Gegenwind Gespräch: Michael Diers
Okt 312001
 

Konturen gewonnen

Steht Radio Jade vor dem finanziellen K.O.?

(hk) Seit 4 Jahren versorgt Radio Jade Wilhelmshaven und Friesland mit Informationen. Doch die Städte und Kommunen sehen keinen Grund, den Sender zu unterstützen. Wir sprachen mit dem Redaktionsleiter Michael Diers über die Zukunft des Senders.

Gegenwind: „Ich würde mich freuen, wenn wir in einem Jahr wieder beisammen sitzen und uns über das politische Profil von Radio Jade unterhalten würden. Radio Jade ist im politischen Profil noch zu konturlos. Mein Wunsch ist, dass wir mehr politische Konturen entwickeln.“ Mit diesem Satz von dir endet unser letztes Gespräch vom September 2000. Ist dein Wunsch in Erfüllung gegangen?
Michael Diers: Es hat sich etwas getan.. Man spürt das immer an den Reaktionen – weniger an den Reaktionen unserer Hörerinnen und Hörer, sondern mehr an den Reaktionen von Politikern: wie sie einen begegnen oder nicht begegnen. Die große Herausforderung ist noch nicht so umgesetzt worden, wie wir es uns eigentlich wünschen, nämlich die Politik in Wilhelmshaven, in Friesland transparent darzustellen. Wir durchschauen so langsam die politischen Aktivitäten und die politische Situation in unserem Bereich. Aber unsere Redaktion ist nach wie vor zu klein, als dass sie mit den Informationen eine richtig gute konstruktive Arbeit machen kann. Ich denke auch, dass wir anfangen, uns zu etablieren. Aber wir sind noch immer nicht das Medium, das wir eigentlich sein wollten – ein unabhängiges und sehr politisches Medium mit einer sehr konstruktiven und guten Berichterstattung. Aber ich denke, dass wir im letzten Jahr einen kleinen Schritt nach vorne gemacht haben.

Das sehe ich auch so – Radio Jade entwickelte sich im letzten Jahr doch zu einem wichtigen Medium, gerade wenn es um Themen ging, die in den Zeitungen wenig Platz fanden. Ich meine damit in erster Linie den politischen und kulturellen Bereich eurer Sendungen.
Eines unserer Highlights im vergangenen Jahr war natürlich die ganze Aufarbeitung der Wilhelmshavener Projekt-Gesellschaft. Da sind wir in eine Situation gekommen, in der wir relativ frühzeitig Informationen verbreiteten und die komplette Print-Medienlandschaft nachgezogen ist. Da konnten wir zeigen, wie politische Berichterstattung von uns durchgeführt werden kann.

Ihr habt vor kurzen eine große Anzeige geschaltet, unterzeichnet von ca. 70 Leuten aus dem öffentlichen Leben, in der ihr auf die prekäre finanzielle Situation des Senders aufmerksam gemacht habt. Wie sieht’s da aus – wie steht’s um Radio Jade?
Seit über vier Jahren arbeiten wir hier und haben in dieser Zeit fast 4 Millionen Mark in diese Region geholt ohne jegliche Gegenleistung seitens der Kommunen. Da ist es schon eine erstaunliche Leistung, dass wir immer noch existieren. Wenn man jetzt aber weiß, dass auf Grund der Neulizenzierung wir von Radio Jade noch mal arg gebeutelt werden – die Landesmedienanstalt will uns also noch weniger Geld für diese Region geben und gleichzeitig erwartet man eine höhere Beteiligung seitens der Kommunen oder anderer Sponsoren – dann sieht das natürlich nicht so gut aus.
Wir haben im Augenblick 576.000 DM pro Jahr zur Verfügung. Ab dem 31. März 2002 bekommen wir nur noch eine Sicherheit von 400.000 Mark im Jahr. Aber erst einmal nur dann, wenn wir davon mindestens 10% selber nachweisen können. Das heißt, wir werden 170.000 DM weniger bekommen als in der Vergangenheit. Die Region muss zeigen, dass sie diesen Sender will. Die Kommunen müssen uns auch finanziell unterstützen. In Niedersachsen gibt es weitere 13 Initiativen – eine Initiative, die in Lingen, bekommt 300.000 Mark pro Jahr von den Kommunen dazu. Wir bekommen keinen einzigen Pfennig! Wenn die Lizenz im nächsten Jahr wieder an Radio Jade geht, bedeutet das, dass wir für die nächsten 12 Jahre mindestens 7 Millionen Mark in die Region holen. Dafür bedarf es nur einer ganz geringen Unterstützung seitens der Kommunen. Radio Jade ist ja ein wichtiger kultureller Faktor und auch ein positiver Standortfaktor. Ich verstehe die Kommunen nicht, dass sie sich in keiner Weise irgendwie bereit erklären, hier diesem Sender auch mal zu zeigen, dass man ihn will, und das auch finanziell deutlich machen. Berichten wir zu kritisch, zeigen wir uns zu unabhängig?

