Sozialdumping
Sep 151999
 

„Wettbewerb total“ im Öffentlichen Personennahverkehr

(noa) Die 56 BusfahrerInnen der Stadtwerke Wilhelmshaven bangen um ihre Arbeitsplätze. Bis Mitte 2001 wird noch alles bleiben wie gehabt, doch dann droht Entlassung oder – günstigstenfalls – Lohnsenkung.

Der Grund für die Befürchtungen liegt schon weit zurück. 1969 verständigten sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft in der EG-VO 1191/69 auf eine Harmonisierung bestimmter Rechtsvorschriften. Unterschiede im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr sollten beseitigt werden: Arbeitszeiten, Pausen, Urlaub, Bezahlung für die Beschäftigten sollten EG-weit angeglichen werden, Subventionen sollten vereinfacht werden.
In der EG-VO 1893/91 wurde die Verordnung auf die privaten und kommunalen Verkehrsunternehmen erweitert, und am 1.6.1996 trat sie in Kraft. Alle Konzessionen zum Betrieb von Buslinien, die danach ausliefen, durften anschließend nicht einfach erneuert werden. Sie mussten/müssen ausgeschrieben werden, und jeder darf sich darum bewerben. Den Zuschlag bekommt das Unternehmen, das die geringsten Kosten für die Allgemeinheit verursacht.
Unsere hiesigen Buslinien werden von den Stadtwerken Wilhelmshaven GmbH, einer 100%igen Tochter der Stadt Wilhelmshaven, unterhalten. Ihre Konzession läuft Mitte 2001 aus. Und dass die Stadtwerke beim dann einsetzenden Wettbewerb nicht das günstigste Angebot machen können, ist klar. Die Konzessionen werden EU-weit ausgeschrieben. In keinem EU-Land sind die Sozialvorschriften so gut für die Beschäftigten wie in Deutschland, was bedeutet, dass ein deutscher Busfahrer mehr kostet als ein französischer, spanischer oder portugiesischer. Die Kosten für die Fahrzeuge, die Unterstellmöglichkeiten und den Treibstoff lassen sich nicht reduzieren; eine Verbilligung des Betriebes ist nur möglich durch Senkung der Personalkosten.
Im Großraum Hannover, wo Konzessionen in letzter Zeit ausgelaufen sind, wird ein Teil des ÖPNV schon von einem französischen Unternehmen betrieben.
Private Verkehrsunternehmen im Umland, die im Auftrag der Kommunen die Schülerbeförderung gewährleisten, sind in einer ähnlichen Situation wie die Stadtwerke. Auch sie werden in diesem Wettbewerb nicht bestehen können und verlieren ein Standbein.
Zwei Möglichkeiten gibt es für die Wilhelmshavener ÖPNV-Beschäftigten: Im schlimmsten Fall gibt es betriebsbedingte Entlassungen. Wenn die Stadtwerke die Konzession für den Busbetrieb nicht erhalten, können sie keine Fahrer mehr brauchen. Tarife und Besitzstandswahrung zählen dann nicht mehr. Die andere Möglichkeit ist ein „Betriebsübergang“. In diesem Fall hätten die Beschäftigten noch ein Jahr Besitzstand.
Eine dritte – für die betroffenen Beschäftigen wünschenswerte – Möglichkeit hätte darin bestanden, dass bestimmte Standards bezüglich der Arbeits- und Sozialvorschriften im nationalen Recht verankert worden wären. Die EG-VO räumt diese Möglichkeit ein. Die alte Bundesregierung scheint daran kein Interesse gehabt zu haben. Durch Untätigkeit in dieser Frage sind die „öffentlichen Hände“ die Kosten für den ÖPNV elegant losgeworden.
In einem „Radio-Jade“-Interview äußerte Hans-Peter Klaus, Mitglied im Kreisvorstand Wilhelmshaven/Friesland der ÖTV und im Bereichsvorstand Verkehr der ÖTV Weser-Ems, die letzte Hoffnung, dass die neue Bundesregierung noch nachholen wird, was die Kohl-Regierung „ausgesessen“ hat. q

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top