Wilhelmshavener helfen
Mrz 012001
 

Es geht bergauf

Neue Impulse sind deutlich spürbar

(iz) Seit drei Jahren betreibt der gemeinnützige Verein „Wilhelmshavener helfen“ in der Rheinstraße 98 ein Second-Hand-Kaufhaus für Kleidung, Möbel, Hausrat, Bücher und mehr. Bei aller Achtung vor dem ehrenamtlichen Engagement konnten sich viele mit dem „Plünnenladen“, der immer etwas chaotisch und überladen wirkte, nicht so recht anfreunden. Doch seit ein paar Monaten hat man schon von außen den Eindruck, als hätte sich da was zum Positiven verändert. Der GEGENWIND hat mal hineingeschaut.

Die äußerlich sichtbaren Veränderungen gehen mit einem Wechsel im Vorstand und damit des Konzeptes einher. Auf der Jahreshauptversammlung des Vereins am 11. Juli 2000 wurde Hildegard Korell als 1. Vorsitzende gewählt, als Stellvertreter Wolfgang Albrecht.
Der Verein nimmt Sachspenden wie gebrauchte Kleidung, Hausrat, Bücher und Möbel entgegen, die dann aufgearbeitet und günstig verkauft werden. Manche SpenderInnen verwechseln diese umwelt- und sozialverträgliche Nachnutzung gebrauchter Gegenstände mit kostenloser Müllentsorgung, sei es vorsätzlich, sei es mangels Fingerspitzengefühl, was sie bedürftigen Mitmenschen da zumuten wollen. Auch für die MitarbeiterInnen der Sammelstelle ist es nicht leicht, auf die Schnelle die Qualität des Angebotes zu prüfen und im Zweifelsfall eine in der Regel gut gemeinte Spende zurückzuweisen. So hatten sich über die Jahre im Laden Unmengen von unverkäuflichem Gerümpel angesammelt.
Unter dem neuen Vorstand wurden die Räume entrümpelt und renoviert und die Preise gesenkt. Als „Fair-Markt“ bekam das Kaufhaus zum neuen Gesicht auch einen richtigen Namen. Seitdem gibt es viele positive Rückmeldungen von Kunden, die jetzt neu oder wieder in den Laden kommen. Auch die Zahl der Vereinsmitglieder, die das Projekt finanziell und durch Mitarbeit unterstützen, hat sich seit der „Wende“ von 19 auf 42 mehr als verdoppelt.
Damit das Angebot für Kunden wie Mitarbeiter noch übersichtlicher wird, kommt ab dem 21.2.2001 ein gesondertes Möbellager hinzu, so dass bislang weggestaute Gegenstände aufgebaut und somit sichtbar gemacht werden. Hierfür konnten Räumlichkeiten im Textilhof in der Ulmenstraße, gegenüber vom BKA, angemietet werden.
Eine weitere Priorität liegt in der Beschaffung eines Transportfahrzeuges zur Abholung bzw. Anlieferung größerer Gegenstände. Ein Wilhelmshavener Betrieb hat ein kostenloses Gebrauchtfahrzeug in Aussicht gestellt. Unklar ist noch, wie die monatlichen Betriebskosten von mehreren hundert Mark für einen Kleinlaster aufgebracht werden sollen. Wünschenswert wäre die Kooperation mit einem anderen Verein, der ein solches Fahrzeug betreibt. Zudem fehlt dem „Fair-Markt“ immer noch eine elektronische Registrierkasse. Hier gibt es wohl Spendenangebote hiesiger Firmen, jedoch lassen sich ältere Modelle nicht auf den Euro umstellen.
Die Vernetzung mit anderen Wilhelmshavener Vereinen ist ein wesentliches Anliegen des neuen Vorstands. Unter anderem besteht das Angebot, in einem Schaufenster des Fair-Marktes die Arbeit anderer Initiativen zu präsentieren. Diesbezüglich kamen bereits Kontakte zur „Schlüsselblume“ und zur Bürgerinitiative gegen Ausländerfeindlichkeit (BigAf) zustande. Weitere Kooperationen z. B. mit der „Wilhelmshavener Tafel“, dem Obdachlosenheim, dem „Wendepunkt“, dem Verein BKA (Beratung, Kommunikation und Arbeit) und dem Tauschring sind bereits vorhanden oder in Arbeit. Kontakte wurden auch zur städtischen Sperrmüllabfuhr geknüpft, denn was manche an den Straßenrand stellen, wäre für andere noch brauchbares Mobiliar.
Der „Fair-Markt“ ist der wesentliche, aber nicht der einzige Bestandteil der Vereinsarbeit. Der Verkauf bzw. der Erlös daraus kann und soll nicht Selbstzweck eines gemeinnützigen Vereins sein, sondern Basis für die Umsetzung der Ziele

  • Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen
  • Erziehung und Bildung sowie Resozialisierung
  • Förderung des Umweltschutzes
  • Schaffung von Arbeitsplätzen.

Derzeit sind vier Menschen, die auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt nicht oder schwer vermittelbar wären, beim Verein in Lohn und Brot. Alfred Berlinghoff ist als „gute Seele“ als ABM-Kraft angestellt. Daneben gibt es eine weitere ABM-Kraft, fest angestellt ist Frau von Parfönov, eine Stelle wird über SAM-Mittel finanziert (Struktur-Anpassungsmaßnahme, zu der neben dem Arbeitsamt auch das Land Niedersachsen Zuschüsse zahlt) und eine Stelle über die städtische Gesellschaft für Arbeit und Qualifikation (GAQ). Daneben leisten noch ehrenamtliche HelferInnen ihren Teil zum Gelingen des Projekts. In Zusammenarbeit mit der Gerichtshilfe wurde ermöglicht, dass Straftäter im Sinne der Resozialisierung gemeinnützige Arbeiten für den Verein leisten.
Ein wesentliches Novum der neuen Vereinsarbeit sind 14tägige Teamtreffs, an denen neben Vorstand und Mitarbeitern sämtliche Vereinsmitglieder teilnehmen und somit die Arbeit mitgestalten können. „Es gibt keine einsamen Entscheidungen des Vorstandes mehr“ so Hildegard Korell, „ sondern basisdemokratische Beschlüsse, die von allen mitgestaltet und mitgetragen werden.“
Der „Fairmarkt“ ist letztlich ein Spiegelbild dieser positiven Veränderungen. Ein Streifzug durch das beeindruckende Angebot auf 500 m2 Fläche lohnt sich allemal – nicht nur für Menschen mit schmalem Geldbeutel, sondern auch für alle, denen Modediktate, Konsumzwang und Wegwerfmentalität zuwider sind. ?

Hildegard Korell ist vielen WilhelmshavenerInnen noch in guter Erinnerung durch ihre Mitarbeit bei der „Frauenliste“, die (von Juli 1986 bis Oktober 1996) als kleine, aber feine lokale Partei frischen Wind ins Stadtgeschehen brachte und (von September 1988 bis Oktober 1996) mit Monika Schwarz im Rat der Stadt vertreten war. Jetzt ist Frau Korell – neben ihrem eigentlichen Erwerbsberuf – fast jeden Nachmittag im „Fair-Markt“ des Vereins „Wilhelmshavener helfen“, um die Arbeit zu strukturieren und selbst mit Hand anzulegen, wobei die dort angebotenen Bücher ihr besonderes Steckenpferd sind. Neben Hildegard Korell ist auch ihr Mitstreiter Wolfgang Albrecht im Wilhelmshavener „Tauschring“ vertreten: eine wichtige Schnittstelle zur Vernetzung der beiden Vereine.

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