Wie kommt die Gewalt in den Mann?
Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Männergewalt“
(ft/noa) Männergewalt ist auch in Wilhelmshaven nicht mehr nur ein Frauenthema. Mindestens ein Drittel der BesucherInnen der Podiumsdiskussion „Wie kommt die Gewalt in den Mann?“ am 20. September im Pumpwerk waren Männer. Das Pumpwerk war ausverkauft, wofür wahrscheinlich in erster Linie Lea Rosh als Moderatorin verantwortlich war. Sie gab mit ihren Fragen dem Hauptredner Burkhard Oelemann vom Hamburger Verein „Männer gegen Männergewalt“ Gelegenheit, über seine Erfahrungen zu berichten.
Gewalt, so Oelemann, ist kein soziales, sondern ein Männerproblem. Er wies das anhand von Zahlen nach: In allen sozialen Schichten stellen gewalttätige Männer den gleichen Anteil. Und: Unter den gleichen sozialen und strukturellen Bedingungen werden Männer gewalttätig, Frauen aber nicht.
Wie kommt das? Männer haben gelernt, ihre Gefühle nicht zu äußern, sie nicht einmal differenziert wahrzunehmen. Trauer, Angst oder Überforderung zu äußern gilt als unmännlich; diese Gefühle werden abgewehrt, und der Gefühlsstau entlädt sich in Form von Gewalt. Insofern ist Gewalttätigkeit kein Zeichen von Aggressivität, sondern von Hilflosigkeit und Schwäche.
Hilflosigkeit, Schwäche und Mitgefühl gelten in der Gesellschaft als unmännlich. Ein Mann, der diese Eigenschaften – womöglich auch noch anderen Männern gegenüber – zeigt, gerät in den Verdacht, homosexuell zu sein.
Kinder orientieren sich in ihrer Entwicklung an gleichgeschlechtlichen Vorbildern. Fehlt der Vater in der Erziehung, übernehmen andere (echte oder fiktive) Männer, etwa Fernsehhelden oder Comicfiguren, diese Rolle. Und diese weinen nicht, haben keine Probleme und wenn doch, lösen sie diese sofort, notfalls mit Gewalt und ohne fremde Hilfe. Einen schwachen Mann als Identifikationsobjekt bekommen Jungen in den ersten Jahren ihrer Entwicklung weder zu Hause noch in Kindergarten oder Grundschule geboten. Oelemann: „Eine Frau kann aus einem Embryo einen Jungen machen, aber aus einem Jungen einen Mann machen, das kann nur ein Mann.“
Männer sind für die Gewalt in der Erziehung zuständig, so Oelemann weiter. „Warte, bis Papa nach Hause kommt, dann kriegst du deine Strafe“ ist ein typisches Beispiel hierfür. Und wenn ein Junge mit einem blauen Auge nach Hause kommt, wird er vielleicht von der Mutter getröstet – der Vater fragt dann eher: „Warum hast du dich nicht gewehrt?“
Wie in dieser familiären Situation äußert sich Gewalt immer gegen Schwächere. Oelemann machte dies am Beispiel des Rechtsradikalismus unter Jugendlichen mit den gewalttätigen Ausschreitungen gegen Ausländer klar und betonte auch in diesem Zusammenhang, daß Rechtsradikalismus kein politisches oder soziales, sondern ein reines Männerproblem ist. Es gibt zwar rechtsradikale Mädchen, aber diese sind nicht selber aktiv an Gewaltaktionen beteiligt.
Als Schlußfolgerung wurde von allen PodiumsteilnehmerInnen bestätigt, daß die Lösung des Gewaltproblems nur von Männern ausgehen kann. Männer müssen ihre Gefühle wiederentdecken, und nach den Erfahrungen Oelemanns können sie das in Männergruppen, die sich mit dem gesellschaftlichen Männerbild auseinandersetzen.
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