Musikinitiative
Jun 271995
 

Auferstanden aus Ruinen

Allen Unkenrufen zum Trotz: Die Wilhelmshavener Musikinitiative lebt weiter

(iz) „Alles zu Ende!?“ lautete der Arbeitstitel der Vollversammlung, zu der die Wilhelmshavener Musikinitiative (WIMU) am 12. Juni 1995 eingeladen hatte. Trotz aller Anstrengungen des Vorstandes und der Geschäftsführung war eine Finanzierung insbesondere der beiden Vollzeitangestellten nicht mehr möglich (s. GEGENWIND-Berichte der letzten Jahre). Doch am Ende der vierstündigen Mammutsitzung bestand Einigkeit: jetzt wird erst recht weitergemacht!

Zunächst faßte Andreas Koût die letzten Entwicklungen zusammen. In Absprache zwischen der WIMU, der Stadt und dem Arbeitsamt war mittelfristig eine Umwandlung der beiden ABM-Stellen von Marina Speckmann und Andreas Koût in feste Stellen angestrebt worden. Die Stadt hatte einen jährlichen Zuschuß von 30.000 DM bereits vertraglich zugesichert Die WIMU verpflichtete sich im Gegenzug, Sponsorenmittel aufzubringen. Noch zur Jahreswende wurde in einem Gespräch mit Arbeitsamtsdirektor Lienau, Oberbürgermeister Menzel und Kulturdezernent Frank signalisiert, dass nun „alles positiv gelaufen“ sei. Im März segnete der Verwaltungsausschuß des Rates der Stadt den 30.000-DM-Zuschuß ab. Doch dann schlug der ABM-Ausschuß des Arbeitsamtes quer: das Aus für die WIMU.

Wozu der ganze Aufwand? In nächtelangen Sitzungen hatten Vorstand und Mitarbeiter auf Forderung der bewilligenden Stellen immer wieder das Finanzierungskonzept überarbeitet. Und mußten sich sittenwidrig anmutende Fragen gefallen lassen wie „wie viele drogengefährdete Jugendliche gehören denn der WIMU an?“ Eine Initiative, die dem sozialen Abstieg Jugendlicher präventiv entgegenwirkt, ist also nicht förderungswürdig – wohl nur solche, die leider eingetretene Symptome bekämpfen?

Mit wehenden Fahnen untergehn

dafür plädierte ein zu Recht gefrusteter Musiker. „Ehe die uns tot machen, machen wir es lieber selber.“ Wohl wahr, die WIMU hat eine ungeahnte Macht. Wenn sie von der Bildfläche verschwindet, werden. Südstrandfest und Wochenende an der Jade wieder zu einer Ansammlung von Freß- und Saufbuden degenerieren, und F’groden macht keinen Spaß mehr, sondern nur nach naß. Ein sofortiger Boykott des bevorstehenden WadJ wurde den Veranstaltern und dem Image der Stadt sehr weh tun.

Sich selbst treu bleiben

wollen hingegen Andreas Koût und die Mehrzahl der MusikerInnen. Das heißt: seriös, zuverlässig und professionell arbeiten und Zusagen und Verträge einhalten. Letztlich zeigen sie damit wohl mehr Stärke gegenüber der Stadt. So wurde schließlich die Einigung erzielt, noch ausstehenden Verpflichtungen nachzukommen, aber gleichzeitig mit verschiedenen Aktionen die Verantwortlichen und die Öffentlichkeit auf das bevorstehende Fiasko aufmerksam zu machen.

Was aber Andreas und Marina anbetrifft, so bleibt der 3. Juli – nach dem WadJ – „deadline“. Wie schon mehrmals zwischen verschiedenen Arbeitsverträgen, arbeiten sie nun schon seit Monaten ehrenamtlich, wie eh und je bis zu 12 Stunden täglich bzw. auch bis tief in die Nacht hinein, wenn es sein muß, und müssen von Arbeitslosenhilfe leben, was kaum möglich ist. Beide sind so qualifiziert und kompetent, daß sie andernorts eine neue Beschäftigung finden könnten. Und sie machten keinen Hehl daraus, daß sie nun dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Nach Jahren kann es ihnen niemand wirklich übelnehmen, wenn sie einmal persönliche (Überlebens-)Interessen vor die mehrerer hundert MusikerInnen und Musikfans stellen. Und ob sie zurückkämen, wenn die Stellen im Nachgang doch noch gesichert werden könnten? Eigentlich mit Kußhand. Aber uneigentlich nicht, denn: auch in eine neue Arbeit würden sie sich mit Herzblut hineinstürzen und sich auch dem neuen Arbeitgeber gegenüber als zuverlässig erweisen. Dann gibt es kein Zurück mehr.

