Gegenwind-Gespräch: Diers + Klöpper
Mrz 261997
 

Wir sprachen mit dem Redaktionsleiter von Radio Jade, Michael Diers, und mit dem zurückgetretenen Vorsitzenden Manfred Klöpper.

Wir werden nicht abhängig von den Sponsoren

Gegenwind: Was ist los bei Radio Jade? In einem Gespräch mit uns, als das WSA noch nicht im Gespräch war, sagtest du: ,Die Tendenz geht eindeutig Richtung TCN. Die dort vorhandenen Räumlichkeiten bieten sich mehr an als die anderen Alternativen, die wir ins Auge gefaßt haben. Das TCN liegt zentral, ist stark nach Wilhelmshaven orientiert, liegt aber in Friesland.’ Warum plötzlich dieser letztendlich zur Spaltung führende Meinungswechsel?
Michael Diers: Das, was jetzt passiert ist, ist nicht gut. Die Sachen, die Manfred Klöpper auf der Mitgliederversammlung vorgebracht hat – das waren alles Vermutungen, Gefühle; Sachen die man nicht greifen kann. Ich habe immer einen Standort in der Stadt favorisiert. Die meisten Leute von Radio Jade stammen aus Wilhelmshaven. Wir wollten Wilhelmshaven, weil wir hier besser Radio machen können. Ein Studio mitten in der Stadt ist doch besser, als ein Studio hinter Zäunen im TCN! Hier sind wir dichter an den Menschen, dichter an unseren freien Mitarbeitern.

Gegenwind: Aber an einer solchen Frage zerbricht doch ein Verein nicht. Ging es nicht eher darum, daß die zurückgetretenen Vorstandsmitglieder befürchteten, daß die Finanzierung der WSA-Räumlichkeit etwas dubios sei, daß sich Radio Jade da in nicht gewünschte Abhängigkeiten begibt? Dass Radio Jade sich an einen Tropf hängen läßt, der jederzeit zugedreht werden kann?
Michael Diers: Es handelt sich hierbei doch um einmalige Zahlungen – dadurch werden wir doch nicht abhängig. Die Leute, die den Umbau finanzieren wollen, da gibt es niemanden, der uns einverleiben will – das seh ich nicht.

Gegenwind: Wer will denn den Umbau finanzieren?
Michael Diers: Ich kann keine Namen nennen. Die höhere Miete im WSA will Bolko Seifert übernehmen.

Gegenwind: Radio Jade hatte ja auch schon vor dem Eklat einen Großspender: Bolko Seifert. Und alle dachten, daß es toll ist, daß Bolko da mitmacht. Doch als es um die Frage ging, wo der Sender sein Studio hat, zeigt Bolko Seifert, daß er nicht nur Radio machen will- er will auch seine Vorstellungen durchsetzen. Also macht er Mitgliederwerbung. Mitgliederwerbung in einer Form, die nichts mit dem Radio zu tun hat. Er schreibt 300 Leute an, fordert diese auf, Mitglied zu werden, damit Radio Jade ins WSA kommt. Ein Erfolg dieser Geschichte: Der Vorstand muß sich mit dem Aufnahmeantrag des Sprechers der Republikaner, Dieter Jochade, auseinandersetzen. Wenn Seifert in der Lage ist, Republikaner zum Eintritt aufzufordern, dann kann doch mit diesem Mann irgend etwas nicht stimmen.
Michael Diers: Die Aktion von Bolko Seifert fand ich auch nicht gerade glücklich – er hat u.a. einfach nur alle Ratsmitglieder angeschrieben – und da sind eben auch die Republikaner drin. Doch diese Sache ist ja inzwischen geklärt: Jochade wird nicht aufgenommen.

Gegenwind: Wie geht’s weiter mit Radio Jade?
Michael Diers: Die Lage ist kritisch, doch ich bin überzeugt, daß Radio Jade so laufen wird, wie wir es geplant haben. Ich habe nicht die Angst, daß wir unterwandert werden können. Ich hoffe, daß ich recht behalte. Wir müssen uns an unsere Ursprünge erinnern. Ich glaube, dann wird Radio Jade erfolgreich sein.

