Gegenwind-Gespräch: Dr. Michael von Teichman
Sep 151999
 

Aus zwei mach ein (Teil 3)

Fortsetzung unserer Reihe zur eingleisigen Verwaltung

(ef/noa) In dieser Ausgabe setzen wir unsere Serie zum künftigen „eingleisigen“ Oberbürgermeister fort. Die FDP hat einen eigenen Kandidaten versprochen. Der GEGENWIND sprach mit dem derzeit einzigen FDP-Ratsmitglied, Dr. Michael von Teichman, über liberale Vorstellungen und Pläne zur OB-Wahl.

Gegenwind: Sie haben vor einiger Zeit öffentlich angekündigt, dass Ihre Partei einen eigenen, neuen OB-Kandidaten präsentieren wird. D.h., Sie werden den gegenwärtigen Oberbürgermeister nicht unterstützen.
Dr. Michael von. Teichman: So ist es. Wir haben auf einem Kreisparteitag beschlossen, dass wir im Jahre 2001 – oder 2002 (wann immer diese Wahl stattfinden wird; uns wäre 2001 lieber) – mit einem eigenen Kandidaten auftreten werden. Für uns ist nicht nur aus den gemachten Erfahrungen, sondern auch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus klar, dass wir keinen Kandidaten einer anderen Partei unterstützen werden, und schon gar nicht OB Menzel.

Warum „schon gar nicht OB Menzel“?
Weil wir in den letzten Monaten – oder eigentlich schon seit ich im Rat bin – nicht die besten Erfahrungen mit der SPD gemacht haben. Es gibt keinen Anlass, die SPD zu unterstützen.

Es geht also darum, dass Herr Menzel Sozialdemokrat ist, und nicht um die Person?Der OB macht seine Sache als Vorsitzender des Rates und als Repräsentant der Stadt sicherlich nicht schlecht. Das kann man ohne weiteres anerkennen, aber ich glaube, dass wir in Zukunft, wenn beide Positionen in einer zusammen sind, doch dringend eine sehr dynamische Persönlichkeit brauchen, die mit Ideen auftritt und die in Wilhelmshaven sehr viel mehr bewegt, als das bisher der Fall gewesen ist. Da müssen wir Alternativen schaffen.

Haben Sie schon jemanden?
Wir würden eventuell aus dem eigenen Fundus schöpfen, d.h., ich würde auch selber kandidieren – das hängt jedoch davon ab, ob die Parteifreunde da mitmachen. Aber wir stellen uns vor, dass wir einen Kandidaten finden, der mehr Erfahrung hat in der Verwaltung solcher Städte. Damit kann ich nicht gerade protzen, und meine Ratserfahrung erstreckt sich auf etwa zwei Jahre. Wir sind dabei, jemanden von außen zu finden, der über entsprechende Erfahrungen verfügt; vielleicht ein zweiter Mann in irgendeiner größeren Verwaltung, der noch richtige Ambitionen hat und der mit guten liberalen Ideen auftritt. Die Fühler sind ausgestreckt. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit.

Sie sprechen von einem Kandidaten, einem 2. Mann. An eine Kandidatin denken Sie nicht?
Das ist doch klar. Für die FDP sind Frauen in der Politik so selbstverständlich wie nur irgendetwas.

Sie haben Ihren Sprachgebrauch dieser Position noch nicht angepasst.
Das sind doch nur Formalia, und es kommt auf die Inhalte an.

Mit „Kandidat“ meinen Sie also auch „Kandidatin“?
Selbstverständlich. Bei uns sind Leute wie Hamm-Brücher und Adam-Schwätzer, und das sind doch Persönlichkeiten, da brauchen wir uns nicht zu verstecken, darum betonen wir es nicht extra.

