
Innerparteilich scheint nicht alles mehr im Lot zu sein. Bereits im Februar 2003 äußerte sich ein WZ–Leserbriefschreiber: „Die Wilhelmshavener SPD hat zur Zeit die Strahlkraft einer 25–Watt–Birne“. Heute würde der Briefschreiber wohl eher den Vergleich mit einer Petroleumfunzel anstellen.
Um das zu verstehen, muss man sich die Organisation der Ortspartei etwas näher anschauen. Da gibt es den Unterbezirksvorstand. Der tagt in der Regel einmal im Monat. Doch was da beredet und beschlossen wird, kommt bei den Mitgliedern meist nicht an. So hat das einzelne Mitglied kaum eine Einflussmöglichkeit auf die Planungen und Beschlüsse. Das Murren und Knurren der Parteisoldaten in den Ortsvereinen nimmt stetig zu. Doch der Vorstand scheint das zu überhören.
Seit 2003 hat Wilhelmshaven (Wahlkreis 100) keinen Vertreter mehr im Landtag. Damals verlor Wilfrid Adam sein Direktmandat ziemlich eindeutig. Vielleicht aber nur deshalb, weil er – wohl etwas überheblich und zu siegesgewiss – auf einen günstigen Listenplatz auf der Landesliste verzichtet hatte.
Doch bald nach der Wahl hatte Adam im „Jeverschen Wochenblatt“ kämpferisch erklärt, sich 2008 erneut um einen Sitz im Landtag bewerben zu wollen. Das hätte vielleicht sogar Sinn gehabt, denn er hatte in den langen Jahren seiner Landtagszugehörigkeit in Hannover gute Kontakte geknüpft.
Doch am 22.11.2006 teilte er in einem Schreiben an den Unterbezirksvorsitzenden Norbert Schmidt und an alle Vorsitzenden der Ortsvereine mit, dass er aus Altersgründen (er wäre bei der Landtagswahl 61 Jahre alt) nicht mehr antreten wolle.
In seinem Brief war u.a. zu lesen „Viele haben mich gebeten … mich wieder zur Verfügung zu stellen“. Aus ziemlich sicherer Quelle war dagegen zu erfahren, dass Adam – auf die 2008 anstehenden Landtagswahlen angesprochen – gesagt haben soll: „Mich hat ja niemand gefragt“
Nun hätte ja der Unterbezirk – falls Adam nun doch nicht wieder kandidieren würde – die Zeit nach 2003 nutzen können, einen geeigneten – und vor allen Dingen jüngeren – Kandidaten für diese Funktion aufzubauen. Doch nichts geschah.
Dann aber meldete der dem Pensionsalter zustrebende Unterbezirksvorsitzende Norbert Schmid auf einer Vorstandsitzung im November 2006 seinen Anspruch auf einen Polstersessel im Landtag an. Der brave Vorstand beschloss daraufhin: Norbert Schmidt wird unser Kandidat. Basta!

„Es sei zu überlegen, ob der Rat der Stadt nicht eine seiner nächsten öffentlichen Sitzungen in Bonn abhalten sollte, um auf diese Weise „beim Verursacher“ auf die prekäre Finanzlage hinzuweisen“. Norbert Schmidt, WZ 02.03.1995

Als Menzel bezahlter OB wurde und dadurch der Posten des Ratsvorsitzenden frei wurde, griff Schmidt sich im Januar 2003 diesen Job. Aber hatte nicht noch im November 2001 der Fraktionsvorsitzende Neumann erklärt: „Wilfrid Adam wäre für dieses Amt ausgezeichnet geeignet“?
Angenommen, Schmidt würde wirklich Landtagsabgeordneter und stellte dann seine Funktion als Ratsvorsitzender zur Verfügung, dann käme – siehe oben – sicherlich nur Neumanns Wunschkandidat in Frage. Und als Ratsvorsitzender darf Adam zwar keine Zwischenrufe machen – aber alt darf er sein.
Was aber machten zwei Ortsvereine, denen z.B. durch Beschluss der Siebethsburger Sozialdemokraten bereits „verordnet“ wurde, Norbert Schmidt auf den Schild zu heben? Sie machten sich Gedanken.
Schließlich waren sie – wie Herbert Wehner sie einmal bezeichnete – die „Keimzelle der Partei“. Und so schickten sie eigene Kandidaten ins Rennen: Tim Sommer (38), Jürgen Harms (51) und Hans-Jürgen Kempcke (59). Die waren teils jünger und vom Beruf her auch für politische Arbeit durchaus kompetent.

