Fix wie nix!
Ein Postgirokonto dauert so lang wie eine Schwangerschaft
(noa) Erinnern Sie sich noch an Frau Lütten? Von ihr haben wir Ihnen in der Ausgabe 200 erzählt. Damals war sie auf Arbeitssuche, die immer wieder daran scheiterte, dass sie kein Konto hatte. Man sollte denken, dass es eine der leichteren Übungen wäre, ein Konto einzurichten.
Selbst Leute, die ein Insolvenzverfahren laufen haben, müssen ein Konto bekommen, so stand es am 8. Februar in der WZ (übrigens ein lesenswerter Artikel mit dem Titel „Anspruch auf ein Konto auf Guthaben-Basis“). Heike Lütten weiß das schon länger und hat sich bemüht.
Im Mai 2004 füllte sie ein entsprechendes Antragsformular der Postbank aus. Da sie zu dieser Zeit auch ihr Insolvenzverfahren eingeleitet hatte, beantragte sie ein „Guthabenkonto“. Das bedeutet: Man kann Geld empfangen und abheben bzw. Überweisungen tätigen, jedoch nicht überziehen. Frau Lütten legte dem Antrag die Kopie des Insolvenzantrages bei. Nach einigen Tagen bekam sie Post von der Post: Der in ihrem Antrag genannte Treuhänder sei nicht ihr Treuhänder. Und für den richtigen Treuhänder lag dem Schreiben eine Freigabeerklärung* bei.
Im Juni bekam die Post auch die Freigabeerklärung des Treuhänders. Ein Konto gab es jedoch immer noch nicht. Stattdessen gab es wieder Post von der Post: Frau Lütten habe doch schon ein Konto, mit dem sie ihren Zahlungsverkehr erledigen könne.
Wie bitte? Frau Lütten hatte mal ein Konto bei der Volksbank, das sie aber schon vor einigen Jahren aufgelöst hatte. Ein Anruf klärte den Sachverhalt: Die Volksbank hatte Frau Lütten mit diesem Konto in die Schufa gestellt, weil sie da noch Schulden hat. Solange man noch Geld von ihr zu bekommen habe, bleibe das Konto in der Schufa. Wenn sie allerdings die Schulden begleiche, würde der Eintrag gelöscht. Das konnte Frau L. jedoch nicht tun, da sie ja einen Insolvenzantrag gestellt hatte.
Frau L.s Insolvenzberater erreichte die Löschung des Schufa-Eintrages. Nun gab es eigentlich kein Hindernis mehr für die Postbank, ein Konto einzurichten. Doch Frau Lütten bekam Mitte Juli wieder Post. Wieder einmal sollte ihr Treuhänder eine Freigabeerklärung ausfüllen und unterschreiben. Da nach Erledigung dieser Formalität wieder wochenlang Funkstille herrschte, schaltete sich der Insolvenzberater wieder ein. Frau Lütten konnte es sich nämlich nicht mehr leisten, immer und immer wieder die Service-Nummer der Kontoführungsstelle der Postbank anzurufen.
Darüber, was bei dieser Hotline passiert, hatte sie sich schon mehrere Male geärgert – und viele, viele Einheiten dabei vertelefoniert. Es geht so: Eine Computerstimme fragt den Anrufer nach der Kontonummer. Der hat aber keine. Entweder sagt er das, oder er schweigt. In beiden Fällen sagt die Computerstimme nach einiger Zeit, sie habe den Anrufer nicht verstanden und bitte um Wiederholung der Kontonummer. Da der Anrufer hier aber keine gültige Antwort sagen kann, wird er entweder wütend und legt auf, oder er kennt das Spiel schon und wartet geduldig, denn irgendwann gibt der Computer auf und stellt den Anrufer zu einem richtigen Menschen durch. Dem sagt man dann, was man will, und er antwortet entweder, dass er da auch nichts machen kann, weil man ja die Service-Nummer der Kontoführung gewählt hat, oder er hört einem vielleicht zu und stellt einen zu einem Mitarbeiter durch, der einem sagt, dass er da auch nichts machen kann. Irgendwann einmal bekommt man einen Mitarbeiter an die Strippe, der sich erbarmt und einem eine andere Telefonnummer gibt, bei der man dann endlich sagen kann, dass man ein Konto beantragt hat und seither immer wieder dieselben Formulare ausfüllen und hinschicken muss und sich schon wie in einem absurden Theaterstück vorkommt.
