Quak-Salberei?
Heute im Angebot: Gesundheit! Der Gegenwind besuchte die „Gesundheitsboutique“ des Dr. Wehner
(noa/ts) Seit Februar gibt es das „gisunt Institut für präventive und ästhetische Medizin“ in der Hermann-Ehlers-Straße 3. Unter den niedergelassenen Kassenärzten sind die Meinungen darüber geteilt. Ist dies Institut eine sinnvolle Ergänzung des medizinischen Angebots, oder wird den alten Leuten die Rente aus der Tasche gezogen?
Prävention ist Vorbeugung. Zumindest die Krankenkassen sind, besonders in Zeiten steigender Ausgaben für medizinische Leistungen, daran interessiert, daß ihre Versicherten möglichst gesund bleiben. Die Zeitschriften der Krankenkassen informieren denn auch über gesunde Lebensführung und appellieren an ihre Mitglieder, sich vernünftig zu ernähren und überhaupt eine gesunde Lebensweise zu pflegen. Ob auch ÄrztInnen an Prävention interessiert sind (sein können), ist eine andere Frage. Sie verdienen immerhin ihr Brot dadurch, daß die Menschen krank sind.
Unter „ästhetischer Medizin“ hat man „sanfte Medizin“, also Naturheilkunde zu verstehen.
Wenn man das gisunt Institut betritt, kann man eigentlich keinen Unterschied zu einer „normalen“ Arztpraxisfeststellen; lediglich die Meditationsmusik, die hier läuft, fehlt in anderen Praxen, und es gibt kein Wartezimmer. Leiter ist Dr. med. Wehner, der neben dem Institut eine Praxis als Allgemeinmediziner betreibt. Ein Kaufmann, eine Sekretärin, eine Sozialpädagogin, eine Arzthelferin und eine Krankenschwester bilden das Stammpersonal.
Als Träger des Instituts figuriert eine GmbH, die „gisunt Gesellschaft für präventive und ästhetische Medizin“, bestehend aus dem Institutsleiter und Dr. Döhle, einem weiteren in Wilhelmshaven niedergelassenen Arzt. In Inseraten und Prospekten veröffentlicht das Institut sein Angebot:
• Gesundheitsseminare
• Ambulante Rehabilitation
• Raucherentwöhnung
• Streßbewältigung
• Komplette Gesundheitsvorsorge
• Reisedienst (medizinisch betreutes Reisen für Kranke und Senioren)
• Entspannungstherapie
• Sauerstoff- und Regenerationskuren
• Colon-Hydro-Therapie
• Akupunkturbehandlungen
• Cellulolipolyse
• Medizinische Kosmetik
• Patientenkommunikation
• Medizinische Fußpflege
• Orthomolekulare Medizin
Die präventiven Leistungen (ausgenommen vielleicht die ambulante Rehabilitation) bieten auch andere Institutionen an; das Rauchen kann man sich z.B. in Kursen an der Volkshochschule abgewöhnen und sich einen Teil der Kursgebühr von der Krankenkasse zurückgeben lassen; Entspannungsverfahren zur Streßbewältigung kann man ebenfalls an der VHS oder in durch die Krankenkassen durchgeführten Kursen erlernen – erheblich preiswerter als in der „Gesundheitsboutique“, wie das Institut laut Türschild auch heißt – bei „gisunt“ aber eben alles unter einem Dach und insofern praktischer.
Über die Raucherentwöhnung Dr. Wehner zum GEGENWIND: „Das passiert in Gruppen. Die einzelnen Raucher bekommen eventuell eine Akupunkturbehandlung vorweg. In der Gruppe treffen sie sich dann und quaken.“ 50 DM pro Abend kostet das Quaken. Ebenfalls 50 DM pro Gruppenabend kostet bei gisunt die Streßbewältigung. Laut Dr. Wehner ist das eine „oberflächliche Psychotherapie“ und wird von der Sozialpädagogin durchgeführt. Eine solche oberflächliche (gemeint ist eine nicht psychoanalytische) Psychotherapie kann man auch in Einzelstunden, dann zum Preis zwischen 70 und 100 DM pro Stunde, bekommen.
Was „gisunt“ unter der Überschrift “ Ästhetische Medizin“ anbietet, ist laut Dr. Wehner grundsätzlich nicht mit den Krankenkassen abrechnungsfähig. Das heißt: Die PatientInnen zahlen die Behandlung aus eigener Tasche. Wenn jemand z.B. einen nicht mehr operablen Lebertumor hat und nach Ausschöpfung aller schulmedizinischen Möglichkeiten gesagt bekommt, daß er nur noch etwa ein Vierteljahr zu leben hat, dann greift er nach jedem Strohhalm. Es ist bekannt, dass in solchen Fällen Naturheilverfahren ein weiteres Tumorwachstum stoppen können. Eine einfache Antwort auf die Frage, was im Falle des unheilbar Leberkrebskranken im gisunt Institut für wieviel Geld gemacht würde, haben wir von Dr. Wehner nicht erhalten; ein 08/15-Rezept gibt es da nicht. Eine ausführliche Anamnese, Blutflockungstest, große Laboruntersuchung, Analyse des Immunsystems vorweg, dann eine individuell abgestimmte Behandlung mit Thymus oder Milzpeptiden und Sauerstoff – wenn der Patient eine solche Behandlung zwei Jahre lang in Anspruch nimmt, dann wird er um die 20.000 DM bezahlen müssen .
