Sie kann’s nicht lassen
Im Februar dieses Jahres schrieb FDP-Ratsfrau Susanne Bauermeister auf der WZ-Frauenseite einen Kommentar gegen die gesetzlich verankerte Gleichstellung von Frauen in unserer Gesellschaft (s. Gegenwind 225). Damals unterstellte sie ihren Geschlechtsgenossinnen, sie würden das AAG (Allg. Gleichbehandlungsgesetz) für „Heuchelei, Petzerei und Prozesslawinen“ missbrauchen. Unter dem Titel „Es quotelt in Deutschland“ zog sie nun auf der Frauenseite vom 18.6. gegen die – von den Grünen initiierte und mittlerweile in vielen gesellschaftlichen Bereichen anerkannte – Frauenquote zu Felde. Fast jeder Satz ihres Geschreibsels verursacht aufgeklärten LeserInnen Brechreiz.
„Mittlerweile ist es ein verbreiteter Trend, alles, was schutzbedürftig scheint, durch Quoten statt durch Wahlen oder vielleicht auch Kompetenz zu regeln.“ Sozialdarwinismus pur – survival of the fittest? Über Jahrhunderte sorgten die Starken – männlich, einflussreich, gebildet – dafür, dass sie unter sich blieben, bis die Unterdrückten, Frauen, Behinderte, ArbeiterInnen, MigrantInnen, durch harte Kämpfe mit zahlreichen Opfern dafür sorgten, dass sie überhaupt mal wahrgenommen wurden.
Bauermeister spekuliert über Quoten „für Senioren, Alleinerziehende, Hartz-IV-Empfänger, Christen, Atheisten sowie Rot- und Schwarzhaarige mit und ohne Führerschein“ – zuvor solle man aber Frauen, Migranten und andere etwas ernster nehmen. Das sollte auch Frau B. Hier verquirlt sie munter, welchen Teil des Schicksals, der Biografie sich ein Mensch aussuchen kann und welcher vorgegeben ist. „Möchte eine Frau denn nur deshalb ein Amt, einen Posten oder was auch immer bekleiden, weil ihre einzige Qualifikation die ist, eine Frau zu sein?“ Natürlich nicht. Aber so lange Herren, die sich als solche der Schöpfung fühlen, darüber entscheiden, kommen sie nicht von allein drauf, dass eine Frau gleichwertige Qualifikationen besitzen kann; und damit die Katze sich nicht in den Schwanz beißt, müssen Frauen erst einmal die Möglichkeit besitzen, ihnen dieses durch praktische Erfahrungen klarzumachen.
„Wer möchte auf einem Platz sitzen, den die Herren zwar zähneknirschend frei machen, aber regelmäßig signalisieren, dass frau dort nur sitzt, weil sie eben eine Frau ist? Peinlich!“ Ja, peinlich für die Herren, und peinlich für Frau B., die vielleicht das Richtige meint, aber ihre eigene Argumentation ad absurdum führt. Sollen Frauen lieber vor Zähneknirschen und anderen regelmäßigen Signalen des Mobbings zurückweichen, statt dagegen anzugehen? So wird sich die Denke solcher Herren nie ändern.
„Wie wäre es, wenn Funktionen und Posten nach Ausbildung, Begabung, Qualifikation, sagen wir einfach mal Kompetenz, vergeben würden? Oder in Folge einer demokratischen Wahl, bei der Eigenschaften dieser Art eine Rolle spielen dürften und für das Ergebnis ausschlaggebend sind?“ Eigentlich eine gute Idee, aber warum sind viele Ausbildungsberufe immer noch von Männern dominiert und Frauen in betrieblichen oder politischen Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert? In den nationalen Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten sitzen 20% Frauen, in Deutschland sind es 29%, in deutschen Gemeinderäten 17,5%. Fast die Hälfte aller Beschäftigten in deutschen Betrieben sind Frauen, aber in der obersten Leitungsebene von Betrieben ist nur jede 4. Führungskraft eine Frau, vorwiegend im öffentlichen Dienst oder Betrieben des Sozial- und Gesundheitswesens (Bundesagentur für Arbeit – BAA -, repräsentative Befragung von 16.000 Betrieben 2006). Im Vergleich alte / neue Bundesländer beträgt der Anteil 23 / 30 %. 15 Jahre nach der Wiedervereinigung ist die geschichtlich bedingte höhere Erwerbsorientierung in der ehemaligen DDR immer noch präsent, und diese Geschichte gilt es nun weiterzuschreiben. Den höheren Anteil im öffentlichen Dienst schreibt die BAA auch der Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten zu – die gerade wieder, von den männlich dominierten Kommunalparlamenten, systematisch abgeschafft werden (s. Gegenwind 217 v. Mai 2006).
