Koalitionsvertrag
Dez 152009
 

Anlass zu Pessimismus

Bei der ALI-Versammlung im November war der Koalitionsvertrag Thema

(noa) Ein wichtiger Punkt sorgt schon jetzt, so kurz nach der Wahl, für erheblichen Wirbel: Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Steuersenkung geht keineswegs so einfach durch, wie Schwarz-Gelb sich das gedacht hat. Sogar schwarz-gelb regierte Bundesländer wollen im Bundesrat dagegen stimmen, da die Landesfinanzen unter der „Entlastung“ leiden werden.

Logo ALIDas war am 10. November bei der Monatsversammlung der Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland, bei der der Koalitionsvertrag auf der Tagesordnung stand, noch nicht so klar. „Wohlstand, Bildung, Zusammenhalt“ ist das 128 Seiten umfangreiche Werk überschrieben, und DGB-Chef Sommer zog daraus das Resümee, dass es um eine Umverteilung zu Lasten der kleinen Leute hinauslaufen wird.

Was soll für die Erwerbslosen in der eben begonnenen Legislaturperiode kommen? Über die Erhöhung des Schonvermögens wurde schon in der vorigen ALI-Versammlung gesprochen: Die ist Augenwischerei, denn alle, die schon länger arbeitslos sind, haben ihr Vermögen längst aufgebraucht. Lediglich die, die noch in Arbeit, aber von Arbeitslosigkeit bedroht sind, werden etwas davon haben.

Noch ein weiterer Freibetrag wird erhöht: Erwerbslose sollen zu Hartz IV mehr hinzuverdienen dürfen, nach dem Motto. „Wer arbeitet, soll mehr haben als der, der nicht arbeitet“. Dass ein „Anreiz“ geschaffen werden soll, das, daran erinnerte Ernst Taux, haben wir 30 Jahre lang gehört. Die Erhöhung der Zuverdienstgrenzen schafft jedenfalls einen Anreiz, Jobs im Niedriglohnbereich anzunehmen. Und die gleichzeitig vorgesehene Verschärfung der Sanktionen zeigt, dass mit „Anreiz“ Zwang gemeint ist. Eine Strukturreform des SGB II ist ebenfalls für diese Legislaturperiode vorgesehen. Am 10.12.2007 hat das Bundesverfassungsgericht die ARGEn für verfassungswidrig erklärt, und die Große Koalition hat der neuen Regierung die Lösung dieses Problems überlassen. Die will es nun so lösen, dass niemand merkt, dass sich etwas verändert: Statt der gemeinsamen Verwaltung durch Arbeits-Agentur und Kommunen in einer Behörde, eben der ARGE, sollen nun jeweils in einem Haus unterschiedliche Ämter, nämlich die Arbeits-Agentur und die Kommune, nebeneinander bestehen und arbeiten. Bei dieser Aussicht erinnert sich Ernst Taux an die Wesermarsch: Da gab es 2003 einen Streit zwischen der Arbeits-Agentur und einer kommunalen Behörde, und als 2005 mit Hartz IV die ARGE gegründet wurde, ging dieser Streit innerhalb der ARGE weiter, und beide Behörden erteilen getrennte Bescheide. Und nun befürchtet Ernst, dass mit der Strukturreform die Wesermarsch überall sein wird.

Werner Ahrens beschäftigte sich mit dem SGB III, in dem das Arbeitslosengeld I geregelt ist. Hier sieht der Koalitionsvertrag größere Ermessensspielräume für die einzelnen SachbearbeiterInnen vor, und Werner befürchtet, dass das den Druck erhöhen wird, Sperrzeiten zu verhängen. Mini- und Midijobs sollen eine „Brückenfunktion“ haben, und so ist absehbar, dass sie noch mehr ausgeweitet werden sollen. Das „Bürgergeld“, das im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, kommt der Pauschalierung der Kosten der Unterkunft und Heizung gleich. „Die Koalition will damit die Klageflut eindämmen, doch die wird eher zunehmen“, meinte Werner dazu. Bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, so vermutet er, wird in dieser Richtung jedoch noch nichts passieren.

Aus dem Publikum kam die Idee, dass die Pauschalierung der Heizkosten die öffentlichen Gebäude in Wärmestuben verwandeln, damit den Zusammenhalt fördern und die Revolution beschleunigen könnte. Doch Günther Kraemmer ließ sich auf humoristische Impulse nicht ein. Er befürchtet, dass die Forderung „Hartz IV muss weg“ sich in dieser Legislaturperiode in ihr Gegenteil verkehren könnte – werden wir demnächst Hartz IV verteidigen müssen gegen noch Schlimmeres? Beim Bundesverfassungsgericht wird gegenwärtig die Klage eines Hartz IV-Betroffenen gegen die Höhe der Regelsätze verhandelt. Die Hoffnung, dass in diesem Zusammenhang ein Existenzminimum festgelegt werden könnte, das den schlimmsten Regierungsplänen einen Riegel vorschiebt, teilten die Versammlungsteilnehmer aber nicht. „Die werden das so hindrehen, dass am Ende nicht mehr rauskommt“, war die vorherrschende Meinung.

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