Deutsche Bucht AG
Okt 312001
 

Das Wasser ist viel zu tief

Statt Deutscher Bucht AG zukünftig drei deutsche Tiefwasserhäfen weil Hamburg und Bremen nicht zusammen kommen?

(jm) Bekanntlich ist es dem Bremer Bürgermeister Henning Scherf gemeinsam mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Siegmar Gabriel am diesjährigen 30. März gelungen, dem scheidenden Hamburger Bürgermeister Ortwin Runde eine bedingte Zustimmung zum JadeWeserPort abzuringen.

Die Genossen kamen zudem überein, einen ständigen Hafenrat zu bilden, in dem aktuelle hafenpolitische Fragen erörtert werden sollten. Des Weiteren sollte unter Beteiligung der Hafenwirtschaft darüber beraten werden, wie durch verbesserte Auslastung der Infra- und Suprastrukturen bzw. Ausnutzung vorhandener Synergiepotenziale die Kräfte der Hafenstandorte Hamburg und Bremen gebündelt werden können. War dies das Einstiegssignal in die strukturelle Gestaltung einer gemeinsamen Hafenpolitik für die deutschen Nordseehäfen?
Entsprechende Ansätze, die hafenpolitischen Interessen in einer Deutsche Bucht AG zu bündeln, gibt es ja schon weitaus länger. Und diese Bemühungen wurden von Umweltschützern durchaus wohlwollend beobachtet: Sie erblickten darin eine Chance, einen ausufernden Infrastrukturwettbewerb einzudämmen, in Folge dessen vom Steuerzahler auf engstem Raum ein Überangebot an Hafenflächen, Fahrwasseranpassungen sowie Hinterlandanschlüssen auf Straße, Schiene und zu Wasser zu Lasten von Mensch, Natur und Umwelt finanziert werden muss.
Doch dieser aufglimmende Hoffnungsschimmer hat sich schon wieder verflüchtigt: Auf seiner 1. Sitzung am 25. Juni verkündete besagter Hafenrat … die übereinstimmende Absicht Hamburgs und Bremens, eine weitere Vertiefung von Elbe und Weser unter ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollen dann gegebenenfalls zügig und unabhängig von der Realisierung des geplanten Tiefwasserhafens umgesetzt werden (Pressemitteilung Wirtschaftsbehörde Hamburg vom 25.6.01).
Es geht also weiter mit einer unkoordinierten Hafenpolitik, die letztlich vor nichts Halt macht und deren monetaristisch gepolte Strippenzieher sich auch nicht durch leere Steuerkassen bremsen lassen. Und der für die Fahrwasserunterhaltung zuständige Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig setzt dem nichts entgegen: Er hat dem Wirtschaftsverband Weser bereits die Absicht mitgeteilt, die Außenweser zu vertiefen (WZ, 26.10.01).
Auch zwischen den beiden großen deutschen Terminalbetreibern, der Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG (HHLA) und der aus einer Fusion der Hamburger Firma Eurokai und der Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG) entstandenen Eurogate zeichnet sich mangels gemeinsamer Interessen keine Zusammenarbeit ab. So erklärte der Vorstandsvorsitzende der HHLA Peter Diettrich auf einer Bilanzpressekonferenz am 26.6.01: Eine Fusion des Containergeschäftes von Eurogate und HHLA wäre möglich nur unter Bedingungen, die entweder für die HHLA oder einen der beiden Eurogate-Gesellschafter nicht akzeptabel wären.
Die zwei Königskinder können also zusammen nicht kommen…
Man kann davon ausgehen, dass – falls der JadeWeserPort gebaut wird – es nicht bei einem einzigen deutschen Tiefwasser-Terminal bleiben wird. Der dahinter steckende Interessengegensatz lässt sich in folgende Kurzformel fassen: Die HHLA ist für Hamburg da und Eurogate für Eurogate.
Etwas detaillierter: Die HHLA ist als für das Wohlergehen der Hamburger Wirtschaft tätiger Dienstleister auf den Hamburger Hafen fixiert; d.h., sie ist gemeinsam mit dem Hamburger Senat (unabhängig von der politischen Coleur) bestrebt, durch großräumige Infrastrukturmaßnahmen und breit angelegte Dienstleistungsangebote das bestehende auf Hamburg zentrierte Transportnetz immer weiter auszubauen. Die Frage der Beteiligung an einem Tiefwasser-Container-Terminal außerhalb Hamburgs kommt für sie eigentlich erst dann in Betracht, wenn ihre Hafenerweiterungsflächen erschöpft bzw. die Verkehrsanbindungen – wie z.B. das Elbfahrwasser – absolut nicht weiter ausbaufähig sind. Und da sieht Hamburg das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht. An einem Tiefwasserhafen außerhalb Hamburgs kann ihr bei solcher Sichtweise in absehbarer Zeit kaum gelegen sein. An einem JadeWeserPort wird sie sich wohl nur bei Einräumung einer Sperrminorität beteiligen, um ihn dadurch möglichst kurz halten zu können!
