Substitution 2
Apr 151991
 

Gedämpfter Optimismus

Informationsveranstaltung zum Thema Drogen

(hh) Eine gut besuchte Informationsveranstaltung zum Thema: Substitution von Drogenkranken, am Sonntag, dem 7.April, fand ein zum Teil skeptisches, auf jeden Fall aber interessiertes Publikum vor. Woran liegt es, wenn beim Thema, Vergabe von Ersatzstoffen für Drogenabhängige, ein öffentlicher Sturm der Entrüstung losbricht und sich selbst wohlmeinende Kritiker nur sehr zögerlich der Problematik annehmen? Zu diesen und anderen Fragen hatten die Wilhelmshavener Aids-Hilfe und die Perspektive ,denen man bei dieser Gelegenheit ein großes Lob für ihren Mut aussprechen muß, Dr. Gorm Grimm eingeladen.

Der praktische Arzt, der auf eine 15jährige Erfahrung mit der Vergabe von Ersatzmedikamenten für Drogenkranke zurückblicken kann, führt dies vor allem auf fehlende Informationen zurück. Die offizielle Drogenpolitik, die auf Zwang, Abschreckung und Strafe beruhe, sei nur sehr schwer zu verändern. Im Gegensatz zu Ländern wie: USA, Kanada, Großbritannien, Holland, die Schweiz, Belgien, sowie fünf weiteren europäischen Staaten, die teilweise seit den 60er Jahren Substitutionsprogramme für Drogenkranke durchführten, beharre man bei uns ausschließlich auf Abstinenz. Ein Beschluß des Deutschen Ärztetages von 1928, der ausschließlich den stationären Entzug festlegte, stellte damals Weichen, die bis heute eher noch verstärkt wurden. Kaum zu verstehen, wenn man bedenkt, wie gering die Erfolge der herkömmlichen Drogenpolitik sind.

Was bedeutet nun Substitution?

Nach Dr. Grimm ist es „…das Wiederlernen eines kontrollierten Konsums der gewünschten euphorisierenden Substanz unter der ständigen Einnahme eines Psychopharmakons (Methadon oder Codein)“ (*) Er vergleicht seine Therapie mit ‚Spiegeltrinken‘, das heißt, ein bestimmtes Niveau aufrechtzuerhalten.
Der in Kiel lebende Arzt und seine bundesweit 200 bis300 Kollegen, die ähnliche Ziele verfolgen, können außerordentlich gute Erfolge aufweisen. Der körperliche Zustand der Patienten verbessert sich enorm, ein Großteil geht wieder einer Arbeit nach; die Patienten müssen nicht mehr kriminell werden und eine Infizierung mit Aids ist nur in wenigen Fällen zu beobachten. Während bei konventionellen Therapien, also Entzug, die Rückfallquote bei ca.50% liegt, werden nach der ‚Grimmschen Methode‘ nur zwischen 5 und 30% rückfällig.
Warum also nicht den Erfolg akzeptieren und zulassen, dass Drogenkranke unter medikamentöser Behandlung ein fast normales Leben führen können? Warum werden hier die Menschen „am Göttlichen gemessen“, wie es ein Diskussionsteilnehmer ausdrückte, wenn andererseits nahezu jeder Mensch bestimmte ‚Drogen’ wie Alkohol, Zigaretten, Kaffee und Tee konsumiert. Tatsächlich sei, so Grimm, jedes Opiat in reiner Form bei richtiger Dosierung ungefährlich und schädige die Organe kaum, im Gegensatz zum starken Zellgift Alkohol.
Einige Diskussionsteilnehmer, die einem Elternkreis Drogenabhängiger angehörten waren der Ansicht, es müsse ein Leidensdruck erzeugt werden, um die Süchtigen zu einer Therapie zu bewegen. Das widerspräche, so Dr. Grimm, eindeutig dem ärztlichen Ethos. Er zitierte dazu aus seinem Buch „Immer dann, wenn der erste ärztliche Auftrag – das Heilen – nicht erfüllbar ist, tritt der zweite – Leiden lindern – an dessen Stelle. Es ist zutiefst unärztlich, Leiden zu vermehren und dabei sogar Selbstmorde in Kauf zu nehmen.“ (*)
Warum nicht die Substitution als einen Weg neben anderen anerkennen. Dies erfordert einen Umdenkungsprozeß, bei dem einige Dogmen über Bord geworfen werden müssen.
Dr. Grimm, ein Arzt, dessen Arbeit von großer Menschenliebe geprägt wird, hat es nicht leicht. Er wird schon lange gerichtlich verfolgt, obwohl er bereits vor Jahren mit einer Feststellungsklage auf rechtlichem Gebiet Klarheit schaffen wollte. Dies wurde ihm verwehrt und die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Ergebnisse der Behandlungsmethode sind in unabhängigen wissenschaftlichen Untersuchungen gewürdigt worden. Einen Überblick über Ursachen, Hintergründe und Behandlungsmethoden bietet das folgende Buch:

(*) Dr. med. Gorm Grimm, Die Lösung des Drogenproblems, Flintbek 1985, Verlag Wolf Pflesser

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