Aus auch für das MusikerInnenhaus?

Im Haus am Banter Deich können derzeit 30 Bands Proberäume nutzen. Etliche stehen noch auf der Warteliste – ein zweites Haus ist seit langem fällig. Passende Liegenschaften gibt es theoretisch in Wilhelmshaven immer bzw. erst recht, wenn durch die Marinekonversion in absehbarer Zeit Gebäude frei werden. Doch auch die bestehende Einrichtung existiert nur durch eine private Bürgschaft, die zwei Vorstandsmitglieder gegenüber dem Bundesvermögensamt als Eigentümer übernommen haben. Wenn Marina und Andreas oder andere feste, verantwortliche Ansprechpartner nicht mehr im Hause sind, werden die beiden Bürgen sich aus gutem Grunde zurückziehen.

Alte Hasen und junger Elan

Unter diesem Vorzeichen standen die Neuwahlen des Vorstandes, die ausgerechnet in dieser bislang schwersten Krise anstanden und Fingerspitzengefühl erforderten. Dankenswerterweise stellte sich Hanni Schumacher weiterhin als I. Vorsitzender zur Verfügung. So sind bei noch ausstehenden Verhandlungen um die Finanzierung das Wissen und die Erfahrungen mit dem Hick-hack der vergangenen Jahre weiter verfügbar. Werner Biehl und die anderen Vorstandsmitglieder hingegen machten deutlich, daß sie völlig ausgepowert sind. Ihre Vorstandsposten konnten durch Ulf Störmer, Stefan Berg, Wolfgang Willich und Torsten Schütt mit neuer Energie besetzt werden. Für die bevorstehenden Protestaktionen wurde spontan ein Arbeitskreis gegründet.

Mit Bordmitteln

(aber: volle Kraft voraus!) sollen die Arbeit der WIMU und das Musikerhaus nun gesichert werden. In Anlehnung an den GEGENWIND-Förderkreis, der Arbeit und Bestand dieser Zeitung seit Jahren zu einem erheblichen Teil sichert, wurde spontan ein Förderkreis ins Leben gerufen. Grundidee ist, daß vor allem jene sich diesem Kreis anschließen, die von der Arbeit der WIMU profitieren, sprich Kneipiers und andere Veranstalter. Neben Initiator Werner Biehl traten Hanni Schumacher und Wolle Willich sofort dem Förderkreis bei, und auch WZ-Redakteur Felmberg ließ sich als Kulturmäzen nicht lumpen. Profitieren tun aber letztlich (wir) alle, die wir jahrein, jahraus den MusikerInnen und Bands dieser Stadt begegnen und lauschen. Mit einem (auch dem kleinsten) selbstbestimmten Obolus kann jede/r die WIMU unterstützen und damit auch für sich ein kulturelles Angebot sichern, das trotz anderer widriger Umstände das Leben in dieser Stadt noch erträglich macht.

Bis zum bitteren Ende

Trotz Förderkreis und anderer diskutierter Möglichkeiten zur Drittfinanzierung sind die Verhandlungen mit Stadt und Land noch nicht abgeschlossen. Wohl besteht die Gefahr, daß diese nun argumentieren: seht ihr, es geht ja doch ohne öffentliche Gelder! Nein, es wird nicht gehen, das Haus und die bei den erforderlichen festen Stellen aus Bordmitteln allein abzusichern. Es ist nur ein deutliches – vielleicht das letzte Signal der MusikerInnen und ihrer Fans: Wir wollen unsererseits nicht aufgeben – bis zum bitteren Ende, das niemand will. Noch steht die Zukunft der WIMU auf der Kippe. Wenn jetzt nicht auch die offiziellen Verhandlungs- und Entscheidungsträger ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen, ist es das wirklich gewesen.


 

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