In Wilhelmshaven sind immerhin knapp 29 % der Ratsmitglieder weiblich. Aber wie kommen sie da rein? Ehe sie sich einer demokratischen Wahl stellen können, müssen sie von den (männlich dominierten) Parteivorständen auf die Liste gesetzt werden. Ob Kompetenz tatsächlich das wesentliche Kriterium für die Wahl ist, sei dahingestellt – bezogen auf beide Geschlechter und sämtliche Parlamente.
„Es kann uns doch gar nicht Recht sein, dass es Quoten gibt, die uns signalisieren: Anders kommt ihr Frauen doch sonst nie in unsere männlich-qualifizierten Reihen.“ Und wie uns das recht ist! Denn nur wenn die Gesellschaft dieses Signal erkennt, dass Frauen sonst durch männlich-subjektive Entscheidungen der Weg versperrt bleibt, kann sich auch in den Köpfen ein Wandel vollziehen, der den Weg zu objektiven Auswahlkriterien ebnet. „Also müssen wir Euch Frauen einen kleinen Schutzraum bauen, in dem ihr Platz nehmen und auch mal ein bisschen mitreden dürft, aber bitte nicht zu laut, nicht zu oft und nicht zu viel.“ In der hiesigen FDP-Fraktion sitzt Frau B. zusammen mit 4 Männern. Warum ist sie im Ratssaal immer so schweigsam, statt ihre 20% mal nach vorn zu werfen?
Auf die Frauenquote, so Frau B., könne sie gut verzichten – sie empfinde sie als diskriminierend. Nein, Frau B., nicht die Quote ist diskriminierend, sondern die Umstände, die dazu geführt haben, dass wir eben nicht auf sie verzichten können. Noch lange nicht.
„Verzichten können und sollten wir aber selbstverständlich nicht darauf, bestimmte Aufgaben bewusst von Frauen erledigen lassen. Aufgaben und Funktionen, die eindeutig besser von Frauen, infolge bestimmter Veranlagungen und Begabungen, erfüllt werden können, sollten auch mit Frauen besetzt werden.“ Diskriminierender geht’s nimmer – für beide Geschlechter. Oben sprach sie noch von Ausbildung und Qualifikation, nun geht’s doch wieder nach Geschlecht. Wenn eine Frau (angeblich) nur durch die Quote „dort sitzt, weil sie eben eine Frau ist“, ist das verkehrt – wenn sie durch althergebrachte Rollenzuweisungen dort sitzt, ist es aber richtig? „Frauenspezifische Aufgaben sollten wir Frauen dann aber auch gerne und selbstbewusst übernehmen, denn wir werden sie bestens erledigen.“ Also, Abmarsch zurück an den Herd, in den Kindergarten, ans Krankenbett oder ins Vorzimmer. Denn vor allem werden wir diese Aufgaben billig erledigen: „Dieses regelt aber normalerweise schon die Erfahrung und die Realität, letztendlich der Markt, nicht aber eine Quote.“ Die Realität einer Gesellschaft ist die Summe der Haltungen und Handlungen ihrer Individuen, und eben diese können und sollten sich ändern.
Offen bleibt, warum Frau B. überhaupt Beiträge für die WZ-Frauenseite schreibt. Denn diese Quotenseite gehört, ihrer eigenen verquasten Logik folgend, sofort abgeschafft.
Imke Zwoch
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