Im Namen der Gleichberechtigung – Kriegsdienst mit der Waffe für Frauen
Von Holger Söker und Birgit Emmer
Eigentlich wollten wir gar nicht reagieren, als wir als DFG-VK Wilhelmshaven (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) aufgefordert wurden, einen Beitrag zum Thema „Dienst mit der Waffe für Frauen in der Bundeswehr“ zu verfassen.
Ein Blick auf die jüngsten wehrpolitischen Ereignisse fördert keinen Sachzwang zutage, der eine Beschäftigung mit diesem Thema verlangt und dazu Anlaß gäbe, an Artikel 12a, Absatz 4 des Grundgesetzes zu rütteln. In diesem Artikel heißt es unter anderem: „Sie (die Frauen) dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“. Was also könnte der Auslöser für die neuerliche Unruhe sein? Angesichts der relativen Sommerruhe im Polit-Showbiz ist das Thema, obwohl nicht das neueste und originellste, immer wieder gut, ein paar Medienpunkte zu erheischen und sich in Zeiten galoppierender Arbeitslosigkeit, fortschreitender Umweltzerstörung, ungelöster wirtschafts- und finanzpolitischer Probleme auf einem Nebenschauplatz liberales Profil zu verleihen, ohne Gefahr zu laufen, ernsthaft tätig werden zu müssen. So oder ähnlich müssen wohl die Gedanken des innerglashäuslichen Steinewerfers gewesen sein. Es bleibt abzuwarten, ob der Stein denn auch weit genug fliegt, um die Scheibe zu zerbrechen. Sehr unwahrscheinlich scheint indes, daß die nächste Verfassungsänderung eben jenes Privileg der Männer aufbricht, Kriegsdienst mit der Waffe leisten zu dürfen.
Nun mag man/frau sich darüber streiten, ob das erreichte Maß an Gleichstellung von Männern und Frauen allein am Recht der Frauen abzulesen ist, Dienst mit der Waffe leisten zu dürfen. Uns scheint, es gibt hier aussagekräftigere Indikatoren. Dennoch ist die Gelegenheit günstig, die Rolle der Frauen im Gesamtverteidigungskonzept zu beleuchten. Im Krisen- oder Verteidigungsfall wird es neben der militärischen Verteidigung die Zivilverteidigung geben, deren Aufgabe die Aufrechterhaltung der Staatsfunktionen, der Zivilschutz, die allgemeine Versorgung sowie die Unterstützung der Streitkräfte sind. Im Rahmen dieser Zivilverteidigung und auf der Grundlage des genannten Artikels 12a des Grundgesetzes können Frauen vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundzwanzigsten Lebensjahr durch Gesetz zu zivilen Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation herangezogen werden, wenn der Bedarf an Hilfskräften nicht auf freiwilliger Basis gedeckt werden kann. Frau könnte nun meinen, sie sei nicht betroffen, wenn sie sich gegebenenfalls nicht freiwillig meldet -also kein Grund, sich mit dem Themenkreis Kriegs- bzw. Zivildienst auseinanderzusetzen. Doch Vorsicht: Z.B. hat die Absolventin eines Schwesternhelferinnenkurses durch ihre Unterschrift, die zu Beginn eines solchen Kurses geleistet werden muß, bereits ihre Freiwilligkeit erklärt und ihrer Einplanung im Kriegsfall zugestimmt. Gleiches gilt für Mitglieder des Roten Kreuzes, der Johanniter Unfallhilfe e.V. oder dem Malteser Hilfsdienst e.V. Es darf bezweifelt werden, ob diese Sachlage der Mehrzahl der betroffenen Frauen bewußt ist. Um der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen Rechnung zu tragen, sei hier erwähnt, dass auch männliche Bürger im Rahmen der Notstandsgesetze zur Zivilverteidigung dienstverpflichtet werden können.
Um zum Stein des Anstoßes zurückzukehren (vielleicht durchschlägt er ja doch die Scheibe des Glashauses), möchten wir jeder Leserin, die sich an der Diskussion um den Kriegsdienst an der Waffe beteiligt, folgendes zu bedenken geben: Es kann in dieser Sache nicht vorrangig um die Eröffnung von Berufschancen für Frauen gehen. SoldatIn zu sein, beinhaltet immer auch die zunehmend wahrscheinlicher werdende Möglichkeit, sich Situationen auszusetzen, in denen auf Befehl getötet wird. Unabhängig von der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit dieses Befehls – eine Variable, die bisweilen den jeweils herrschenden Werten und Normen unterliegt – wird die Ausführende mit den Konsequenzen ihres Handeins weiterleben oder sterben müssen. Außerdem beweisen Frauen andernorts täglich, daß sie keine schlechteren Soldatinnen abgeben als Männer – dieser Beweis muß deshalb in unserer Bundesrepublik Deutschland nicht nochmals erbracht werden. Und ginge es allein darum, patriarchale Privilegien aufzubrechen, wäre eine Initiative zur Ermöglichung des Dienstes an der Waffe für Frauen aus dieser Motivation heraus sogar zu begrüßen. Doch vielleicht ist es gerade dieses männliche Privileg, das – einmal anders als gewohnt – zur Ausbeutung von Männern führt! Offensichtlich wird dies von engagierten Frauen so gesehen, oder warum sonst ist noch keine Verfassungsklage zum Thema anhängig?
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