Fremdenlegion
Mai 211990
 

Kolonialwaren im Paket

Freizeit fordert zum „Wochenende an der Jade“ Verstärkung von der Fremdenlegion

(ub/noa) Auch in diesem Jahr wird das „Wochenende an der Jade“ vom Militär beherrscht. Es kommen Soldaten aus Holland, Dänemark, Großbritannien und Frankreich zu uns. Sie werden harmlos auftreten, Musik machen – aber es sind Soldaten, die für ihr Handwerk werben.

Zeichnung: Erwin Fiege

Zeichnung: Erwin Fiege

Man sollte annehmen, daß in einer Zeit allgemeiner Abrüstung selbst in einer vom Militär so geprägten Stadt wie Wilhelmshaven ein solches Volksfest einen zivilen Charakter bekommen würde, aber weit gefehlt! In diesem Jahr kommen sogar ganz besondere Soldaten, nämlich 120 Fremdenlegionäre.
Bei der Beschlußfassung über das Festprogramm stimmten alle Aufsichtsratsmitglieder der Freizeit GmbH mit Ausnahme des Vertreters der Gruppe Grüne/Frauenliste dem französischen Angebot, das den Auftritt einer Kapelle der Fremdenlegion beinhaltet, zu. Bei den CDU-Mitgliedern ist das wohl nicht weiter verwunderlich, aber von den Sozialdemokraten hätte man etwas anderes erwartet.
Als jedoch auf der Unterbezirksvorstandssitzung der SPD am 3. April der Geschäftsführer der Freizeit GmbH, Rüdiger Kramp, behauptete, daß es sich um ein fertig geschnürtes „Paket“ handele und man keine Teile des Inhalts ablehnen könne, daß Vichy außerdem angedroht habe, die Städtepartnerschaft mit Wilhelmshaven aufzukündigen, wenn die Legionäre ausgeladen würden, daß schließlich die Marine drohe, das Wochenende an der Jade platzen zu lassen, wenn die Legionäre nicht auftreten dürften – da kuschte auch die SPD.
Dazu ein SPD-Ratsherr: „Das wird der Stadt noch einige Probleme bringen. Auch Sozialdemokraten werden sich am Protest gegen das Auftreten der Legionskapelle beteiligen. Die Argumentation, man könne den Verantwortlichen in Frankreich nicht vorschreiben, welche Einheit sie letztendlich zum Wochenende an der Jade schicken, ist nicht stichhaltig. Man stelle sich nur einmal den Sturm der Entrüstung vor, wenn von deutscher Seite zu einer ähnlichen Veranstaltung beispielsweise in Vichy die Wiking-Jugend oder eine Organisation ehemaliger SS-Angehöriger geschickt würde!“
Ein Versuch, den Auftritt der Legionäre mit juristischen Mitteln zu verhindern, scheiterte: Die Staatsanwaltschaft lehnte die Annahme einer Anzeige gegen Rüdiger Kramp ab. Das Werben für die Fremdenlegion ist in der BRD verboten. Der Staatsanwalt allerdings mochte das Auftreten einer Musiktruppe der Fremdenlegion nicht als Werbung sehen.
Erste Reaktion auf den inzwischen eingesetzten Protest – DGB, Grüne, Frauenliste, Antifa-Bündnis und viele Einzelpersonen haben ein unmißverständliches Votum gegen den Besuch der Söldnertruppe formuliert – war ein Verschleierungsmanöver der Freizeit GmbH: In der Ankündigung des Festprogramms in der WZ tauchte statt des Wortes „Fremdenlegion“ das französische Wort „Légion étrangère“ auf – wohl im Vertrauen darauf, daß nicht allzu viele Wilhelmshavener der französischen Sprache mächtig sind.
Es hat wenig genützt. Der Skandal ist schon über Wilhelmshaven hinaus bekannt. Die überregionale Presse hat schon darüber berichtet.
Der Initiativkreis „Radikale Linke“ hat einen Vorschlag für ein Protest-Flugblatt formuliert und an alle fortschrittlichen Organisationen verschickt, mit der Aufforderung, es mitzutragen. Sollte es trotz breiten Protestes nicht gelingen, die Stadt zum Ausladen der Fremdenlegionstruppe zu zwingen, ist damit zu rechnen, dass dieser Auftritt massiv gestört wird.

1831 wurde die Fremdenlegion auf Anordnung des Königs Louis Philippe zum Zwecke der Eroberung Algeriens gegründet. Die Legion, von Anfang an ein Instrument der Kolonialpolitik, half über all mit, das französische Weltreich zu begründen und zu sichern. Sie wurde eingesetzt:

  • 1855 im Krimkrieg
  • 1859 in Italien
  • 1863 auf Befehl Napoleons III. in Mexiko
  • 1870/71 im Deutsch-Französischen Krieg
  • 1918-39 in Marokko
  • 1942 in Libyen
  • 1945-54 in Vietnam
  • 1954 in Algerien
  • 1962-70 im Tschad
  • 1978 in Zaire
  • 1 981 in Guayana
  • 1985 im Libanon

Allen französischen Regierungen war es wichtig, daß bei ihren kolonialen Abenteuern kein französisches Blut vergossen wurde. Die Fremdenlegion setzt sich aus Männern aus aller Herren Länder zusammen. Der Anteil deutscher Legionäre war immer besonders hoch. Nach dem 2. Weltkrieg fanden SS-Leute und Nazi-Offiziere in der Legion Unterschlupf und entgingen so ihrer Bestrafung als Kriegsverbrecher.


DEMONSTRATION

gegen den Auftritt der
Fremdenlegion am 16.6.90 um 11 Uhr
voraussichtlich ab
Börsenplatz (Plakate beachten)


 

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