„Führungsstrukturen müssen transparent sein. Eine Verselbständigung von Einzelpersonen dürfe sich die Demokratie nicht gefallen lassen.“ Norbert Schmidt, WZ 11.03.2000

Nur einen Fehler machten die drei Mitkandidaten. Sie pochten bei ihren Vorstellungen in den Ortsvereinen – und auch bei der Delegiertenkonferenz – auf personelle Erneuerung und Verjüngung der Wilhelmshavener SPD, forderten mehr Professionalität der örtlichen Führungskräfte, wünschten sich eine aktivere Bildungspolitik und sprachen sich für mehr Bürgernähe aus. Eigentlich hätten sie wissen müssen, dass gerade Kritik an der Tätigkeit führender Parteifreunde nicht angebracht ist.
Was dagegen konnte Norbert Schmidt an Argumenten für sich ins Feld führen, um Parteivolk und Delegierte davon zu überzeugen, dass er „der einzig wahre“ Kandidat sei? Schon lange Jahre sei er erfolgreich Unterbezirksvorsitzender und mit seinem Vorstand könne er gut zusammen arbeiten.
Doch darf man ihn hier daran erinnern, dass er und sein Vorstand es waren, die bereits im September 2004 der Sozialreform Hartz IV zustimmten, obwohl der Inhalt der Reform ihm und so manchem Vorständler noch nicht so recht bekannt war? Die Obergenossen fanden es damals sogar „verwunderlich, dass von Personengruppen demonstriert (Montagsdemo – Red.) werde, die künftig besser gestellt seien“.

„Wir brauchen Leute, die ein Feuer entfachen“ Norbert Schmidt, WZ 27.01.2007

Heute weiß man, dass – trotz einiger Verbesserungen – dieses Gesetzeswerk eigentlich in den Orkus gehört. Doch Fehleinschätzungen und Versäumnisse einzugestehen ist nun mal nicht Schmidts Ding.
Er fühle sich – so Schmidt über Schmidt – noch jung genug für den Landtagsjob. Der Soziologe und Altersforscher Dr. Harald Künemund hat festgestellt, dass in allen Parlamenten alte Politiker unterrepräsentiert sind. Wollte Schmidt mit seinen 59 Jahren – falls er gewählt würde – im Niedersächsischen Landtag ein wenig für einen Ausgleich sorgen?
In seinen Bewerbungsreden vor Parteifreunden in einigen Ortsvereinen zeigte er sich „vielseitig kompetent“. Beim Ortsverein Altengroden erklärte er, dass er sich im Landtag vornehmlich für Schule, Jugend und Ausbildung einsetzen wolle. Bei den Genossen aus den Ortsvereinen Mitte und Heppens wollte er sich dagegen im Landtag für Bildung, Wirtschaft und Soziales einbringen. Da fällt einem nur ein Satz von „Ede“ Stoiber (CSU) ein: „Wer für alles offen ist, kann nicht mehr ganz dicht sein.“
Genug der Vergleiche.

„Das Glas ist halb voll – jetzt müssen wir noch etwas draufsatteln.“ Norbert Schmidt, WZ 28.11.06
Kandidatenkür am 8. März im „Kaiserhotel“?

An sich sollten 60 Delegierte aus den 12 Ortsvereinen einen der vier Kandidaten für das Landtagsmandat wählen. Obwohl in den Ortsvereinen neben Delegierten auch Ersatzdelegierte gewählt worden waren, waren es dann nur 49 parteigläubige Genoss/inn/en, die sich im Hotel Kaiser zum Wahlakt eingefunden hatten. War es nur Desinteresse der „Wegbleiber“, oder glaubten sie, dass ohnehin schon alles „festgezurrt“ war und der Sieger bereits vor der Konferenz feststand?
Der UB–Vorsitzende Norbert Schmidt bekam erwartungsgemäß die Mehrzahl (30 von 49) der Delegiertenstimmen. Die Mitkandidaten erhielten nur die Stimmen ihrer Ortsvereine.

 

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