JadeWeserPort 1
Apr 292004
 

„Die Welt wartet nicht auf uns“

Start der Informationsoffensive zum JadeWeserPort

(red) Das Planfeststellungsverfahren zum Bau des JadeWeserPort läuft an. Anfang Mai werden die Antragsunterlagen für alle BürgerInnen zur Einsichtnahme ausgelegt. Auf dem ersten von mehreren geplanten Informationsabenden der Hafenentwickler gab es inhaltlich kaum Neues, Probleme und Widersprüche wurden auch im anschließenden Freibier nicht ertränkt.

Helmut Werner, Geschäftsführer der JadeWeserPort Gesellschaft, stellte das Projekt und die anstehenden Verfahrensschritte der laufenden Planfeststellungsverfahren vor, wozu er statt der angekündigten 30 etwa 90 Minuten benötigte. Die anschließende Diskussion wurde von WZ-Chefredakteur Jürgen Westerhoff moderiert. Werner wiederholte zunächst die Standortvorteile eines Containerhafens am Jadefahrwasser. Er räumte ein, dass auf nationaler und internationaler Ebene noch viel Arbeit bevorsteht, um Kunden zu akquirieren: „Die Welt wartet nicht auf uns.“

Wes Brot ich ess‘
Helmut Werner hatte sich früher als Vertreter der Cuxhavener Hafenwirtschaft für einen dortigen Containerhafen und gegen entsprechende Planungen in Wilhelmshaven eingesetzt. Jetzt darauf angesprochen, sagte er, er hätte es „zum guten Teil aus Überzeugung gemacht“, andererseits hatte er nur die Alternative, „als der Cuxport verfolgt wurde, entweder mitmachen oder …“
Von Privatfinanzierung keine Rede mehr

Von der anfänglich versprochenen überwiegenden Privatfinanzierung der Gesamtkosten von 900 Mio. Euro ist keine Rede mehr. Werner lobte, dass die frühere SPD-Landesregierung das Hafenprojekt „gepuscht“ habe. Auch für die jetzige CDU/FDP-geführte Landespolitik sei der Hafen DAS Infrastrukturprojekt. Durch Medienberichte geschürte Zweifel an der Finanzierbarkeit seien unnötig; das Land nehme dafür Streichungen in anderen Bereichen in Kauf. (Anm. d. Red.: U. a. will die Landesregierung über 6.000 Stellen im Landesdienst streichen, des Weiteren gibt es drastische Kürzungen vor allem in den Bereichen Bildung, Soziales und Naturschutz.) Das Land muss ein Darlehen von 60 Mio. Euro aufnehmen.

Komfortable Lärmbelastung

Die ankommenden Container werden durch kleinere Schiffe (Feeder), LKW oder Bahn abtransportiert.
Je nach Anteil von Feeder- und Bahntransport fahren dann zwischen 980 und 1.800 LKW täglich vom Terminal durch die Stadt. Die An- und Abfuhr erfolgt über 24 Stunden, wobei das meiste tagsüber rollen soll.
Die berechnete Lärmbelastung wird in Rüstersiel, Coldewei und Himmelreich nachts die Grenzwerte erreichen oder leicht überschreiten. In gut zwei Kilometer Entfernung vom Terminal stellen die Ergebnisse für Helmut Werner „im Vergleich zu vielen anderen Plätzen eine wirklich komfortable Situation“ dar.
Sorgen machten sich Anwohner um Lärm durch Bagger- und Rammarbeiten. Allein 85.000 Tonnen Stahlprofile werden verrammt. Werners Kollege Groenewold beruhigte sie mit der fortgeschrittenen Technik: „Sie hören nichts davon.“ Ausnahme seien 2,3 Mio. cbm Ton, die nur durch Eimerkettenbagger ausgekoffert werden können, „aber nur über kurze Zeit“. Und: „Eine große Baustelle geht nicht ohne Lärm ab.“ Laut Werner ist bei den nachfolgenden Gebäudeaufbauten ein höherer Lärmpegel zu erwarten.