Eine überwiegend kritische Berichterstattung erwächst ja auch aus einer bestimmten Situation. Wäre Radio Jade bereit, sich den Interessen der Kommunen zu stellen und deren Repräsentanten auch Raum zu bieten, ihre Vorstellungen über den Äther zu bringen?
Wir wollen ja alle einbinden – nur das funktioniert aus irgendeinem Grunde nicht. Wir würden gerne den Verwaltungen auch ein Forum bieten, ihre Vorstellungen offen darzustellen und über den Sender zu bringen. Das ist überhaupt keine Frage.

Du sagst, die Kommunen interessiert es nicht, dass ihr Geld benötigt. Kümmert ihr euch denn darum, dass die Kommunen wissen, in welcher Situation ihr steckt?
Ich war beim Bürgermeistertreffen, wir haben schriftliche Anträge an die Stadt Wilhelmshaven und auch an den Landkreis Friesland gestellt, haben sicherlich die Summen, die wir brauchen, in der realistischen Größe erst einmal eingefordert. Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Kommunen sagen: Radio Jade will 200.000 Mark, die haben wir nicht über – also abgelehnt! Ich hätte da mit mehr Flexibilität gerechnet. Wenn man so einen Antrag sieht, kann man doch sagen 200.000 ist uns zuviel – 20.000 würde vielleicht gehen. Uns ist ja erst einmal jede Summe recht und hilfreich, damit wir der Landesmedienanstalt zeigen können, dass wir hier in der Region verankert sind. Die Zeitungsanzeige war ja ein weiterer Versuch, öffentlich zu zeigen, wie es um uns steht. Der Vorstand und ich haben in den letzten Wochen und Monaten sehr viele Leute aufgesucht und unsere Situation geschildert. Im Wirtschaftsbereich ist da schon mehr in Bewegung – aber es reicht nicht. Wenn nur 15 Leute oder Betriebe uns 1.500 DM pro Jahr geben würden – dann hätten wir bei der Landesmedienanstalt einen ganz anderen Stand und eine deutlichere Absicherung unserer Zukunft als im Moment.

Es ist also nicht nur die Stadt Wilhelmshaven, es sind auch die Kommunen in Friesland, die euch nicht unterstützen.
Die Kommunen in Friesland sagen z.B., dass wir zu wenig über sie berichten. Wir können aber nur dann unsere Berichterstattung entsprechend ausweiten, wenn wir eine solide finanzielle Grundlage haben – und die bekommen wir nur dann, wenn z.B. die Kommunen uns auch unterstützen. Die Kommunen müssten doch erkennen, dass sie über Radio Jade viel über ihre Gemeinde berichten könnten, die eigene kulturelle Vielfalt einer breiten Öffentlichkeit vorstellen könnten.

Seht ihr denn Möglichkeiten, aus dieser Situation herauszukommen?
Es gibt bei uns Überlegungen, aus dem Verein eine GmbH zu machen, um zu gucken, ob man damit besser fährt. Die Stadt Wilhelmshaven könnte sich z.B. mit 25% an dem Radiosender beteiligen. Es ist für eine Stadt einfacher, eine GmbH zu unterstützen als einen Verein. Für uns könnte das bedeuten, dass wir dadurch eine längerfristige Absicherung hätten. Wir diskutieren aber auch die Frage, ob wir uns damit in Abhängigkeiten begeben, die sich auf unsere kritische Berichterstattung auswirken könnten. Es geht da immer das Wort vom Bürgermeisterrundfunk um.

Du hast eingangs von dem Radio aus Lingen berichtet, das 300.000 Mark pro Jahr bekommt. Machen die denn noch unabhängigen Rundfunk?
In Lingen schießen 3 Landkreise 300.000 Mark in den Sender, was dazu führte, dass die keine kritische Berichterstattung mehr machen. Das ist natürlich die große Gefahr.

Wie sieht es im Sender aus – bei den MitarbeiterInnen?
Wir haben kontinuierlich unsere Berichterstattung ausgeweitet; wir senden bis zu zehn Stunden täglich. Dafür mussten wir den Leuten, die für uns arbeiten, die Aufwandsentschädigung, das Honorar kürzen. Was diese Leute dennoch für einen Idealismus an den Tag legen, um diesen Sender am Leben zu erhalten, ist bewundernswert. Die arbeiten und arbeiten – eigentlich nur aus lauter Liebe zum Radiomachen. Das signalisiert uns, dass wir weitermachen müssen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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