In diesem Fall nun war es der Insolvenzberater, der sagte, dass in Sachen Frau Lütten schon mindestens drei Exemplare der Freigabeerklärung in Hamburg vorliegen müssten und er und seine Klientin sich fragten, wo die immer verschütt gehen. Er erfuhr, dass der Antrag unvollständig sei: Es fehle die Freigabeerklärung!!!!! Außerdem müsse die Antragstellerin eine Einverständniserklärung** unterschreiben. Diese Formulare und ein weiteres Antragsformular bekam Frau Lütten dann kurz nach dem Telefonat zugeschickt. Sie füllte brav wieder alles aus, ließ den Treuhänder die Freigabeerklärung mal wieder unterschreiben und schickte alles nach Hamburg.
Und dann ging es aber fix wie nix! Schon drei Tage später bekam Frau L. das Antragsformular zurück. Sie müsse es in Wilhelmshaven bei der Hauptpost direkt am Schalter abgeben, stand im Begleitschreiben.
Währenddessen waren die Monate ins Land gegangen, und es war schon Dezember. Aber nun sollte ja alles gut werden! Frohen Mutes, rechtzeitig zum Alg II ein Konto zu haben, ging Frau Lütten zur Post und gab den Antrag ab. Dem erstaunten Schalterangestellten erklärte sie, was sie seit Mai alles durchgemacht habe, und er versprach, das sofort zu bearbeiten. In ihrer Gegenwart legte er den von ihm abschließend bearbeiteten und korrekt adressierten Antrag ins Ausgangsfach. Danach passierte – nichts.
Im Januar tätigte Frau L. mal wieder einen Anruf, diesmal gleich bei der richtigen Nummer. Sie erfuhr, dass die Freigabeerklärung des Treuhänders fehle!
Heike Lütten hat im Lauf ihres Lebens zwangsläufig gelernt, Geduld zu haben. Jetzt aber riss der Faden. Sie unternahm zweierlei: Sie formulierte einen gesalzenen Beschwerdebrief, in dem sie u.a. fragte, ob es sich bei dem Geschäftsgebaren der Postbank um das übliche Vorgehen bei insolventen Menschen handle. Und sie fragte wieder den Insolvenzberater um Hilfe. Am 15. Februar rief dieser in ihrer Gegenwart mal wieder in Hamburg an. Bei dieser Gelegenheit ereignete sich der Höhepunkt der ganzen Unternehmung „Konto einrichten“: Man fragte den Berater, warum er eigentlich in Sachen Lütten so oft anrufe!!!
9 Monate lang hatte Heike Lütten versucht, ein Guthabenkonto bei der Postbank zu eröffnen. Wäre sie stattdessen schwanger geworden – das Kind wäre jetzt schon dagewesen. Fünf Freigabeerklärungen des Treuhänders und zwei Anträge waren mittlerweile zwischen hier und Hamburg in irgendeinem Bermuda-Dreieck verschollen. Und da fragen die, warum sie immer wieder anrufen lässt!
Während Frau Lütten noch letzte Feinarbeiten an ihrem Beschwerdebrief vornahm, geschah am 17. Februar das, womit sie inzwischen nicht mehr rechnete: Sie bekam die Nachricht, dass sie nun ein Konto bei der Postbank hat. Wie schön! Wir gratulieren!
*Freigabeerklärung: Wer ein Insolvenzverfahren einleitet, bekommt einen Insolvenzverwalter zugeordnet. Dieser muss das Konto „freigeben“, d.h. sein Einverständnis erklären, dass der Klient über das Konto frei verfügen kann und er als Treuhänder keine Ansprüche auf künftige Zahlungseingänge erheben wird.
**Einverständniserklärung: Wenn ein Mensch, der Insolvenz angemeldet hat, ein Postgirokonto will, muss er gewisse Einschränkungen akzeptieren: Das Konto darf nur im Guthaben geführt werden; Scheckvordrucke und Kreditkarten gibt es keine; auch Vorschüsse werden keine geleistet; die Postbank Card kann nicht zum bargeldlosen Bezahlen genutzt werden.
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