Hinterlandkonzept fehlt

Diskussionsteilnehmer aus Sande verlangten, dass die Entwicklungsgesellschaft sich auch mit den zu erwartenden Verkehrs- und Lärmbelastungen im Umland beschäftigt. „Die Verantwortung endet an der Stadtgrenze – so einfach kann man sich das nicht machen.“ Ein Hinterlandkonzept sei erforderlich.
Werner fühlte sich nicht zuständig – die Gesellschaft könne sich nicht um alles kümmern, das sei Sache der Verkehrsträger, die daran verdienen wollten, bzw. des Bundesverkehrsministeriums. Dazu Westerhoff: „Stolpe hat das Problem (bei seinem Besuch in der Region vor einigen Wochen – red.) zumindest erkannt.“

Jobmotor Terminal

Hauptargument der Hafen-Befürworter ist der erwartete wirtschaftliche und vor allem Beschäftigungseffekt. Wilhelmshaven hat seit den 1980er Jahren fast 15 Prozent der Bevölkerung verloren. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt 20% unter dem Bundesdurchschnitt, die Arbeitslosenquote beträgt 14,7%. Vor diesem Hintergrund skizzierte Werner die möglichen Beschäftigungsfelder im Containerhafen: Vom Umschlag über Wartung und Reparatur der Terminalgeräte, Lotsen, Schlepper und Festmacher bis hin zur „Würstchenbude“ und weiteren Dienstleistungen (s. Kasten „Haarschnitte, bereinigt“). An erster Stelle stünde die Containerreparatur. Reeder, Spediteure und Makler würden vermutlich erst von Bremerhaven aus agieren.

Haarschnitte, bereinigt

Vor einigen Jahren argumentierte unser Oberbürgermeister, vom Beschäftigungseffekt des JadeWeserPorts würden beispielsweise die hiesigen Friseursalons durch geschätzte 5.000 zusätzliche Haarschnitte jährlich profitieren. Menzels haarige Prognose ist mittlerweile selbst als running joke ziemlich abgelutscht. Jetzt zog Hafenentwickler Helmut Werner diese Argumentation erneut an den Haaren herbei. Allerdings hielt er 1.500 zusätzliche Haarschnitte für realistischer.
Davon ausgehend, dass auch Arbeitslose sich regelmäßig um die Pflege ihres Haupthaars kümmern, bedeutet zusätzliche Haarschnitte, dass die schnittbedürftigen Arbeitskräfte von außerhalb kommen, hiesige Arbeitslose also nicht vom Jobmotor Jadeport profitieren werden. Haarspalterei?
Die Seeleute der Containerschiffe hat zumindest Werner nicht auf der Rechnung: „Die Kerle haben kaum Zeit, die einschlägigen Häuser zu besuchen.“ Womit er nicht die Friseursalons meint.

Anfangs sieht Werner 400 – 600 Beschäftigte; mit je 50.000 TEU Umschlag könnte die Beschäftigung steigen bis zu 1.000 – 1.200 Beschäftigten im Jahre 2016. Bei konventionellen Umschlagssystemen (mit weniger Automatisierung) könnten es auch 1.500 Arbeitsplätze werden. Je Arbeitsplatz im Hafen käme noch einer im indirekt profitierenden Bereich hinzu. In 20 – 25 Jahren, „wenn die Flächen voll sind“, geht Werner von etwa 30 Arbeitsplätzen pro Hektar Hafenfläche aus – bei 170 ha im Hafengroden wären das 5.100 Arbeitsplätze.

Jobmotor Hafenwirtschaft

Zurzeit haben wir leider keine vakanten Stellen … Folgen Sie den Informationen in der Presse über den Fortschritt des JadeWeserPorts, damit Sie sich gegebenenfalls an anderer Stelle bewerben können.
Text im Menüpunkt „Jobs“ auf der Homepage der JWP-Realisierungsgesellschaft, 22.4.04)

Demgegenüber, erinnerten sich einige Teilnehmer, hatte der Leiter des Stadtplanungsamtes im vergangenen Jahr von 168 Arbeitsplätzen gesprochen, Schätzungen der Antiport bewegen sich in ähnlicher Größenordnung. Werner findet das lächerlich. Moderator Westerhoff hielt Schätzungen beider Seiten für „tollkühn“.
Die Antiport schlug vor, in die Betreiberkonzession eine Klausel über zugesicherte Arbeitsplätze aufzunehmen. Werner: „Ich werde einen Teufel tun, solche Dinge hier im Detail öffentlich zu diskutieren.“

Niedersachsens Häfen müssen sparen. In den kommenden vier Jahren soll der Zuschuss für die 15 Häfen des Landes von derzeit 33 Millionen Euro auf die Hälfte gesenkt werden. Die Beschäftigten-Zahl werde, so (Wirtschaftsminister) Hirche, durch natürliche Fluktuation von jetzt rund 770 auf 700 reduziert. Kündigungen werde es aber nicht geben, versicherte Hirche, der zugab, die Pläne hätten unter den Mitarbeitern jüngst Unruhe ausgelöst.
Aus: Privatisierung der Häfen soll Kosten senken, WZ vom 30.03.04
Zweifel bleiben bestehen

