Raffinerie
Dez 152009
 

Genehmigt und Aus der Traum

Nachdem die WRG alle erwünschten Genehmigungen erhalten hat, verschiebt sie den Baubeginn auf den St. Nimmerleinstag

(jm) Die WRG hat bekanntlich vom Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg (GAA) sowohl die Emissionsgenehmigung als auch die Anordnung des Sofortvollzugs für ihr ‚Wilhelmshaven Upgrader Project‘ (WUP) bekommen. Die Emissionsgenehmigung enthält u.a. auch eine Ausnahmegenehmigung für die Überschreitung des Grenzwertes für Stickoxide (NOx) um 20% in den Schornsteinabgasen der beiden geplanten Wasserstoff-Erzeugungsanlagen.

Deren Rechtmäßigkeit war im Artikel „WuppdieWUP genehmigt“ in der Gegenwind-Ausgabe 247 folgendermaßen in Frage gestellt worden: „Rätselhaft bleibt, welche administrativen Gesetzeskommentierungen es der GAA erlaubt haben, aus dem § 21 eine Ausnahmegenehmigung zur Überschreitung des NOx-Grenzwertes zu konstruieren. Mit dem § 21 allein lässt sich die erteilte Ausnahmegenehmigung jedenfalls nicht plausibel begründen. Wenn man zudem bedenkt, dass die Rauchgasreinigung längst praktizierter Stand der Technik ist, dann ist diese Ausnahmegenehmigung für zwei Großfeuerungsanlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von 311 MW (das ist fast die halbe Leistung des E.ON-Kohlekraftwerks) schon ein Hammer.“

Ein Vertreter des GAA hat bei einer sich später ergebenen Gesprächsgelegenheit darauf verwiesen, dass seine Behörde die Kriterien im § 21 der 13. BimSchV für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung korrekt abgearbeitet habe. Das GAA hat da insofern recht, als sich der Verfasser des bewussten Artikels bei der Kritik auf eine überholte Ausgabe der 13. BImSchV – Stand 3.5.2000 gestützt hat. Denn während in dieser Ausgabe der § 21 die „Meßstellen“ zum Gegenstand hat, trägt der bewusste Paragraf in der zur Zeit gültigen Fassung den Titel „Zulassung von Ausnahmen“. Darin werden einige Punkte aufgeführt, an denen sich das GAA bei der Antragsprüfung zu orientieren hatte. Trotzdem bleibt ein gehöriger Rest an ‚Gschmäckle‘ übrig: Zwar führte die WRG in ihrer nachgereichten Antragsbegründung viele technische Gründe dafür auf, weshalb sie zur Einhaltung NOx-Grenzwertes von 100 mg/m³ nicht die SCR-Technologie zur Abgasreinigung einsetzen wolle. Doch die ist seit langem Stand der Technik und wird in  Kohlekraftwerken ab 300 MW Feuerungswärmeleistung zur Einhaltung des NOx-Grenzwertes eingesetzt. Die Wasserstofferzeugungsanlagen haben übrigens 311 MW Feuerungswärmeleistung. Vor diesem Hintergrund sticht eigentlich auch das Argument nicht, dass die in einem breiten Anwendungsspektrum angewandte SCR-Technologie – verworfen wurde, weil sie mit 40 Mio. Euro doppelt soviel Geld kosten soll, wie die von der WRG favorisierte und von der GAA genehmigte ‚LowNOx-Brennertechnik‘.

