Ausrüstung für eine ganze Kompanie
Das Ausmaß der Verseuchung um das Wasserwerk Horsten kommt Stück für Stück ans Tageslicht.
(hk/hw) Die Stadtwerke Wilhelmshaven geraten zunehmend unter Druck. Schon die nächsten Analysen von Rein- und Rohwasser aus Kleinhorsten können das Aus für die Trinkwasserförderung aus diesem Gebiet bedeuten. Alte und neue Dokumente, die dem Gegenwind vorliegen, werfen weitere Fragen auf.
Auf dem sprengstoffverseuchten Gelände des ehemaligen Militärflugplatzes in Kleinhorsten hätte nie ein Wasserwerk gebaut werden dürfen. Daß ein Aufschrei der Bevölkerung des Gebietes damals unterblieb, ist aus heutiger Sicht durchaus verständlich, denn erst in den 70er Jahren entwickelte sich so etwas wie ein Umweltbewußtsein, in dessen Folge auch komplexe Zusammenhänge für alle deutlich wurden. Allerdings wußten bereits 1960 Wissenschaftler und Behörden durchaus die Gefährlichkeit eines solchen Vorhabens einzuschätzen. Dem Gegenwind liegt ein Dokument des Gesundheitsamtes Wittmund vom 24. November 1960 vor, das dies beweist. Um von Brauchwasser- auf Trinkwasserförderung umzustellen, war eine amtsärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung notwendig, die zwar erteilt wurde, aber mit relevanten Auflagen versehen war. So heißt es unter Punkt 5:
„Die in der Schutzzone des Wasserwerkes Kleinhorsten liegende, unmittelbar an das Wasserwerkgelände grenzende große mit Wasser gefüllte Kiesgrube muß vorsorglich auf versenkte Munition, Kanister usw. untersucht und entsprechend geräumt werden. Über das Ergebnis der in dieser Hinsicht durchgeführten Maßnahmen bittet das Gesundheitsamt Wittmund um Mitteilung. So wird ausdrücklich hingewiesen auf die Ziffer 3.13 DIN 2000 vom Mai 1959 (Leitsätze für zentrale Trinkwasserversorgung)“
Diese amtlichen Auflagen sind offensichtlich nicht erfüllt würden, denn wie ist es sonst möglich, daß die Kampfmittelbeseitigung der Bezirksregierung Hannover mit Schreiben vom 17.5.1996 im alten Teil des Baggersees am Wasserwerk Kleinhorsten auf einem Quadrat von nur 20 X 20 m (Fläche 1 auf der Zeichnung) folgende Funde machen konnte, die zur Ausrüstung einer ganzen Kompanie ausreichen:
ca. 400 Schuß 2cm, aufgeteilt in
200 Schuß – Panzer/Brand (Phosphorbehälter)
100 Schuß -M-Geschosse z. T. offen
100 Schuß – Spg. mit z. T. freiliegenden
Zdr. (Zünder)
ca. 80 kg Infantriemunition 7,62 mm
z. T. gegurtet
– div. Zünder
– 7 Schützenminen
– 1 SD 1 angesprengt
– 1 7,5 cm Spg. Granate angesprengt
– 25 deutsche Bombenzünder
– 20 Zünder SD 1
– 4 Granatzünder S 30
– Zdr. für 3,7 cm Geschosse
– ca. 60 kg angesprengte Mun. Teile
– 3 Trommeln für 2 cm Geschosse.
Wer die Größe des Sees kennt, kann sich leicht vorstellen, welche Mengen an Munition da noch zutage gefördert würden, obwohl nicht alle Teile des Sees so. stark betroffen sein dürften.
Die im Auftrag der Stadtwerke vom Fraunhofer-Institut durchgeführten Untersuchungen (Beprobung vom November 1996) ergaben für die verschiedenen Brunnen und Vorfeldmeßstellen recht unterschiedliche Werte. Waren die Hexogen-Werte (Sprengstoff, ein für Menschen sehr giftiger Stoff, der im Tierversuch eine reproduktionstoxische Wirkung zeigte) in einigen Brunnen kleiner als 0,16 µg pro Liter, stieg dieser Wert an anderen Stellen um das 50fache auf 8,11
µg/l. Die Tatsache, dass der Boden dort nur aus Sand besteht, macht dieses Zahlenspiel zur Gefährdung. Durch die Durchlässigkeit des Sandes können die Schadstoffe in kürzester Zeit in die Förderbrunnen und damit in unser Trinkwasser gelangen. Wenn es dann auch noch 2-3 Monate dauert, bis die Untersuchungsergebnisse vorliegen (die Dezember-Ergebnisse liegen heute noch nicht vor), wird die Sache gefährlich, wird zum leichtfertigen Spiel mit der Gesundheit der Menschen.
Südlich der Kiesgrube betreibt die Fa. Figdor Sandabbau. Schon häufig war der Saugbagger durch Munitionsteile verstopft, und es ist bislang unklar, wohin der möglicherweise mit sprengstofftypischen Verbindungen verseuchte Sand geliefert wird. Schlimmstenfalls gelangen die Schadstoffe über diesen Weg auf Spielplätze, in den Straßenbau o.ä. Es muß die Frage erlaubt sein, ob hier möglicherweise auf elegante Art Abfallbeseitigung betrieben wird.
Auf den Weiden direkt neben den Trinkwasserbrunnen wird das Vieh mit dem Wasser aus den Gräben, aber auch aus schnell in den Grund geschlagenen Brunnen getränkt. Der Weg von der Kuh zum Menschen ist bekanntlich nicht sehr weit.
Die Situation ist den Verantwortlichen bestens bekannt – doch sie sind nicht in der Lage, etwas zu unternehmen. Die Oberfläche muß saniert werden – doch es fehlt an Geld. Durch gezielte Untersuchungen müssen die Hauptbelastungsflächen klar abgesteckt werden – doch es fehlt an Geld. Große Bereiche des Gebietes (mehrere Hektar) müssen bis in 3 Meter Tiefe abgetragen werden – würde es hierfür nicht an Geld fehlen, fehlt es an geeigneten sicheren Deponieflächen für solche Mengen.
So ist zu befürchten, daß wir auch weiterhin unser Wasser aus Horsten bekommen, die Bauern weiterhin im Unklaren darüber sind, mit was für einem Mix sie ihr Vieh tränken und der Sand aus den Abbauflächen wird auch in Zukunft schön in der Gegend verteilt.
Die Forderung nach Schließung des Wasserwerkes bleibt aktuell.
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