Keine Arbeit macht krank
Die MitarbeiterInnen von Olympia sind von der drohenden Schließung nicht nur finanziell betroffen
(noa) Zum Ende des Jahres ist bei Olympia endgültig Schluß. „Bei AEG Olympia Office in Wilhelmshaven (…) bestanden erhebliche Auslastungsprobleme, die zu dem Beschluß geführt haben, die Aktivitäten (…) nicht weiterzuführen“, so liest sich das in „Einblick“, der Zeitschrift der Daimler-Benz AG. Wir sprachen mit vier Noch-Olympianerlnnen über die Stimmung im Betrieb.
Gegenwind: Wie hört sich das für euch an, was in der Zeitschrift „Einblick“ über euern Betrieb steht?
Heinz: Ja, wir sind abgeschrieben, einfach abgeschrieben. Ich finde das einfach zynisch. „Die Aktivitäten … nicht weiterzuführen“, das ist für uns das Ende.
Gegenwind: Was ist mit dem Sozialplan? Wenn man die WZ liest, bekommt man den Eindruck, für alle sei gesorgt.
Heinz: Der Sozialplan hat in der Belegschaft viel Zustimmung gefunden; ich schätze, so 90 % der Kollegen sehen, dass der Betriebsrat wirklich viel rausgeholt hat. Für einige wenige ist er wie sechs Richtige im Lotto. Eine Kollegin wollte jetzt sowieso aufhören, und sie bekommt nun ihre Abfindung als Abschiedsgeschenk. Aber die meisten wollen lieber ihre Arbeit als eine Abfindung.
Klaus: Das ist das Dauerthema in allen Abteilungen. Die meisten halten das kaum noch aus. Als ich neulich meine Zeugnisse kopiert habe, um meine Bewerbungsunterlagen zusammenzustellen, sagten die Kollegen: „Mensch, hör‘ bloß auf damit! Wir wollen nicht daran erinnert werden! “
Gegenwind: Hast du keine Chance, bei einer der Firmen, die sich jetzt in den Räumen von Olympia ansiedeln, eingestellt zu werden?
Klaus: Ich bin noch nicht angesprochen worden.
Gegenwind: Bewirbst du dich dort nicht direkt?
Gabi: So läuft das nicht. Die suchen sich aus der Belegschaft Leute aus, die sie übernehmen wollen, und sprechen sie dann an. Und alle warten und warten.
Gegenwind: Suchen sie sich die „Schönsten“ aus?
Klaus: Das scheint der Sinn dabei zu sein, daß die neuen Firmen schon da sind, die AEG aber noch zahlt. Da wir alle noch da sind, haben die Firmen ja auch Zugriff auf die Personalakten. Da können sie sich ihre Leute aussuchen. Wer z.B. oft krank war, den werden sie wohl kaum nehmen.
Gegenwind: Habt ihr den Eindruck, daß Leute, die sich am Arbeitskampf beteiligt haben, geringere Chancen haben, von einer der Nachfolgefirmen eingestellt zu werden?
Heinz: Allerdings. Fast alle, von denen wir wissen, daß sie übernommen werden, waren zu Hause, während wir in Stuttgart oder Frankfurt waren. Gabi und Ingrid waren insgesamt sechs oder sieben Wochen dabei, während der ganzen Kurzarbeitswochen. Gabi hat ja Glück gehabt. Sie wird von der Firma RAWE übernommen. Sie arbeitet aber auch für zwei!
Gegenwind: Was ist das für eine Firma?
Gabi: Ich mache da das gleiche wie vorher für Olympia.
Gegenwind: Und was ist das genau?
Gabi: Ja, auch Leiterplatten. Und jetzt machen wir Akku-Ladegeräte.
Ingrid: Das ist das Gerät, von dem wir früher immer gesagt haben, das können wir bauen, als Alternative, und da hat man uns immer gesagt, das rechnet sich nicht. Und bei RA WE scheint es sich doch zu rechnen.