  Mit SCR (selective catalytic reduction) bezeichnet man die Technik der selektiven katalytischen Reduktion von Stickoxiden in Abgasen von Feuerungsanlagen, Müllverbrennungsanlagen, Gasturbinen, Industrieanlagen und Motoren. Die chemische Reaktion am SCR-Katalysator ist selektiv, das heißt, es werden bevorzugt die Stickoxide (NO, NO2) reduziert, während unerwünschte Nebenreaktionen (wie zum Beispiel die Oxidation von Schwefeldioxid zu Schwefeltrioxid) weitgehend unterdrückt werden. Zum Ablauf der Reaktion wird Ammoniak (NH3) benötigt, der dem Abgas zugemischt wird. Die Produkte der Reaktion sind Wasser (H2O) und Stickstoff (N2). Chemisch gesehen handelt es sich bei der Reaktion um eine Komproportionierung der Stickoxide mit Ammoniak zu Stickstoff. Es gibt zwei Arten von Katalysatoren. Die eine Art besteht im Wesentlichen aus Titandioxid, Vanadiumpentoxid und Wolframoxid. Die andere Art verwendet Zeolithe. Katalysatoren aus Titandioxid, Vanadiumpentoxid und Wolframoxid oxidieren in Gegenwart von gasförmigen Halogenen auch das in vielen Kraftwerksabgasen vorhandene elementare Quecksilber, das sich dann besser in den Wäschern der Rauchgasentschwefelungsanlagen bzw. in den Elektrofiltern abscheiden lässt und nur noch zu einem geringeren Anteil (ca. 10 %) an die Umgebung abgegeben wird. Eine weitere technisch genutzte Nebenreaktion ist es, dass Dioxine und Furane beim Durchströmen des Entstickungskatalysators abgebaut werden. Quelle: Wikipedia

Prompt nach Erteilung der erforderlichen Genehmigungen hat der Raffinerie-Eigentümer ConocoPhillips das 2,2 Milliarden Euro schwere Investitionsprojekt auf Eis gelegt. Andere Vorhaben hätten erst mal Priorität. Dabei war bereits dem Handelsblatt vom 28.01.09 zu entnehmen: „Der US-Ölkonzern Conoco Phillips hat wegen milliardenschwerer Abschreibungen im vierten Quartal einen massiven Verlust ausgewiesen. Unter dem Strich fiel ein Minus von 31,8 Milliarden Dollar an.“
Ungeachtet dessen wollte sich ConocoPhillips Mitte Juli zu dem Milliarden-Projekt erklären. Als daraus nichts wurde, wurde das Gerücht verbreitet, dass die Entscheidung zumindest bis in den Herbst vertagt sei. „Zudem soll die behördliche Genehmigung erst schriftlich vorliegen, bevor man über eine Milliarden-Ausgabe entscheidet.“ (WZ, 02.07.09).
Bereits am folgenden Tag war die Genehmigung nach BImSchG ausgefertigt. Die Einleiterlaubnis nach Nds. Wassergesetz folgte am 22.07.09. (GDF SUEZ musste deshalb wohl mit der Einleiterlaubnis für das neue Kohlekraftwerk zurückstehen.) Doch das reichte ConocoPhillips immer noch nicht: In einem Brief an das Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg drückte der ‚Multi’ über seinen Anwalt auf die Tube, indem dieser am 17.09.09 den Sofortvollzug der Genehmigung nach BimSchG beantragte. Neben der üblichen Litanei von der wirtschaftlichen Bedeutung des Aufwertungsprojekts machte er geltend, dass bereits verschiedene Maßnahmen in Angriff genommen werden müssten, um im Zeitplan zu bleiben, „…von dessen Einhaltung die Verwirklichung des WUP-Projektes entscheidend abhängt.“ In einem Gespräch wurde dies dahingehend erläutert, dass man die im November und Dezember anstehenden Revisionsarbeiten dazu nutzen wolle, an der stillgelegten Raffinerie Arbeiten vorzunehmen, die zur Anbindung der neuen Raffineriekomplexe an die alten Anlagen erforderlich seien. Nun gibt es erstmal keinen Zeitplan mehr! Den jüngsten Wirtschaftsmeldungen ist zu entnehmen, dass ConocoPhillips seine Auslandsinvestitionen zusammengestrichen hat. Im nächsten Jahr will der US-Multi außerhalb der USA nur noch 400 Mio. US-Dollar in seinen Raffinerie- und Vermarktungsbereich investieren. Mancher mag sich da fragen, ob die Raffinerie mit ihrer derzeitigen Produktpalette mit einem großen Anteil an Schweröl noch genügend Profite für ConocoPhillips erwirtschaften kann.

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