Die Eurogate hat sich dagegen aus der Bindung an einen Hafen gelöst. Sie betreibt mehrere europäische Container-Terminals an verkehrsstragegisch günstigen Punkten am Mittelmeer, der Atlantikküste und der Nordsee und spannt zwischen diesen ihr kontinentales Transportnetz auf.
So kann Eurogate z.B. einem Reeder, dessen Schiffe Container zwischen Ostasien und Europa transportieren, Umschlagplätze wie das an der Stiefelspitze Italiens gelegene Gioia Tauro oder Lissabon, Bremerhaven und Hamburg zur Auswahl stellen und für deren Weitertransport per Schiene, Straße oder auf dem Seeweg sorgen. Das versetzt sie beispielsweise in die Lage, Städte wie Stuttgart, München oder Budapest mit ihrem Container-Transportnetz sowohl an ihre Mittelmeer- als auch an ihre Nordseehäfen anzubinden. Eurogate ist also ein multinationaler Konzern, der weder Hamburg, Bremerhaven oder Gioia Tauro verpflichtet ist. Innerhalb dieses Netzes kann er für seine Kunden unter mehreren Möglichkeiten den jeweils kostengünstigsten oder zeitsparendsten Transportweg anbieten. Dieser Global-Player plant zudem, an die Börse zu gehen. Den Restriktionen des Shareholder-Value unterworfen, würde da die Gefahr noch zunehmen, dass er seine Umschlagaktivitäten von den deutschen Hafen auf die Konkurrenzhäfen der Rotterdam/Antwerpen-Range verlagert, wenn es dem Geschäftsergebnis dienlich ist und man ihm dort Entfaltungsmöglichkeiten einräumt.
Durch diese hafengeografische Ungebundenheit hat Eurogate natürlich eine starke Verhandlungsposition bei Ansiedlungsvorhaben. Ihre Absichtserklärung, 500 Mio. DM in die Suprastruktur eines fünften Bremerhavener Containerterminals (CT5) auf Wilhelmshavener Boden zu investieren, hat wahrscheinlich wesentlich dazu beigetragen, dass die Entscheidung gegen Cuxhaven gefallen ist.
Ein denkbares Motiv: Der Multi Eurogate kann an der Jade die Rolle des Platzhirsches übernehmen, der Wilhelmshaven unter Kontrolle und Hamburg auf Abstand hält. Für die HHLA wäre dagegen eine Beteiligung an einem Tiefwasser-Terminal nur mit einer Vorzugsoption akzeptabel…
So ist denn Hamburg auch nicht bei der neu gegründeten JadeWeserPort-Entwicklungsgesellschaft(JWE) mit dabei. Teilhaber sind Niedersachsen mit 71%, Bremen mit 20% und Wilhelmshaven mit 9%. Hamburg muss sich bis zum Jahresende entscheiden, ob es die von Niedersachsen angebotenen 20% der Entwicklungsgesellschaft übernimmt, erklärte der JWE-Chef Claus Wülfers gegenüber dem Hamburger Abendblatt (HA, 09.10.01). Bemerkenswert ist, dass kein privater Anteilseigner dabei ist. Und das, obwohl der JadeWeserPort nach neuestem Zwischenstand noch zu 50% privat finanziert werden soll, nachdem man den Wilhelmshavenern lange Zeit eine 100%ige Privatfinanzierung vorgegaukelt hatte. Verwunderlich ist die Abstinenz der angeblich Schlange stehenden Privatinvestoren allerdings nicht, denn diese Gesellschaft verdient ja kein Geld, sondern gibt es nur aus.
Sechs Mitarbeiter – vor allem von der Bezirksregierung Weser-Ems abgestellte Planer – sind mit der Erarbeitung der Antragsunterlagen befasst (HA, 09.10.01). Damit kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wenn man

  • in den Geschäftsbüchern der Gesellschaft die Ausgaben reduziert, in dem man die Personalkosten weiter über den Haushalt der Bezirksregierung laufen lässt,
  • die sich bietenden Synergieeffekte ausnutzt, indem man die staatlichen Planer mit der Doppelfunktion beauftragt, die Antragsunterlagen für das Planverfahren zu erstellen und sie mit einem amtlichen Genehmigungsstempel zu versehen – also Antragserstellung und Antragsprüfung in einem selbstreferenziellen Arbeitsgang zu erledigen.

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