Gegenwind: Und haben sich deine Arbeitsbedingungen geändert, Gabi?
Gabi: Im Moment arbeite ich noch zum alten Lohn und mit den gleichen Arbeitszeiten. Aber ich weiß nicht, wie lange das noch so weitergeht.
Gegenwind: Heißt das, du arbeitest schon für eine neue Firma, weißt aber noch nicht, wieviel du ab dem nächsten Jahr verdienen wirst und ob du eventuell Schichtarbeit machen wirst? Hast du denn keinen neuen Vertrag?
Gabi: Nein, bis jetzt weiß ich nur, daß ich angesprochen worden bin, ob ich von RAWE übernommen werden will, und dass ich zugestimmt habe. Einige aus meiner Abteilung wurden gefragt, andere nicht. Ingrid zum Beispiel nicht.
Gegenwind: Kannst du denn damit rechnen, übernommen zu werden, Ingrid?
Ingrid: Ich weiß es nicht. Im Moment bin ich freigestellt. Das heißt, ich muß jeden Tag bis 9 Uhr am Telefon warten, ob ich gebraucht werde. Danach kann ich machen, was ich will.
Gegenwind: Und wie geht es dir damit?
Heinz: Ingrid hat wieder angefangen zu rauchen.
Ingrid: Ja, aber nicht erst seit der Freistellung. Ich habe elf Jahre lang nicht geraucht. Aber vor 14 Tagen habe ich gesehen, wie einige Kolleginnen einzeln vom Arbeitsplatz weggeholt und ins Büro geschickt worden sind und habe gewartet, ob ich auch angesprochen werde. Und da habe ich wieder angefangen zu rauchen.
Gegenwind: Und was machst du in der Freizeit ab 9 Uhr morgens, wenn du keinen Anruf bekommst?
Ingrid: Die paar Tage bis jetzt habe ich die Zeit nur verklötert. Ich kann in der Zeit nichts anfangen, ich weiß gar nicht, wo die Zeit geblieben ist.
Gabi: Ich finde das so ungerecht, daß einige genommen werden und andere nicht. Ich bin von uns vieren die einzige, die übernommen wurde, aber es geht mir nicht gut bei dem Gedanken, was die anderen machen werden.
Gegenwind: Es sollen Ja auch Weiterbildungsgesellschaften angesiedelt werden. Was wißt ihr denn über den Zugang zu diesen Umschulungen? Die können ja nicht Tausende von Leuten umschulen.
Heinz: Bei den Industrieelektronikern weiß ich von 68 Plätzen.
Gegenwind: Wie ist denn die Stimmung im Betrieb?
Heinz: Mies. Viele sind verzweifelt. Wir reden stundenlang über die Zukunft, aber da wir alle nichts wissen und einfach warten müssen, können wir es auch so langsam nicht mehr hören. Ich weiche manchmal schon meinem Nachbarn aus, weil ich damit rechne, daß er mich wieder einmal fragen wird, ob ich schon etwas weiß.
Gabi: So langsam gehen auch schon die Gehässigkeiten los, daß gefragt wird, warum die eine übernommen wird und die andere nicht. Da ist mittlerweile auch Neid.
Gegenwind: Wie haltet ihr das aus?
Klaus: Alle reagieren unterschiedlich, klar, die Menschen sind verschieden. Ein Kollege hat auf einmal Allergien bekommen, und sein Arzt meinte, das liegt wahrscheinlich an seiner Situation.
Gabi: Mich verfolgt der Gedanke immerzu. Ich versuche nach Feierabend an etwas anderes zu denken, aber dann im Bett schrecke ich kurz vor dem Einschlafen auf und denke an Olympia. Du mußt bedenken, das ist für mich das zweite Zuhause.
Heinz: Wir versuchen halt, den Kopf oben zu behalten. Was sollen wir auch sonst machen?
Gegenwind: Viel Glück und vielen Dank für das Gespräch!
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