Agnes Miegel
Dez 122007
 

Zu viel der Ehre?

Wer entscheidet über die Namen unserer Schulen?

Johann Janssen, Ratsherr der LAW im Wilhelmshavener Stadtrat, fragt sich, ob Agnes Miegels Nähe zum Nationalsozialismus und ihre in einigen ihrer Werke zu Tage tretende Hitlerverehrung mit der Namensgebung für eine Wilhelmshavener Schule vereinbar ist.


Auf der Ratssitzung am 28. November stellte er den folgenden Antrag:
Der Verwaltung wird aufgetragen zu prüfen, in welcher Weise Agnes Miegel mit dem Nationalsozialismus paktiert hat.

Wer war Agnes Miegel?

Während im Mai 1933 die Literatur im Geiste der Aufklärung auf den Scheiterhaufen des nationalsozialistischen Ungeistes landete und ihre Literaten aus der Akademie der Künste vertrieben wurden, wird Agnes Miegel als Senatorin in diese Akademie berufen. Sie verfasste zahlreiche Werke im nationalsozialistischen Geiste.
Allein drei Gedichte sind Adolf Hitler gewidmet, so z.B.:

Dem Führer! (1936)

Gab den Söhnen
wieder aus vergessenem Väterhorte
in die Hand den Spaten und das Schwert!

Und er lehrte dich, o Volk, erkennen:
Du bist aller Zukunft Herz und Pfand!
Wenn aus Deinem First die Flammen steigen,
wird des weißen Mannes Welt entbrennen,
wenn sich deine Sonnenfahnen neigen,
sinkt die Nacht über das Abendland! –

Lass in Deine Hand,
Führer! Uns vor aller Welt bekennen:
Du und wir, nie mehr zu trennen,
stehen ein für unser Vaterland!

und „An den Führer“ (1938) und „Dem Schirmer des Volkes“ (1939). Weitere Werke sind die chorische Dichtung „Memelland“ (1935), eine Kantate zum Muttertag (1937), das Gedicht „Danzig“, in dem Agnes Miegel die „Heimholung“ ehemals deutscher Gebiete begrüßte (1939), die Hymne „An die Reichsfrauenführerin Scholtz-Klink“ und die Erzählung „Besuch bei Margret“ (1943), die von wissenschaftlicher Seite der Kategorie „Rassezüchtung, Vererbungslehre und Rassismus“ zugeordnet wird. Für ihr „Schaffen“ wurde sie im Dritten Reich mit unzähligen Preisen geehrt. So erhielt sie die Wartburg-Rose (1933), den Herder-Preis (1935), den Goethe-Preis (auf besondere Fürsprache von Joseph Goebbels), den Ehrenring des „allgemeinen deutschen Sprachvereins“ (1935) und das Ehrenzeichen der Hitlerjugend (1939). 1936 stiftete die NS-Kulturgemeinde eine Agnes-Miegel-Plakette, von der Agnes Miegel selbst die erste erhielt. Wie zum Dank trat sie 1940 der NSDAP bei.
Agnes Miegel hat sich nach dem Krieg nie von ihrer Vergangenheit distanziert. Im Gegenteil: Sie stärkte die extreme Rechte. So verfasste sie „Exklusivbeiträge“ für die Zeitschrift „Nation Europa“, die von dem ehemaligen SS-Hauptsturmführer und Chef der „Bandenbekämpfung“ im Führerhauptquartier Arthur Ehrhardt 1951 gegründet wurde. Die Zeitschrift entwickelte sich rasch zu einer der wichtigsten „ideenpolitischen“ Schaltzentralen des Neofaschismus. (Quelle: Hertener Lagerzeitung: Schlegel und Eisen, 2006, das Gedicht stammt aus „Werden und Werk“ , Leipzig 1938)
Auf der Web-Seite der Wilhelmshavener Agnes-Miegel-Schule (http://ams-whv.de) wird das 3. Reich einfach ausgeblendet, Hitler fand nicht statt:
Miegel„ … Als sie in den zwanziger Jahren als Redakteurin an einer Königsberger Zeitung arbeitete, wandte sie sich auch der erzählenden Dichtung zu und schuf im Bereich der Prosa gleichfalls bedeutende Erzählungen und Novellen. Agnes Miegel schöpfte oft aus der Natur, der Landschaft und der Geschichte ihrer Heimat Ostpreußen, doch ihre Dichtungen gehen – auch thematisch – weit darüber hinaus und sind in vielen europäischen Kulturbereichen angesiedelt. 1924 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der Königsberger Universität verliehen. Daneben erhielt sie mehrere Literaturpreise, 1911 bereits den Literaturpreis des Schillerbundes.
Als zu Ende des letzten Krieges russische Truppen vor Königsberg standen, mußte sie am 27. Februar 1945 die Stadt und ihre Heimat verlassen. Ihre Flucht führte sie über die Ostsee nach Dänemark, wo sie bis zum Oktober 1946 in einem Flüchtlingslager ausharren mußte, ehe sie nach Deutschland ausreisen durfte, wo sie in Niedersachsen Aufnahme fand. Von 1948 an lebte sie in Bad Nenndorf, wo sie die siebenbändige Gesamtausgabe ihrer Werke erarbeiten und weitere Dichtungen herausgeben konnte. Agnes Miegel starb im Alter von 85 Jahren am 26. Oktober 1964 in Bad Salzuflen. Sie ruht auf dem Bergfriedhof der Gemeinde Bad Nenndorf, deren Ehrenbürgerin sie war.“
Da werden in altdeutschem Geschichtsverständnis einfach ein paar Jahre ausgeblendet – sonst könnten ja wohlmöglich ein Schüler, eine Schülerin oder aufmerksame Eltern mal nachfragen.
Wir wollen nicht verschweigen, dass es auch viele sehr gute Werke von Agnes Miegel gibt; auch ihre Aktivitäten und ihre Arbeiten zu und über ihre ostpreußische Heimat nach dem 2. Weltkrieg sind nicht zu beanstanden und ihre beschriebene Sehnsucht nach der Heimat durchaus verständlich. Doch ihr Wirken während des Faschismus kann nicht als einfacher Fehler angesehen werden – und wer 1940, also nach Kriegsbeginn, noch in die NSDAP eintritt, wird einen solchen Schritt durchaus bewusst gegangen sein.
Es erübrigt sich beinahe zu erwähnen, dass der Antrag von Johann Janssen abgelehnt wurde. Die Ratsvertreter wanden sich aus der Verantwortung, indem sie die Lehrer und Schüler der Agnes-Miegel-Schule aufforderten, sich doch einmal mit der Namensgeberin auseinanderzusetzen. Wo bleibt da die politische Verantwortung?

 

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