Hilfe für Verbrechensopfer
Der „Weiße Ring“ ist auch in Wilhelmshaven aktiv
(noa) Viele denken beim Stichwort „Weißer Ring“ unwillkürlich an Ede Zimmermann und seine TV-Verbrecherjagd. Dabei geht es den vielen ehrenamtlichen MitarbeiterInnen dieser bundesweit tätigen Organisation ganz und gar nicht darum, Rache zu üben oder „Räuber und Gendarm“ zu spielen.
In der Außenstelle Wilhelmshaven arbeiten zwei Frauen und ein Mann im Dienst von Menschen, die einer Straftat zum Opfer gefallen sind. Ihre Tätigkeit fordert neben Kenntnissen in juristischen Fragen vor allem viel Einfühlungsvermögen.
Wenn jemand sich an den Weißen Ring um Hilfe wendet, bekommt er/sie außer einem Erstgespräch gleich einen Beratungsscheck für einen Rechtsanwalt. Je nachdem, was die betreffende Person erlitten hat, empfiehlt der Weiße Ring einen Anwalt bzw. eine Anwältin – im Falle einer Vergewaltigung ist es z.B. besonders wichtig, dass die Frau nicht ausgerechnet an einen Anwalt gerät, der (heimlich oder offen) der Meinung ist, Frauen bräuchten das. In einer in sämtlichen gynäkologischen Praxen ausgelegten Informationsmappe empfiehlt der Weiße Ring einen Besuch bei einer Anwältin.
„Wenn die Frau, die Opfer einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung geworden ist, zur Strafanzeige schon entschlossen ist, empfehlen wir, die Anwältin gleich mit zur Polizei zu nehmen. Die Frau muss dann ihr Erlebnis nicht mehrere Male – uns, der Anwältin und der Polizei – hintereinander erzählen. Es ist immer noch schlimm genug für sie, aber so wird es ein bisschen leichter“, erläutert Wolfgang Klemenz, Leiter der WR-Außenstelle Wilhelmshaven, dem GEGENWIND.
Es fällt auf, dass im vergangenen Jahr jeder dritte Fall, mit dem der Weiße Ring in Wilhelmshaven befasst war, aus einer Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung resultierte. Opfer von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung haben Hilfe und Beratung aber auch besonders dringend nötig. Viele wissen z.B. nicht, dass sie darauf bestehen können – und sollten – mit einer weiblichen Polizeibeamtin zu sprechen. Viele haben keine Vorstellung davon, wie die Gerichtsverhandlung gegen den Täter abläuft. Auch hier hilft die Beraterin des Weißen Rings. Die Verhandlung wird vorab Schritt für Schritt durchgesprochen, und die Begleitung zur Verhandlung ist auf Wunsch des Opfers ebenfalls Teil der Hilfe. Nicht alle Opfer von Straftaten entscheiden sich dazu, Anzeige zu erstatten. Davon ist das Hilfsangebot allerdings völlig unabhängig.
Auf lokaler Ebene ist die Tätigkeit des Weißen Rings sehr individuell. Dem kleinen Mädchen, das im vergangenen Jahr auf dem Schulweg vergewaltigt wurde, finanzierte die Außenstelle einen Ferienaufenthalt, damit es ein wenig Abstand gewinnen konnte.
Bundesweit ist die Organisation auch politisch aktiv. Dabei geht es ihr um „Waffengleichheit“ zwischen Täter und Opfer. „Als Angeklagter hat man das Recht auf Verteidigung und bekommt, wenn man keinen Anwalt bezahlen kann, einen Pflichtver- teidiger. Das Opfer kann im Gerichtsverfahren zunächst lediglich als Zeuge bzw. Zeugin auftreten“, erklärt Klemenz. In die Verhandlung eingreifen, z.B. Beweisanträge stellen, kann man nur als Nebenkläger/in, und bis zum letzten Jahr hieß das, man musste Anwaltskosten tragen. Erst 1998 wurde der „Opferanwalt“ eingeführt – nach Klemenz‘ Meinung allerdings ist die Neuregelung noch nicht ausreichend, da die Kosten für den Anwalt eines Verbrechensopfers nur bei schweren Straftaten vom Staat getragen werden. Stolz ist der Weiße Ring auch darauf, dass endlich die zivilrechtlichen Ansprüche von Opfern aus Geldsummen, die Täter durch die Vermarktung ihrer Story in den Medien erwerben, befriedigt werden; das Opferanspruchssicherungsgesetz aus 1998 ist einer der rechtspolitischen Erfolge der Organisation. Ein weiterer ist die Neuregelung des Zeugenschutzgesetzes, das nun die Videovernehmung von jugendlichen Zeugen als Soll-Vorschrift vorsieht. In Wilhelmshaven scheitert, so berichtet Klemenz, die Anwendung dieser Bestimmung noch an Geldmangel: Unser Amtsgericht kann sich die erforderliche Technik nicht leisten.
Die Frage, ob er oder sein Verein auch schärfere Strafgesetze anstreben, verneint Klemenz, und er fügt hinzu: „Das wollen auch die Menschen, die wir beraten und denen wir helfen, nicht. Wenn die Opfer sich zur Strafanzeige entscheiden, dann in den meisten Fällen, weil sie dazu beitragen wollen, dass andere nicht etwas Ähnliches erleiden müssen.“
Knapp 120 zahlende Mitglieder hat die Außenstelle des Weißen Ringes in Wilhelmshaven, und das Beitrags- und Spendenauf- kommen vor Ort allein reicht nicht, um die Hilfe, die hier geleistet wird, zu finanzieren; die Zentrale des Verbandes in Mainz schießt Geld zu. Mitglieder und SpenderInnen sind deshalb höchst willkommen.
Die Außenstelle Wilhelmshaven des Weißen Ringes ist unter 04461 / 892020 telefonisch zu erreichen.
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