Kein Schacher
Hajo Kruda und Hans Georg Wölbern präsentierten ihr Revolutionsdenkmal
(hk) Vor 75 Jahren stellten die Arbeiter und Soldaten die Weichen für Sozialismus und Demokratie. Trotz eines Beschlusses des Stadtrates konnte die Aufstellung eines Denkmals für die Novemberrevolution 1918 aus finanziellen Gründen noch nicht realisiert werden.
Hajo Kruda und Hans Georg Wölbern stellten jetzt ihr Modell für ein Denkmal zur Erinnerung an die Novemberrevolution 1918 der Öffentlichkeit vor und überreichten es Oberbürgermeister Menzel als Stellvertreter der BürgerInnen der Stadt mit der Bitte, den Entwurf so auszustellen, daß die BürgerInnen der Stadt die Möglichkeit haben, sich damit auseinanderzusetzen. Es wurde der Vorschlag gemacht, das Modell im Foyer des Rathauses aufzubauen. Dieser Bitte hat der OB bisher nicht entsprochen – er lehnte gar die Präsentation des Modells auf dem Neujahrsempfang ab. Der DGB-Kreisvorsitzende Manfred Klöpper begrüßte die Initiative der beiden Kunstschaffenden und machte unmißverständlich klar, daß es zwischen der Aufstellung des Kaiser-Denkmals und des Revolutionsdenkmals keinerlei Verbindungen geben kann. Klöpper zum GEGENWIND: „In der Novemberrevolution wurden die Grundlagen für die Demokratie erkämpft. Ein solches Denkmal in einem Atemzug mit der Aufstellung eines Denkmals für den Demokratenhasser und Kriegstreiber Wilhelm I. zu nennen, verbietet sich eigentlich von selbst. Der DGB unterstützt die Aufstellung des Novemberrevolutions-Denkmals und lehnt auch weiterhin kategorisch die Aufstellung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals ab.“
Das von Kruda und Wölbern vorgestellte Modell zeigt den Heckflaggenstock eines Kriegsschiffes aus der Zeit des 1.Weltkrieges. Die Befestigungsseile der Reichskriegsflagge sind losgeworfen, die Flagge selbst, Symbol für Militarismus, Krieg und Kaiserreich, liegt so am Boden, dass sowohl der preußische Adler als auch die schwarz-weiß-rote, mit dem eisernen Kreuz besetzte Fahne sichtbar ist. In unmittelbarer Nähe stehen vier pultförmige Sockel mit je einer Texttafel, die den Ablauf und die geschichtlichen Zusammenhänge der Revolution erläutern. Was Kruda und Wölbern mit ihrem Entwurf ausdrücken wollen ist klar, aber was für eine Wirkung hat die Präsentation der Reichskriegsflagge in der Öffentlichkeit? Das war dann auch der Hauptdiskussionspunkt der zur Vorstellung erschienenen BürgerInnen.
Da die Hakenkreuzfahne des Hitlerfaschismus verboten ist, rennen die Nazihorden mit der Reichskriegsflagge durch die Gegend. Was passiert, wenn diese Fahne öffentlich ausgestellt wird, wenn sie da in Bronze gegossen präsentiert wird? Wird dieses Denkmal vielleicht zu einem Wallfahrtsort der Faschisten?
Oder wird sie zu einem Schmähort, beschmiert mit Hakenkreuzen und verunstaltet durch Farbbeutel? Kruda und Wölbern dazu: „Wir stehen hinter dem Modell, weil es die Situation des Jahres 1918 deutlich macht. Die Marine wirft die Reichskriegsflagge in den Dreck und beginnt mit der Revolution. Wenn es heute Leute gibt, die dieses Denkmal durch Parolen oder Zeichen verunstalten, nimmt das Denkmal keinen Schaden, sondern beweist seine Aktualität.“
Der Vorschlag von Kruda/Wölbern besticht durch seine Darstellung des wohl wichtigsten Ereignisses der Novemberrevolution: der Beseitigung der Monarchie.
Diesen Moment der Novemberrevolution haben Kruda und Wölbern in ihrem Vorschlag perfekt dargestellt. Was fehlt, ist die Perspektive, die die Novemberrevolution nach der Niederringung des Kaiserreiches anbot: Der Sozialismus, die Republik. Ein Marinesoldat mit einem Mützenband auf dem „Kaiserliche Marine“ steht und der sich mit einer roten Fahne bewaffnet hat, würde mehr bringen als diese Kruda/Wölbernsche Momentaufnahme.
Doch Denkmäler, die zuviel zeigen, regen nicht zum Denken an, haben etwas von einem auf den Sockel gestellten Fürsten. Über ein Denkmal sollte diskutiert, gestritten werden. Doch die momentane politische Großwetterlage in unserer Stadt läßt anscheinend einen solchen Streit nicht zu. Die Auseinandersetzung nimmt immer mehr die Form einer Schacherei an. Kaiser gegen Revolution. Revolution gegen Kaiser.
Die Diskussion über das überfällige Denkmal für die Novemberrevolution darf nicht im Streit um des Kaisers neue Kleider untergehen.
Hannes Klöpper
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