Müllvermeidung
Apr 151991
 

Verordnete Müllberge

Muß Abfallvermeidung am Hygienerecht scheitern?

(iz) Unlängst wurde in der Südstadt eine neue Kneipe eröffnet. Erfreulich daran ist, dies sei am Rande bemerkt, daß hiermit der Trend des Schicki-Micki-Glas-Stahl-Zeitgeistes gebrochen wurde. Noch erfreulicher ist – besser: war – die Tatsache, daß der Betreiber im kulinarischen Bereich, sprich Frühstücksangebot; auf frische Lebensmittel zurückgreifen wollte …

… wenn dann nicht das Veterinäramt zwecks Abnahme aufgetaucht wäre. Und feststellte, daß der Traum von Frische, Qualität und Ästhetik im Nahrungsmittelbereich nun ein Ende haben müsse. Es geht um die Wurst: Eingeschweißter Aufschnitt müsse von nun an eingekauft werden, der bekanntermaßen mit diversen Konservierungsstoffen versetzt ist, in seinem Kondom fürchterlich vor sich hin schwitzt, allmählich, dessen Geschmack annimmt und sich schließlich durch diesen Verpackungsverbund aus Alu, Pappe, Papier und Folien auf der Deponie ein Denkmal setzt. Begründung: erst eine Küchengröße ab 15 m2 lasse die Verwendung frischer Lebensmittel zu. Der Betreiber wie der qualitäts- und umweltbewußte Kunde fragen sich, wo hier die hygienische und rechtliche Logik steckt – insbesondere vor dem Hintergrund des mordsmäßig aufgemachten Wilhelmshavener Abfallwirtschaftskonzeptes. Antwort gibt das Gaststättengesetz (Bundesrecht) bzw. die aufgrund dessen erlassene Durchführungsverordnung (Landesrecht). Im §8 (Küchen und Nebenräume), Absatz 1, können wir nachlesen: „Kochküchen müssen mindestens 15 qm Grundfläche haben.“ Was macht nun, bitteschön, eine „Kochküche“ aus? Eine Kaffeemaschine oder der elektrische Eierkocher?
Und wie läßt sich das Ganze mit dem neuesten Abfallrecht, mit oberster Priorität der Vermeidung von Abfällen, vereinen? Gar nicht, denn die gültigen Fassungen des Gaststättengesetzes wie auch der Verordnung stammen aus Zeiten, als man allenfalls anfing, sich Gedanken über eine gesetzliche Steuerung der Müllberge zu machen.
Überzogene hygienische Maßstäbe werden auch dann oft ins Feld geführt, wenn es sich die Gastronomen einfach nur bequem machen wollen. Daß die 2,5-Gramm Kunststoff-Alu-Kondensmilchpackungen hygienerechtlich vorgeschrieben seien, ist schlichtweg frei erfunden. Es genügt ausreichende Zwischenkühlung bzw. regelmäßige Reinigung von Mehrwegbehältern wie z.B. Milchspendern mit Schnappverschluß oder Zuckerstreuer.
In einer Stadt, in der Gastronomie und Beherbergungsgewerbe langfristig eine der sichersten wirtschaftlichen Grundlagen darstellen, mit regelmäßigem Abfallaufkommen bzw. Vermeidungspotential, sollte man sich schon eigene Gedanken zur Genehmigungspraxis machen. Die Verordnung (als höherstehendes Landesrecht) läßt es auch zu, den Einklang mit zeitgemäßem Bundesrecht wie kommunalem Satzungsrecht herzustellen. Wie heißt es doch in § 10 der Verordnung (Abweichung von den Mindestanforderungen):
„Von der Erfüllung einzelner … Mindestanforderungen kann abgewichen werden, …
1. bei Betrieben … deren Umfang durch … die Art der zugelassenen Getränke oder zubereiteten Speisen beschränkt ist, …
2. wenn Gründe des öffentlichen Interesses (Umweltschutz) die Abweichung erfordern…“.

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