Soziale Stadt
Jun 092004
 

Was sonst noch LOS ist

„Lokales Kapital für soziale Zwecke“ in der Sozialen Stadt

(noa) LOS ist ein Modellvorhaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Europäischen Sozialfonds. In diesem Programm geht es u.a. darum, lokale Kleinprojekte anzuregen, die im weitesten Sinne beschäftigungswirksam sind oder zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts in den ausgewählten Stadtteilen beitragen.

Nachdem wir in der letzten Gegenwind-Ausgabe fünf Projekte des LOS-Modells vorgestellt haben, in denen der Gesichtspunkt Beschäftigung/Qualifizierung im Vordergrund steht, beschäftigen wir uns heute mit drei Kleinprojekten, die wir als vorbildlich in Sachen Förderung des Zusammenhalts erachten.

Schreib- und Erzählwerkstatt

Ausländische und deutsche Frauen treffen sich dienstags ab 16.30 Uhr in den Räumen des Vereins zur internationalen Verständigung (Kurze Straße 17). Betreut und – wenn es mal nötig sein sollte – ermuntert von Petra Stromberg reden sie über ihr Leben in ihrem multikulturellen Stadtteil und schreiben ihre Geschichten auf. Es gibt keine verbindlichen Anmeldungen und keine Kontrolle der Anwesenheit, und so fluktuiert die Zahl der Teilnehmerinnen. „Zwei kommen immer, aber manchmal sind es auch acht Frauen“, berichtet Frau Stromberg. Sie hat Unterschiede bemerkt. So sind die deutschen Frauen eher bereit, eine Geschichte aufzuschreiben, als die türkischen, die durchaus gerne erzählen. Klar, das ist Multikulti: Im Mittelmeerraum und im Orient wird mehr erzählt, hier mehr geschrieben – wenn man bereit ist, die erzählte Geschichte einer anderen aufzuschreiben, dürfte das dem Ziel, ein Journal zu erstellen und damit die Geschichten anderen zugänglich zu machen, keinen Abbruch tun.
„Es kommen türkische Frauen her, die noch ganz traditionell leben, und auch solche, die leben wie Deutsche. Einmal kam es zum Konflikt: Eine ältere Frau kritisierte die jungen, weniger traditionell lebenden Frauen.“ (Stromberg) Auch das ist Multikulti, dass unterschiedliche Lebensstile aufeinanderprallen. Vielleicht wird diese Geschichte ja auch in dem zweisprachigen Journal nachzulesen sein, das bald fertig sein wird.

Nachbarschaftsvermittlung

Ebenfalls um Konflikte, wenn auch nicht notgedrungen interkultureller Art, geht es im Projekt „Grundausbildung in der Nachbarschaftsvermittlung“. Andrea Spahn, Mediatorin, und Antje Morgenstern, Familientherapeutin, unterrichten und trainieren eine Gruppe von acht Frauen im Konfliktmanagement. Anders als bei den meisten anderen Projekten, die bis heute offen sind und jederzeit neue TeilnehmerInnen aufnehmen können und wollen, ist diese Gruppe eine ziemlich „geschlossene Gesellschaft“. Das ist nötig, wenn ein Grundstock an Wissen vermittelt und ein Mindestmaß an Fertigkeit geübt werden soll. Und dafür ist auch ein hohes Maß an Verbindlichkeit nötig, so dass zu Beginn eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Teilnehmerinnen und den Kursleiterinnen über maximale Fehlzeiten geschlossen wurde.
Ein weiterer Unterschied zu den anderen Projekten: Als die erst anfingen, mit Flugblättern und Zeitungsartikeln Interessierte zu suchen, fand in diesem Projekt schon der erste Unterrichtsabend statt. Die Teilnehmerinnen fanden sich überraschend schnell auf Veranstaltungen im Stadtteil, aufgrund eines Artikels und in Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaften – oder vielleicht ist das doch nicht überraschend, denn wo kriegt man sonst eine berufsbegleitende Ausbildung, ohne dafür zahlen zu müssen?

FLUT – Was 1962 wirklich geschah…

So heißt das LOS-Projekt der Landesbühne. Hier bekamen aufmerksame WZ-Leser Ende März den Eindruck, es würde vielleicht gar nichts draus, denn da wurden per Artikel noch Darsteller gesucht – die Menschen, die sich schon gemeldet hatten, waren mehr an den Arbeiten „hinter der Bühne“ interessiert.
Das Besondere an diesem Theaterstück ist, dass es erst mit den TeilnehmerInnen im Lauf der Proben entstand. „Zu Probenbeginn tauchten mit den 30 Teilnehmern die Figuren des Stückes auf. Und sie brachten wahre und erfundene Geschichten von der Flut und den frühen 60er Jahren in Wilhelmshaven mit. Zusammen mit alten Zeitungsartikeln wuchs die Geschichte. Alltägliches aus den Tagen im Februar 1962 wurde dabei ebenso zum Ideengeber wie Konkretes über die Flut selbst.“ (Landesbühne)
Der Titel „Flut – was 1962 wirklich geschah…“ ist also keineswegs wörtlich zu nehmen! „Das daraus entstandene Stück ist somit keine Theaterfassung der tatsächlichen Ereignisse im Februar 1962, sondern eine mit historischen Versatzstücken durchwobene Geschichte, die vor allem von den Persönlichkeiten und Erfahrungen der Darsteller geprägt ist.“ (Landesbühne)
Wer weiß, vielleicht sind die erfundenen Geschichten der ProjektteilnehmerInnen doch wahrer als die historische Wirklichkeit!

„FLUT – Was 1962 wirklich geschah…“
wird (mindestens) dreimal aufgeführt:
Premiere ist am Samstag, 12.06.04 um 20.00 Uhr im Jungen Theater an der Rheinstraße.
Weitere Vorstellungen gibt es am Sonntag, 13.06.04 um 15.30 Uhr und um 20.00 Uhr, ebenfalls im Jungen Theater.
Eintrittspreise: 5,- EUR/ ermäßigt 3,- EUR (SchülerInnen, StudentInnen etc.)
Die Kasse öffnet eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn.

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