Gegenwind: 5 Leute des Vorstands sind zurückgetreten. Wann wird es Neuwahlen geben und wer wird dann im Vorstand sein?
Michael Diers: Die nächste Mitgliederversammlung wird spätestens in 3 Monaten und frühestens in vier Wochen stattfinden. Wir diskutieren natürlich, wer in diesem Vorstand sein könnte, wer Vorsitzender werden könnte – aber darüber kann ich jetzt noch nichts sagen. Wir hoffen auch, daß einige der zurückgetretenen Vorstandsmitglieder wieder bei uns mitmachen. Doch da müssen wir abwarten. Der Verlust der Gewerkschaften und der damit verbundenen Organisationen und Menschen ist für uns sehr schmerzlich. Wir müssen versuchen, diese Leute wieder für uns zu gewinnen.

Gespräch mit Manfred Klöpper

Spendenzahlungen an Bedingungen geknüpft

Gegenwind: Du bist mit weiteren 4 Vorstandsmitgliedern zurückgetreten, weil der Vorstandsbeschluß, das Radio im TCN anzusiedeln, von der MV gekippt wurde. Das kann doch nicht der eigentliche Grund sein.
Mafred Klöpper: Natürlich nicht. Nur an dieser Frage brach etwas auf. Ich halte das WSA auch für einen idealen Standort. Nur wie es letztendlich zu dieser Standortentscheidung kam, das kann ich nicht mittragen. Das ist mit meinem Verständnis von einem nichtkommerziellen Lokalfunk unvereinbar. Wenn jetzt klar wird, daß es im Radio Jade-Verein Leute gibt, die ihr Geld einsetzen, um bestimmte Forderungen durchzusetzen – so wie es jetzt mit der Standortentscheidung gelaufen ist, dann klingeln bei mir die Alarmglocken.

Gegenwind: Du sprichst von Bolko Seifert. Aber der war doch schon immer euer Großfinanzier. Was ist denn jetzt anders als vor einem Monat? .
Manfred Klöpper: Bis dahin handelte es sich um Spenden, die ohne jede Bedingung gewährt wurden. Vielleicht waren wir auch ein bißchen blauäugig, was Bolko Seiferts Engagement anging. Aber jetzt ist es so, daß Spenden gezahlt werden, um ein bestimmtes Ziel durchzusetzen. Um diese Abhängigkeit auszuschließen, hat der Vorstand sich für das TCN entschieden, obwohl wir, wie ich bereits vorhin sagte, das WSA für einen idealen Standort halten. Hier wird versucht, mit Geld und auch mit Köpfen, wie Bolko Seiferts Werbeaktion beweist, eine Veränderung des Radios zu betreiben.

Gegenwind: Überschätzt du die Aktion da nicht etwas?
Manfred Klöpper: Ich weiß es nicht. Es gibt dafür keine Beweise, das ist mehr ein. Gefühl: Wer in solchen Fragen schon versucht, Einfluß zu gewinnen – wie wird der denn in anderen Situationen reagieren? Und dieses Gefühl, diese Angst ist es, die mein und unser momentanes Handeln begründet.

Gegenwind: Und wie wird es weitergehen?
Manfred Klöpper: Auf der nächsten Mitgliederversammlung wird es einen Antrag geben, die Redakteure neu zu wählen. Denn mit diesen Redakteuren wird es kein Radio geben können, das die Aufgabe erfüllt, der monopolistischen Meinungsstruktur etwas entgegenzusetzen. Die Auseinandersetzung der letzten Wochen hat dieses eindeutig gezeigt – schaut mal ins E-Mail-Netz – da kommunizieren einige Leute miteinander zu Radio Jade. Da könnt ihr lesen, wie Mitglieder der Redaktion ihre Arbeit verstehen.