Mitglieder der Antiport haben sich intensiv mit Zahlen und Fakten zum nationalen und internationalen Containerverkehr beschäftigt. Sie sehen wenig positive Auswirkungen für die Stadt Wilhelmshaven. So hat die EUROGATE im letzten Jahr 529 Mio. Euro umgesetzt, aber nur 1,29 Mio. Euro Steuern bezahlt. Werner entgegnete, wesentlich wäre, was die Firmen neu in die Suprastruktur investieren.
Zweifel bestanden auch, wo Wilhelmshaven angesichts einer fest gefügten Verteilung der Containerverkehre in der Nordrange (Rotterdam, Antwerpen, Bremerhaven) die prognostizierten Container herbekommen wolle. Der Standortvorteil Tiefgang sei nicht entscheidend, weil die Schiffe hier nach diversen Zwischenstationen nicht mehr voll beladen ankommen.
Schließlich die Gretchenfrage: „Wie sicher sind Sie, dass der Hafen überhaupt gebaut wird?“ „Sehr, sehr sicher“, entgegnete Werner, ganz sicher sei man nach Abschluss des Konzessionsvertrages mit dem zukünftigen Betreiber.
Ein Sprecher der BUND-Kreisgruppe und Sachverständiger der Antiport fasste zusammen, weshalb das Vertrauensverhältnis zwischen Hafenwirtschaft und kritischen BürgerInnen von Anfang an gestört war: Es wurden unrealistische Zahlen zu Umschlagsmengen, Tiefgängen oder Arbeitsplätzen genannt und später relativiert, und es wurde polarisiert und polemisiert – „statt sich mit unseren Argumenten auseinander zu setzen.”

Unwiederbringliche Verluste

Die Hälfte von 800 langjährigen Campern hat den Campingplatz am Geniusstrand bereits verlassen. Vorausgegangen war eine abweisende Behandlung durch die Stadt bzw. die Tourismus- und Freizeit-GmbH.. Mit dem Freizeitwert gehen auch städtische Einkünfte und beträchtliche Kaufkraft für Handel und Gastronomie im Stadtnorden verloren. Camper Werner Remmers bedauerte, dass für die 800 Camper, die teilweise aus ganz Europa herkamen, keine Alternative im Umland gesucht wurde. Einigkeit bestand, dass sich die Camper, die bereits dem Standort den Rücken gekehrt haben, nicht zurückgewinnen lassen. Für den Aufsichtsrat der WTF entschuldigte sich SPD-Ratsherr Gabriels: Die Umgangsformen gegenüber den Campern ließen wirklich zu wünschen übrig.

Alles für die Kinder

Werner beschwerte sich, die Hafengegner hätten keine Alternativen zum Projekt. „Die Herren der Initiativen (Es sind auch eine Menge Damen dabei! – red), können Sie Ihren Kindern später in die Augen gucken und sagen, wir haben alles für euch getan?“ Dem wurde entgegengehalten, die Voslapper Kinder „des Wassers“ würden später auch fragen, warum sie nicht mehr ans Wasser könnten.

Viel Aufwand gegen örtliche Skepsis

Werner erinnerte, dass „gegen die örtliche Skepsis mit viel Aufwand eine Machbarkeitsstudie“ erstellt wurde. Andererseits will er „dazu stehen in dieser Republik“, dass Kritikern demokratische Wege der Einflussnahme einschließlich Klagerecht offen stehen.
In der Diskussion ließ Werner sich dann allerdings wieder zur gewohnten Polemik gegenüber Mitgliedern der Bürgerinitiative gegen den Jadeport (Antiport) hinreißen. Ein Bürger, der durchaus großes Interesse am Hafen signalisierte, beklagte, dass man umgekehrt immer den Antiport-Leuten Polemik vorwerfe. Er sei sehr offen für beide Seiten, Befürworter und Kritiker des Projekts, jedoch habe ihn die große Offenheit und Sachlichkeit der Antiport von Anfang an beeindruckt.
Neben weiteren Informationsabenden plant die Entwicklungsgesellschaft, an verschiedenen Stellen in der Innenstadt Informationsterminals aufzustellen, sowie eine Telefonaktion mit Fragen und Antworten zum Projekt im Mai. Auch in den Nachbargemeinden sollen mit Informationsständen und speziellen Abendveranstaltungen alle interessierten Bürgerinnen und Bürger über den JadeWeserPort informiert werden.

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