Wäre es auch denkbar, dass Sie eine Frau aus der CDU unterstützen? Wenn z.B. Frau Gottschalk wieder kandidieren würde? Viele erfolgreiche Oberbürgermeisterinnen gehören der CDU an – denken Sie an Frankfurt oder Bonn.
Darüber machen wir uns im Moment keine Gedanken. Wir treten mit eigenem Kandidaten an. Was sich dann noch alles ergeben mag, in einer Stichwahl etwa, sehen wir dann.

1981 hat Ihre Partei zur Kommunalwahl ein 13-Punkte-Programm aufgestellt. Punkt 13 lautete: „Bei der Wahl der Ratsspitze werden nur solche Kandidaten unterstützt, die in der Lage sind, in schwierigen Situationen die Sitzung sachgerecht und fair zu führen und in breiten Teilen der Bevölkerung ein Ansehen genießen, welches dem Amt des Oberbürgermeisters oder Bürgermeisters nicht abträglich ist.“ Die „WZ“ schrieb damals dazu: „Praktisch ein Anti-Krell-Gesetz“. Und Sie haben im 2. Wahlgang Herrn Janssen unterstützt.
Heute geht es um mehr als nur um den Ratsvorsitz – das kann Menzel auch ganz gut, wenn vielleicht nicht immer ganz fair – aber in Zukunft wird es anders sein.

Es geht beim „eingleisigen“ OB um mehr.
Genau. Die Position, die der Oberstadtdirektor jetzt innehat, muss mitvertreten werden, und da brauchen wir mit Sicherheit eine dynamische Persönlichkeit, die auch extrovertiert ist. Und daran fehlt es ein bisschen. Wir brauchen so etwas wie einen Stadtmanager, so etwas Ähnliches wie in der Wirtschaft.

In Dortmund kandidiert ja ein Unternehmer zur Kommunalwahl im September.
An so etwas muss man ja denken. Jemand, der Verwaltungserfahrung hat, möglichst jemand, der juristische Erfahrung hat, jemand, der nach außen mit Leuten umgehen kann, der mit Firmen reden kann usw., das ist es doch, was heute notwendig ist, um Städte im Konkurrenzkampf bestehen zu lassen, und das hat Wilhelmshaven nicht.

Worin sehen Sie die vordringlichsten Aufgaben des künftigen „eingleisigen“ OBs?
In erster Linie die wirtschaftliche Stabilisierung Wilhelmshavens, die Haushaltskonsolidierung, die wirtschaftliche Entwicklung, damit verbunden die Schaffung von Arbeitsplätzen, die soziale Stabilisierung – das muss langfristig besser werden. Und dazu braucht es Leute, die einen guten Kontakt zur Wirtschaft haben und den auch pflegen können. Daran mangelt es hier ganz entscheidend. Natürlich können solche Projekte wie der Jade-Port dabei eine große Rolle spielen. Wir brauchen eine bessere Verkehrsanbindung.
Die Kontakte nach Bonn und nach Hannover müssen von den obersten Instanzen dieser Stadt wesentlich ausgebaut werden. Das kann man nicht mehr den Landtags- und Bundestagsabgeordneten überlassen.

Sie erwähnten eben den Jade-Port. In einem FDP-Wahlprogramm aus den 80er Jahren heißt es: „Die FDP tritt weiteren Einschränkungen der Freizeitnutzung am Geniusstrand entgegen.“
So ändern sich die Zeiten. In den 80er Jahren…gut. Wir müssen uns ja an die veränderten Gegebenheiten anpassen. Wenn wir etwas erreichen wollen, dann müssen wir uns bewegen.
Durch die Niedersachsenbrücke hat der Geniusstrand seinen Charme verloren. Es müssen stattdessen Möglichkeiten für die Freizeitnutzung geschaffen werden. Das muss mit den Geniusstrandnutzern diskutiert werden. Auch das muss gegeben sein: Die Kommunikation mit den Bürgern wesentlich besser zu führen, als das bisher der Fall ist. Wenn wir an das Hornbach-Projekt und solche Sachen denken, mit welcher Kaltschnäuzigkeit und Herablassung die durchgesetzt werden – das ist nicht mein Stil!