Gegenwind: Also habt ihr Radio Jade noch nicht aufgegeben – wollt doch noch weitermachen. Wie wollt ihr eure Vorstellungen angesichts der Mehrheitsverhältnisse durchsetzen?
Manfred Klöpper: Wir haben versäumt, die Leute als Mitglieder zu gewinnen, die ein Radio wollen, mit dem wir die Monopolstrukturen der Meinungsmacher hier aufbrechen können – so wie es politisch gedacht war. Nur aus diesem Grunde entstand ja dieses Gesetz, das Radio Jade möglich macht. Wir wollen ganz eindeutig ein politisches Radio – kein Lieschen-Müller-Radio. Die Leute, die jetzt zu mir sagen: „Wie konntest du einfach alles hinschmeißen?“ – die aber gleichzeitig nicht Mitglied bei Radio Jade sind, die gilt es als Mitglieder zu gewinnen.
Wer für Wilhelmshaven und Friesland ein Radio will, das gegen das Meinungsmonopol antritt, der sollte jetzt mitmachen. Wir brauchen dieses Radio – wir brauchen kein Radio, in dem Meinungen oder Entscheidungen käuflich erworben werden können – das darf nicht einmal im Ansatz möglich sein.

 

Kommentar:

Wir brauchen Radio Jade
Die Auseinandersetzung, die mit dem Rücktritt der 5 Vorstandsmitglieder ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, war nicht zu umgehen. Die Mitglieder von Radio Jade, und da sind wohl in erster Linie die Redakteure zu nennen, die sich daran setzten, den Vorstandsbeschluß für das TCN (der Beschluß war die Realisierung eines Auftrages der vorletzten Mitgliederversammlung) aus den Angeln zu heben, haben sicherlich nicht damit gerechnet, daß sie damit auch gleich den Vorstandaushebeln würden. Doch wenn man sich anschickt, die versumpfte Presselandschaft Wilhelmshavens trockenzulegen und endlich in Wilhelmshaven und Umgebung die Meinungsvielfalt Wirklichkeit werden zu lassen, dann darf man sich nicht auf solche Spielchen einlassen. Wer schon vor der ersten Sendeminute den Verdacht nährt, daß auch dieses Medium wieder nach der Pfeife tanzt, die in Wilhelmshaven schon seit Jahrzehnten den Ton angibt, der hat nicht verstanden, um welch hehres Gut es hier geht. Den Leuten, die wissen, um was es bei Radio Jade geht, blieb am 11. März nur der Rücktritt – sich auf das Jonglieren um die Finanzierung des WSA-Studios einzulassen, hätte auch sie in Wilhelmshavens Sumpf, in dem sich mit Geld alles regeln läßt, gezogen.
Der Gegenwind war immer ein Gegner der über Jahre auch gerade vom Vorstand geübten Zurückhaltung und Rücksichtsnahme auf alles und jeden. Dafür haben wir in der Vergangenheit viel Prügel von den Radiomachern bekommen. Das Ziel von Radio Jade wurde in der Vergangenheit doch nur schemenhaft deutlich, auch wenn die grundsätzlichen Eckpfeiler von Anfang an klar waren. Heute bekommt Radio Jade dafür die Quittung aus den eigenen Reihen.
Jetzt kann es eigentlich nur noch eines geben: Alle, die verhindern wollen, dass Radio Jade zu einem Sprachrohr des City-Interessen-Vereins, der Hafenmafia und letztendlich auch der der freien Meinungsbildung so abholden WZ wird, müssen durch ihre Mitgliedschaft und Mitarbeit bei Radio Jade Farbe bekennen; müssen dafür sorgen, daß Wilhelmshavens Presselandschaft endlich aus der dumpfen und dummen WZ-Hoheit herauskommt.
Die Chancen dafür sind noch nicht vertan. Die Entscheidungen werden von Köpfen gefällt und nicht von der Höhe des Mitgliedsbeitrages. Ein Gelingen von Radio Jade und die damit verbundene Erfüllung seiner Aufgaben ist in hohemMaße von den Redakteuren abhängig. Und diese müssen erkennen, daß Radio Jade hier eine politische Aufgabe zu erfüllen hat. Die Redakteure der WZ beweisen tagtäglich, daß ihnen diese Tatsache mehr als bewußt ist.

Hannes Klöpper

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