Radio Überleben
Apr 191993
 

Legal überleben

Auch nach Olympia braucht Wilhelmshaven einen Lokalsender

(ef/noa) Die WilhelmshavenerInnen und FriesländerInnen, die regelmäßig Radio Überleben hören, vermissen seit fünf Wochen ihre gewohnte Information mittwochs 17.15 Uhr auf 100,4 MHz. Ist das Überleben von Radio Überleben gefährdet?

Die Sendung über die IGM-Kundgebung auf dem Theaterplatz am 17. März war die vorerst letzte. Danach bekam der Sender einen Wink, demzufolge die Telekom nach über einem halben Jahr des Stillhaltens den Piratensender wieder verfolgt.
Hervorgegangen ist der Sender aus dem Arbeitskampf bei AEG Olympia, und die „Piraten“ rechnen sich die Tatsache, dass auf dem Olympia-Gelände keine gewaltige Industrieruine geblieben ist, z.T. auch als ihr Verdienst an. Schon von Anfang an war jedoch die Berichterstattung nicht auf die Vorgänge um Olympia beschränkt, sondern es gab auch immer Sendungen über gleichfalls gefährdete Betriebe in der Region.
In den ersten Monaten wurde das Sendeteam von Peilwagen der Telekom gejagt und „ausgehoben“, und einige Sendegeräte stehen mittlerweile auf der Verlustliste von Radio Überleben. Doch die Unterstützung durch Politik und Medien machte Mut, zumal zu erwarten war, daß das neue Niedersächsische Landesrundfunkgesetz den Sender legalisieren würde. Im Hinblick darauf und aufgrund der Fürsprache von Landes- und BundespolitikerInnen sah die Telekom dann auch von weiterer Verfolgung ab.radio_überleben

Seit Jahresbeginn 1993 liegt dem Landtag der Gesetzentwurf vor; in diesem Jahr noch wird er verabschiedet werden. Da fragt sich, warum die Telekom nicht stillschweigend weiterduldet. „Offiziell“ (?) ist Theresa Orlowski schuld: Weil ihre illegale Ausstrahlung pornographischer Filme verfolgt wird, müssen „gerechterweise“ alle noch nicht genehmigten Sender verfolgt werden – das muß Radio Überleben ebenso wie der südoldenburgische Pfarrer, der seine Gottesdienste für die Kranken, die nicht zur Kirche kommen können, ausstrahlt, „einsehen“.
„Arbeitskampf ist in unserer Region ständig“, sagt demgegenüber einer der Piraten. Die „Angelegenheit Olympia“ ist abgeschlossen, aber die Beschäftigten bei Lotze, Müller & Raschig, Jade-Einkaufszentrum (diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen) erwarten vom Sender weiterhin Unterstützung im Kampf um ihre Arbeitsplätze.
Was wird Radio Überleben machen? Werden die Piraten wieder in die ungewollte Illegalität gehen, weitere Sendegeräte aufs Spiel setzen, Strafverfolgung riskieren? Momentan hoffen sie noch auf Hilfe von den Politikern Sie haben alle Hebel in Bewegung gesetzt. Passiert nichts, könnte es durchaus sein, daß Radio Überleben sich dennoch mittwochs um 17.15 Uhr wieder meldet. Von wo? Vielleicht vom Dach des Marinearsenals aus?

Nachtrag:

Fast auf den Tag genau ein Jahr nach der ersten Sendung wandte Radio Überleben sich letzten Mittwoch wieder an seine Hörerlnnen – vom Gelände der seit Wochen besetzten Firma Lotze aus. Der Wink, demzufolge die Telekom den Piratensender nicht in Ruhe lassen will, erwies sich als zutreffend; ihre Peilgeräte machten schon nach wenigen Minuten den Sendeplatz ausfindig. Die Piraten reagierten jedoch blitzschnell, brachen die Sendung ab und brachten sich und das Sendegerät in Sicherheit. Offensichtlich hat Radio Überleben den Sender mobil gemacht, um sich dem Zugriff von Telekom und Polizei besser entziehen zu können.

Zur Stärkung und Förderung des Angebots von Hörfunkprogrammen mit überwiegend lokalem und regionalem Bezug werden lokal oder regional begrenzte, nicht kommerzielle Modellprojekte im Hörfunk zugelassen.·So steht es im „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes“, das zur Verabschiedung ansteht. Das Team von Radio Überleben beabsichtigt, sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes ein solches Projekt zu starten und damit die bisherige Arbeit auf einer gesetzlichen Grundlage weiterzuführen. Erforderlich dazu ist die Gründung eines Vereins. So schreibt es das Gesetz vor. Die dazu nötigen Vorarbeiten sind bereits geleistet, und die Vereinsgründung steht bevor. Außer Einzelpersonen können auch Vereine und Gruppen (ausgenommen sind Parteien und parteipolitisch orientierte Vereinigungen) Mitglied werden. Ein entsprechender Aufruf erfolgt zu gegebener Zeit im GEGENWIND.

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