Das spräche für eine Frau in dieser Position – Frauen können das besser.
Da bin ich nicht so überzeugt, aber es ist denkbar. Aber eine Frau als Kandidatin, das wäre sowieso eine ideale Konstruktion, auch aus taktischen Gründen.

Wieso aus taktischen Gründen?
Sie haben vorhin die Beispiele Frankfurt und Bonn genannt. Und angesichts der gesamtgesellschaftlichen Diskussion wäre es ein Vorteil, den männlichen Kandidaten eine Frau gegenüberzustellen.

Sie meinen, wenn die FDP eine Frau präsentiert, wäre schon ihr Geschlecht ein wahl- taktischer Vorteil?
Das ist denkbar, ja.

Wie groß schätzen Sie überhaupt die Chancen eines FDP-Kandidaten ein? Wenn wir die letzten 20 Jahre betrachten, ist ihr Einfluss ja immer geringer geworden. In den 70er Jahren hatten Sie noch vier Mitglieder im Rat.
Und dann gründete sich die Bürgerschaft, die uns erheblich am Zeug geflickt hat. Und in der Nachfolge der Bürgerschaft gab es die Grünen. In den Wahlbezirken und Wahlkreisen, in denen wir gut sind, da sind auch die Grünen gut und nehmen uns die Stimmen weg. In den bürgerlichen Wahlbezirken Wilhelmshavens – Villenviertel, Neuengroden, Altengroden, Himmelreich, Rüstersiel, Maadebogen – hatten wir 8 %, fast 9 %, die sind dann auf 4 % zurückgegangen, und die anderen haben 4, 5 oder 6 %. Am Gesamtergebnis hat sich nichts getan, aber an der Verteilung.
Aber was die Chancen eines FDP-Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters angeht: Je fachmännischer er oder sie ist, desto größer sind die Chancen. Wir haben in anderen Bereichen ja schon solche Wahlkämpfe geführt, und da haben die FDP-Kandidaten ganz ausgezeichnet abgeschnitten. Unser Kandidat Goldmann in Aschendorf ist erst in der Stichwahl unterlegen, unser Kandidat Bolinius in Emden ist erst in der Stichwahl dem SPD-Kandidaten unterlegen – so schlecht stehen unsere Chancen nicht!

Sie sagten zu Beginn unseres Gesprächs, Ihnen wäre als Termin für die OB-Wahl 2001 lieber als 2002. Hätten Sie denn überhaupt eine Chance, wenn die OB-Wahl mit der Kommunalwahl gleichzeitig stattfände? Bei einer gesonderten Wahl, wie sie 2002 wäre, schaut das Wahlvolk auf die Person des OB-Kandidaten. Wenn gleichzeitig Kommunalwahl ist, schaut der Wähler eher auf die Partei als auf die Person.
Man kann das auch anders sehen: Wenn bei der Kommunalwahl die Berichterstattung sich auf die OB-Kandidaten beschränkt und über ihre sämtlichen Aktivitäten schreibt, ob sie sich auf einem Karussell durch die Luft schleudern lassen oder mit Laternen durch die Gegend laufen, dann profitiert auch die Partei davon. Wenn eine Partei keinen eigenen Kandidaten hat, fällt sie durchs Raster. Das können wir uns nicht erlauben. Erinnern Sie sich doch an die letzte Kommunalwahl. In den Medien stellte sich der Wahlkampf als ein Zweikampf Menzel gegen Gottschalk dar, und der Rest spielte keine Rolle mehr. Allein deswegen müssen wir einen eigenen Kandidaten haben. Wenn die OB-Wahl 2001 zusammen mit der Kommunalwahl stattfindet, und wir präsentieren einen überzeugen- den Kandidaten, dann kann davon auch die Partei profitieren. Wer den FDP-OB-Kandidaten wählt, überlegt dann auch, die eine oder andere Stimme der FDP zu geben, damit der Oberbürgermeister auch im Rat Unterstützung hat. Ein FDP-Stadtoberhaupt ohne Unterstützung seiner Partei gegen den schwarz-roten Block im Rat, das wäre schwierig.

