Marsch der Matrosen
Sep 022018
 

Hörspielspaziergang auf dem Pfad der Revolution

Schauplatz Marine-Untersuchungsgefängnis. Foto: Claus Schulz

Schauplatz Marine-Untersuchungs-Gefängnis. Foto: Claus Schulz

(iz) Nach der gelungenen Inszenierung von „Feuer aus den Kesseln“ hat die Landesbühne mit Regisseur Michael Uhl und in Kooperation mit Radio Jade und dem Marinemuseum ein „interaktives Revolutionshörspiel“ entwickelt. Auf einer inszenierten Zeitreise durch die Stadt nimmt das Publikum am „Marsch der Matrosen“ teil und wird selbst zu Akteuren der Ereignisse 1917/18.

Ein etwa einstündiger Spaziergang führt die Teilnehmer*innen vom Bontekai bis zum Adalbertplatz und zurück. Über Kopfhörer sind sie mit dem Kanal von Radio Jade verbunden. Die Erzählerinnen (Aida-Ira El Eslambouly, Ramona Marx) führen sie entlang der Route und lassen sie auf lebendige Weise in die damaligen Geschehnisse eintauchen. Weitere Schauspieler*innen verleihen den Protagonisten – Heizer, Offiziere, ein Admiral und Politiker – ihre Stimme. An verschiedenen Stopps werden die Teilnehmer*innen selbst aktiv und nehmen die Rollen der Matrosen oder der Kriegstreiber ein. Bei der Premiere stimmten einige sogar in die eingespielte „Internationale“ ein.

Mehr sollte man dazu nach der heutigen Premiere dazu nicht erzählen, ohne das spannende Erlebnis für Teilnehmer*innen weiterer Aufführungen zu „spoilern“.

Weitere Termine: Mo, 03.09.2018 / 18.00 Uhr; So, 09.09.2018 / 16.00 Uhr; Di, 11.09.2018 / 18.00 Uhr; Do, 27.09.2018 / 18.00 Uhr; Fr, 28.09.2018 / 18.00 Uhr; So, 07.10.2018 / 15.00 Uhr

Treffpunkt ist jeweils eine Viertelstunde vor Start im „TheOs“ am Bontekai, wo das wandelnde Publikum mit Kopfhörern und anderen „Requisiten“ ausgestattet wird. Vorverkauf und weitere Infos unter 04421-9401-15.

Kommentar:

Gedenken am richtigen Platz
Reichpietschufer Straßenschild Berlin. Foto: Imke Zwoch

Straßenschild in Berlin. Foto: Imke Zwoch

Geschichtsinteressierte sollten sich den Hörspielrundgang der Landesbühne, bei dem das Publikum selbst zu Akteuren wird, nicht entgehen lassen. Einer der Schauplätze stimmte gleich doppelt nachdenklich. Am Platz Göker-/Ecke Rheinstraße beim Kaiser-Wilhelm-Brunnen wurde deutlich, welche zentrale Rolle dieser Platz damals spielte: Im dahinter liegenden Gebäudekomplex saßen Albin Köbis und Max Reichpietsch in Untersuchungshaft und wurden als zwei der Anführer der Aufstände von 1917 zum Tode verurteilt; ein Jahr später waren dort Aufständische der Matrosenrevolution inhaftiert, das Marine-Untersuchungs-Gefängnis war deshalb Ausgangspunkt des ersten große Demonstrationszuges, in dessen Folge wenige Tage später bei einer riesigen Kundgebung an der nördlichen Gökerstraße die Sozialistische Republik Oldenburg-Ostfriesland ausgerufen wurde.

Foto: Imke Zwoch

Foto: Imke Zwoch

Genau eine Woche vor der Premiere von „Marsch der Matrosen“ hatte der „Arbeitskreis November-Revolution Wilhelmshaven“ bei einer Gedenkveranstaltung für zwei Helden der Matrosenaufstände 1917/18 den Platz am Kaiser-Wilhelm-Brunnen symbolisch als „Köbis-Reichpietsch-Platz“ benannt (siehe Gegenwind-Bericht vom 26.8.2018; zwei Tage später war das Schild wieder abmontiert). Diese Namens-Widmung hatte Anfang des Jahres auch „Die LINKE“ im Stadtrat beantragt, die Mehrheit lehnte den Antrag jedoch ab (weil der Platz angeblich keine Verbindung zu Köbis und Reichpietsch und den Matrosenaufständen besitzt) und schlug vor, stattdessen den Platz am ehemaligen Botanischen Garten so zu benennen. Dort wird im November ein Revolutions-Denkmal enthüllt.

Welcher ist nun der richtige Platz für das Gedenken an Köbis und Reichpietsch? Im Herbst 1918 waren die beiden längst tot, die Ausrufung der Republik durften sie nicht mehr miterleben. Die Aufarbeitung sowohl durch den Arbeitskreis Novemberrevolution als auch die Landesbühne legt nahe, dass der Platz am Kaiser-Wilhelm-Brunnen der historisch korrekte Platz für die Würdigung der beiden Helden wäre, deren Andenken in vielen anderen Städten längst verewigt wurde. Zudem liegt der Platz zentral am Beginn von Stadtführungen und auch des vom Marinemuseum initiierten Revolutionspfades. Außenstehende werden sich kaum an die nördliche Gökerstraße verirren, um dort über diese zentralen Figuren der Stadtgeschichte zu stolpern.

Straßenschild in Berlin. Foto: Imke zwoch

Straßenschild in Berlin. Foto: Imke Zwoch

Vielleicht schafft es die Ratsmehrheit doch noch, über ihren Schatten zu springen? Naturgemäß tun sich die „großen“ Parteien schwer, einem Antrag der Linken zu folgen, selbst wenn er, wie in diesem Falle, sachlich fundiert ist. Seitens der LINKEn wäre es strategisch  klüger gewesen, einen solchen Antrag im Vorfeld mit der SPD gemeinsam einzutüten, um ihn durchzubekommen. Nachdem nun aber die Landesbühne und das Marinemuseum, zwei aus Sicht der Ratsmehrheit integre Institutionen, die mit Köbis und Reichpietsch verbundenen Meilensteine der Stadtgeschichte ebenfalls im südlichen Herzen der Stadt verorten, könnten sich SPD und andere Parteien einen Ruck geben und – ohne Gesichtsverlust – im Rahmen der Aktivitäten zum 100jährigen Jubiläum der Revolution dem Platz am Kaiser-Wilhelm-Brunnen den Namen geben, den er verdient.

Imke Zwoch

 

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