Busemann ist toll (findet Busemann)
Sehr von sich überzeugt präsentierte sich der Kultusminister in Wilhelmshaven
(noa) Am 13. Mai trat Bernd Busemann, CDU-Kultusminister des Landes Niedersachsen, auf einer Informationsveranstaltung des Stadtelternrates auf. Vor der Veranstaltung sprach er mit der „WZ“.
„Jetzt geht’s aus dem Pisa-Tal“, lobte der Minister seine Schulreform (WZ vom 14.05.04) in dem Pressegespräch. Dass wir dazu nicht auch eingeladen waren, lag bestimmt nicht daran, dass der Kultusminister den Gegenwind nicht kennen würde: Als Einleitung zu seiner Rede in der Aula des GaM (Gymnasium am Mühlenweg) hielt er ein Exemplar des Gegenwind hoch, zitierte unsere Überschrift „Buhmann Busemann“ und erzählte, er habe nachgeschlagen: „Buhmann“ heiße einerseits „Schreckgespenst“, andererseits „Prügelknabe“; er hoffe, dass er nicht das Schreckgespenst für die Eltern sei und der Prügelknabe des Finanzministers werde.
Danach war aber schon Schluss mit Spaß. Eine Stunde lang erläuterte Busemann die Schulreform und sagte all das noch einmal, was er auf der Sitzung des Landeselternrates schon gesagt hatte. Das steht im Gegenwind Nummer 198 auf Seite 7 schon genau und wird hier nicht wiederholt. Hier soll es darum gehen, Busemanns Denken unter die Lupe zu nehmen.
Der Wahlsieg der CDU im Februar 2003 war „ein deutliches Wählervotum“ für die Schulreform, sagt er. Soviel stimmt: Diejenigen, die es wissen wollten, konnten wissen, welche Schule sie wählen, wenn sie CDU wählen. Da aber die von der SPD-Regierung geplante Schulreform sich von dieser kaum unterschieden hätte, kann man aus dem Wahlergebnis nicht unbedingt ableiten, dass alle begeistert sind über das, was jetzt aus Niedersachsens Schulwesen wird. Einen weiteren „Beweis“ für die „breite Zustimmung“ zu seiner Reform sieht Busemann darin, dass in ganz Niedersachsen keine einzige Orientierungsstufe das mögliche zusätzliche Jahr beantragt hat.
Zum Stellenwert von Schul- und Bildungspolitik sagte er: „Unser einziger Rohstoff ist unser Hirn“, und es bedürfe dauerhafter Anstrengungen, um aus dem Pisa-Tal rauszukommen. Die Ergebnisse Deutschlands im Vergleich der Schulleistungen seien katastrophal (da hat er Recht), und Niedersachsen belegt den viertletzten Platz unter den deutschen Bundesländern. Interessant ist die Logik seiner nächsten Sätze: Die Plätze eins bis drei in Deutschland belegen Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen, und das sind bürgerlich geführte Länder. Ist also eine CDU-Regierung ein Heilmittel für Schulen?
„Das ist, als vergleiche sich die Kreisliga mit der Bezirksliga statt mit der Bundesliga“, sagte uns vor einigen Wochen ein Wilhelmshavener Schulleiter (sh. Gegenwind 197, „Alles im Griff?“) unter Bezug auf solche Vergleiche.
Seit der Pisa-Studie geistert ein Vergleich durch die Schulstrukturdebatte. Finnland hat viel besser abgeschnitten als Deutschland, und in Finnland werden alle Kinder gemeinsam unterrichtet. Also, so wird geschlossen: Gesamtschulen sind besser für die Schulleistungen. Zwar bezieht sich Busemann auf die Pisa-Studie, doch eine Vergleichbarkeit mit Finnland lehnt er ab. Was sagte er in Wilhelmshaven dazu? „Finnland hat viel kleinere Schulen als Deutschland.“ Und: „In Niedersachsen gab es seit 1946 immer ein gegliedertes Schulwesen.“
Man stelle sich vor, ein Unternehmen holt sich einen Unternehmensberater, der sämtliche Schwachstellen des Betriebes aufzeigt und Vorschläge zur Verbesserung macht – und der Chef sagt: „Das haben wir aber schon immer so gemacht.“ (Zugegeben, der Vergleich hinkt: Die Landesregierung hat niemanden gefragt, wie Schule besser gemacht werden könnte.)