Für Sie wäre also 2001 wünschenswert.
Genau. Aber der Termin hängt ja von Herrn Schreiber ab…

…der uns darauf hingewiesen hat, dass er einen Vertrag hat, woraus wir schließen, dass er bis 2002 im Amt bleiben wird.
Und er hat betont, dass er gesund ist, was ebenfalls darauf schließen lässt. Wir werden es sehen.

Vielen Dank für das Gespräch. 

Kommentar:Ein ehrgeiziger Einzelkämpfer
Leicht hat er es nicht, unser Interviewpartner Dr. Michael von Teichman. Seine Partei, die in den 70er-Jahren im Bund noch sozial-liberale Grundwerte vertrat, wurde bei der Wende 1982 zur „Umfallerpartei“; einige Promis flüchteten damals in die Arme der SPD; der verbliebene Teil wandelte sich zur Partei der besser Verdienenden. Am 27. September verbannte man die Blau-Gelben auf die Oppositionsbänke.
Auch in fast allen Länderparlamenten – zuletzt im Saarland und in Brandenburg – ist die Partei entbehrlich geworden.
In Wilhelmshaven haben weniger als hundert Bürgerinnen und Bürger ein blau-gel- bes Parteibuch. Die Zeiten, in denen Hedi Flitz und die Latendorfs die kommunalen Ziele der FDP bestimmten, sind vorbei. Bei der Kommunalwahl 1981 konnte die Partei sich noch über 9614 Stimmen freuen – erheblich kleiner war die Freude 1996, denn da waren es nur noch 2985 Stimmen.
Vor 1981 kamen noch vier FDPler in den Rat. Heute ist die Partei nur noch durch von Teichman vertreten.
Nach der Kommunalwahl 1996 stellte sich der gewählte Parteifreund Ingo Liermann – wie früher schon Hans-Friedrich Felmberg – der SPD als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung. Während der Wahlperiode fielen beide dann eigentlich nur noch als brave Jasager für die Sozis auf. Als Michael von Teichman vor zwei Jahren Liermann im Stadtparlament beerbte, wurde es anders.
Er wollte einen unabhängigen und eigenständigen Kurs fahren, was ihm zwangsläufig den Zorn der Genossen einbrachte. Die zeigten ihm, nachdem sie sich mit der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen einen neuen Mehrheitsbeschaffer an Land gezogen hatten, prompt die kalte Schulter.
So steht v. Teichman zurzeit völlig losgelöst von wichtigen Informationen und ohne Stimmrecht in einem Ausschuss da. Großzügig bot ihm OB Menzel in einer Ratssitzung (sh. Protokoll vom 24.2.99) an, sich einen Ausschuss auszusuchen – natürlich nur als beratendes Mitglied. Von Teichman entschied sich für den Kulturausschuss, dessen Vorsitzender er vor der Wilhelmshavener Wende gewesen war.
Sich nun an die „zahnlose CDU-Opposition“ anlehnen will er nicht. Mit den Bündnisgrünen, die für ihn „opportunistische Postenjäger“ sind, wäre es auch vor ihrer Blitzhochzeit mit der SPD nichts geworden. Vielmehr will er trotzig so weiter machen und der regierenden, aber „längst erstarrten SPD“ bei ihren mitunter zweifelhaften Entscheidungen kräftig Paroli bieten.
Sollten ihn jetzt seine Parteifreunde auffordern, für das Amt des „eingleisigen“ Oberbürgermeisters zu kandidieren – er würde nicht Nein sagen.
Hierzu könnte man ihm Glück wünschen. Seine Chancen, aus dem Rennen um den auch finanziell lukrativen Job als OB als Sieger hervorzugehen, sind jedoch eher gering.

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