Steuerflucht
Aug 161990
 

ICI steuert um

Die Stadt Wilhelmshaven ist der ICI keinen Pfennig wert!

(hk) Nicht nur durch die Schenkung des Kriegsschiffes „Deutschland“ (siehe „Deutschland geschenkt“) wird sich die finanzielle Situation der Stadt Wilhelmshaven in der nächsten Zeit verschlechtern. Wie eine Bombe schlug die Nachricht in der Stadtverwaltung ein, daß die ICI beabsichtigt, sich steuerlich aus Wilhelmshaven zurückzuziehen.

Nachdem der Wilhelmshavener Betrieb der ICI seit Produktionsaufnahme in diesem Jahr zum ersten Male schwarze Zahlen schrieb, nahm die Konzernleitung diese Tatsache wohl zum Anlaß, der Verwaltungsspitze der Stadt Wilhelmshaven mitzuteilen, daß sie in Zukunft ihre Steuern nicht mehr an die Stadt abführen will! Die ICI beabsichtigt zukünftig ihre Steuern entweder in einer Gemeinde mit einem niedrigeren Steuersatz oder gar in einem der vielen ausländischen Steuerparadiese zu entrichten.

gw_95_ici2Daß diese Nachricht wie eine Bombe in der Stadtverwaltung einschlug, läßt sich leicht nachvollziehen – handelt es sich bei der ICI doch um den größten Gewerbesteuerzahler der Stadt. Von der ICI kommen allein 1/3 aller Gewerbesteuereinnahmen. Zwar war die genaue Summe nicht in Erfahrung zu bringen – die Stadt muß aber wohl um die 10 Millionen pro Jahr in den Wind schreiben!
Es werden auch weiterhin ICI-Gelder in die Stadtkasse fließen, doch das wird nicht mehr als die gesetzlich vorgeschriebene Anstandssumme sein.
Entsprechende Befürchtungen gab es bereits bei Ansiedlung des Konzerns: Im Ansiedlungsvertrag wurde der ICI die Absichtserklärung abgerungen, daß die ICI „beabsichtigt“, ihre Steuern hier in Wilhelmshaven zu entrichten. Den vertragsschließenden Parteien waren wohl auch damals schon die großkonzernüblichen Praktiken bekannt, Steuer immer da zu bezahlen, wo es am billigsten ist.
Mit dieser Maßnahme zeigt die ICI, was es bedeutet, sich mit einem solchen Großkonzern einzulassen: Man läßt die Puppen tanzen! Vermutungen, daß es sich bei der ICI-Ankündigung nur um ein Druckmittel zur widerstandslosen Durchsetzung ihrer Expansionspläne handelt (ICI will die PVC Produktion von 180.000 auf 230.000 Tonnen pro Jahr erhöhen), sind da reine Spekulation: Dafür sind die Einflußmöglichkeiten der Stadt auf diese Planung viel zu gering.
Ein positiver Aspekt läßt sich bei der ganzen Sache wohl doch sehen: Wenn die Stadt sich nicht mehr in totaler finanzieller Abhängigkeit von der ICI befindet, wird vielleicht ja auch mal das ein oder andere, längst fällige, kritische Wort aus der Stadtverwaltung zu hören sein.
Nur, wie die Stadt Wilhelmshaven diesen erneuten Einnahmenrückgang wettmachen will – das steht in den Sternen. Eine vernünftige Strukturpolitik für die Stadt und die Region hat nun mal nichts mit blindem Vertrauen in einen Großkonzern zu tun.

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