Die „WZ“ war auch bei der Veranstaltung und bekommt den Eindruck, Busemann „stößt bei den versammelten Eltern und Lehrern überwiegend auf Zustimmung.“ Das hat der Gegenwind anders wahrgenommen. Zwar wurde Busemann nicht ausgebuht (was eine schöne Überschrift gegeben hätte), aber Kritik gab es reichlich: Wenn die Leiterin einer integrativen Grundschule beklagt, dass sie nach den Kürzungsplänen zu wenige Lehr- und Betreuungskräfte haben wird, wenn ein Elternvertreter sagt, dass zusammen mit dem ersten Abiturjahrgang nach Klasse 12 gleichzeitig einer, der 13 Jahre gebraucht hat, auf den Markt entlassen werden wird, wenn eine Elternsprecherin die Verlängerung der Grundschule auf sechs Jahre besser fände als die Dreigliederung schon ab Klasse 5, wenn dem Minister entgegengehalten wird, dass die Selektion nach Klasse 4 viel „Rohstoff Hirn“ auf der Strecke lässt, weil Kinder mit Lernstörungen aussortiert werden, wenn die Forderung nach weiteren Gesamtschulen vertreten wird – dann ist das Kritik.
Und wie bringt es Busemann fertig, die Kritik nicht wahrzunehmen und sogar den Pressevertreter glauben zu machen, es habe keine Kritik gegeben? Das Problem mit dem Personalmangel an Körperbehindertenschulen sei ihm bewusst und er behalte es im Blick, in Sachsen habe es damals kein Problem mit der doppelten Abiturientenmenge gegeben, aber vorsichtshalber könne man den letzten 13-jährigen Abiturienten ja ein Kurzschuljahr verpassen, sechsjährige Grundschulen gingen nicht aus finanziellen Gründen und weil dann ein Abitur nach 12 Schuljahren nicht mehr möglich wäre, um die Lerngestörten wolle er sich kümmern, und die IGS Wilhelmshaven solle mal überprüfen, ob sie nicht auf neun Züge erweitern könne, dann müsse man keine weiteren IGSen fordern.
Dieser letztere Punkt hatte inzwischen ein Nachspiel in der „WZ“: IGS-Leiter Hildebrandt stellte klar, dass die ursprünglich genehmigte Neunzügigkeit im Jahre 1980 nach Einführung der Oberstufe vom damaligen Kultusminister Remmers auf sieben Züge reduziert worden ist und mit dem einen – aus guten Gründen – ungenutzten Zug die enorme Nachfrage nach Gesamtschulplätzen nicht erfüllt werden könnte – was Busemann weiß! (WZ vom 19.05.) CDU-MdL Uwe Biester sprang prompt „seinem“ Kultusminister zur Seite: Hildebrandt und andere „Gesamtschulveteranen“ führten eine ideologisch motivierte Debatte, die aber durch die Schulreform beendet sein sollte. Dass die IGS Wilhelmshaven die Erlaubnis zur Erweiterung auf neun Züge schon lange nicht mehr hat, bestritt Biester in seiner Presseerklärung nicht. (WZ vom 22.05.) Man kann ja aber mal ein bisschen Nebel machen. –
Eine Frage, die niemand stellte, beantwortete Busemann auch so: „Faktisch auf dem Weg zur Ganztagsschule“ („WZ“ vom 15.05.04) sei man mit der „Abi12“-Idee: In den Gymnasien muss Unterricht in die Nachmittagsstunden gelegt werden, um ein Schuljahr einzusparen, das käme doch der Ganztagsschule schon nahe – für wen die Ganztagsbeschulung aber dringend gefordert wird, sind nicht gerade die Gymnasiasten.
Irgendwann während des Frage-und Antwort-Spieles wurde es dann doch noch einmal „spaßig“: Auf die Bemerkung eines Elternvertreters, die Reform sei reichlich überstürzt gewesen, sagte Busemann, bei einer Abschaffung des Linksverkehrs in England werde man auch nicht im ersten Jahr die Radfahrer, im zweiten die Autos und im dritten die Busse auf die rechte Spur schicken.
Die Struktur dieser Veranstaltung verhinderte, dass es lebhafter werden konnte: Nach dem ministeriellen Vortrag konnten drei Menschen eine Frage stellen, Busemann beantwortete sie (oder auch nicht), drei weitere Fragen, drei weitere Antworten usw. – die tatsächliche Stimmung wurde, wenn überhaupt, erst im grüppchenweisen Gespräch nach 21 Uhr auf dem Schulhof und in Gesprächen in den folgenden Tagen spürbar: „Betriebsstunden statt Mathe und Deutsch in der Hauptschule – will der unsere Kinder total verdummen?“, „Der hat uns platt geredet“, „Die Wahl war eine Protestwahl gegen die SPD, aber keine für so eine Schulreform“, „Wir müssen jetzt eben das Beste daraus machen“ und Ähnliches war zu hören.
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