Geldschneiderei? Wenn jemand mit einer Lebenserwartung von einem Vierteljahr noch zwei Jahre länger lebt, dann wird er dieses Geld (sofern er es hat) gerne dafür ausgeben. In einem solchen Fall kann er dann immerhin nachträglich versuchen, diese Kosten dennoch von seiner Krankenkasse zurückzubekommen. Laut Angaben von Dr. Wehner wurden bislang bei 10 bis 15% der Patienten entsprechende Anträge von den Kassen positiv beschieden.
Erstaunt war man allerdings bei der Gesellschaft für biologische Krebsabwehr mit Sitz in Heidelberg über die Information, daß in Wilhelmshaven Krebsbehandlungen mit Mistel, Thymus, Milzpeptiden und Sauerstoff das Geld der PatientInnen kosten sollen. Hier bekamen wir die Auskunft, daß es auch in Wilhelmshaven Mitglieder gibt, die Tumorpatienten diese sanften Mittel verschreiben – auf Kassenrezept. Und HeilpraktikerInnen wenden diese Verfahren ebenfalls an. „Außenseitermedizin“ nennen es die „reinen“ Schulmediziner, und sie sind dagegen, egal, ob ein Arzt oder ein Heilpraktiker sie betreibt.
Der Arzt im gisunt lnstitut, Dr. Wehner, will sich jedoch mit den Heilpraktikern nicht in einen Topf werfen lassen. Bezüglich der Sauerstofftherapie, die das Zentrum des Angebots seines Instituts bildet, sagt er: „Um sie richtig anzuwenden, muß man eine fundierte medizinische Ausbildung haben.“ Und damit meint er ein Medizinstudium.
Nicht nur die Naturheilverfahren bei Krebs, sondern auch andere Therapien aus dem Angebot des gisunt Instituts werden von den Krankenkassen anstandslos bezahlt, wenn sie medizinisch notwendig sind. Medizinische Fußpflege z.B. kann ein Kassenarzt verschreiben, wenn die Schäden an den Füßen das Gehen erschweren oder gar andere Organe in Mitleidenschaft ziehen.
Worin besteht also der Unterschied zwischen einer Arztpraxis und der Gesundheitsboutique?
Nun, bei „gisunt“ können die Patientlnnen sicher sein, daß sie ausschließlich mit sanften Mitteln behandelt werden. Und sie bekommen ein breites Angebot an Naturheilverfahren unter einem Dach.
Ärzte, die das Institut nicht unbedingt als sinnvolle Ergänzung zu ihren eigenen Bemühungen betrachten, sehen einen anderen Gesichtspunkt vorrangig: Ärzte dürfen keine Werbung für sich machen – ein Institut wohl. Das gisunt Institut veröffentlicht Werbeanzeigen. Und natürlich dienen auch die Abendseminare über Blasenschwäche im Alter oder Gehirnjogging, die die gisunt GmbH durchführt, nicht nur so menschenfreundlichen Zwecken wie der Aufklärung über Gesundheitsvorsorge, sondern nebenbei auch der Werbung für das Institut, wenn der Betreiber dies auch nicht zugibt, sondern darauf hinweist: „Die Krankenkassen führen solche Veranstaltungen auch durch – zur Werbung!“
Und wenn ein Patient erst einmal in der Gesundheitsboutique ist, dann könnte es natürlich sein, daß er für weitere Behandlungen die Praxis von Dr. Wehner (ein Haus weiter) aufsucht und nicht mehr seinen bisherigen Hausarzt. Die seit 1. Januar dieses Jahres gültige Gebührenordnung (weniger Ziffern für Einzelleistungen, aber Pauschalbeträge für PatientInnen) legt es nahe, daß Ärzte versuchen, mit allen Mitteln anderen Ärzten die PatientInnen wegzuschnappen.
Wer wissen möchte, welche Ärzte und Ärztinnen in Wilhelmshaven und Umgebung KrebspatientInnen mit biologischen Mitteln behandeln, kann dies erfragen bei:
Gesellschaft für biologische Krebsabwehr, Postfach 10 25 49, 69015 Heidelberg, Tel.: 06221-1615 25
Wer an psychologischer Beratung zu einem günstigeren Preis als bei „gisunt“ interessiert ist, kann Möglichkeiten bei der GEGENWIND-Redaktion erfragen.
Sorry, the comment form is closed at this time.