Gespräch mit Werner Dalichow (WASG)
Okt 272005
 

Und jetzt?

Die WASG freut sich über ein gutes Wahlergebnis – wie geht es nun weiter?

(noa) Die Linkspartei hat, angereichert durch Kandidaten der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit, die 5 %-Hürde genommen und ist mit 54 Abgeordneten in den Bundestag eingezogen, 12 von ihnen WASG-Mitglieder. Darüber, wie es zwischen Linkspartei und WASG weitergehen soll, sprach der Gegenwind mit Werner Dalichow, Mitglied des WASG-Landesvorstandes.

Gegenwind: Herzlichen Glückwunsch zu eurem guten Wahlergebnis in Wilhelmshaven! Ihr habt hier deutlich über dem Durchschnitt der Bundesrepublik (alt) gelegen. Wie erklärt ihr euch das?
Dalichow: Das war ja nicht nur in Wilhelmshaven so, sondern in allen kreisfreien Städten mit Ausnahme von Osnabrück, wo wir nur etwas über 3 % haben. In Oldenburg haben wir sogar noch weit besser als in Wilhelmshaven abgeschnitten, deutlich über 6 %. Dagegen hat das platte Land eher traditionell gewählt.

Ihr denkt also, eure Idee ist auch im Westen verbreitet, und das macht sich in den Städten eher bemerkbar als auf dem Land?
Richtig. Bis auf das Saarland. Da haben wir ja 18 % geholt.

Naja, das ist Lafontaine.
Ja, das ist Lafontaine – obwohl er da ja nicht kandidiert hat. Wohl als Direktkandidat in Saarbrücken, aber auf der Landesliste war er in Nordrhein-Westfalen.
Nun muss man ja realistisch sein. Insgesamt in den westlichen Bundesländern haben wir nur 4,9 % bekommen. Das ist enttäuschend. Es gibt mehrere Interpretationen dieses Ergebnisses. Einige sagen, es hätte geschadet, dass wir mit der Linkspartei zusammen kandidiert haben und wir hätten allein mehr bekommen, während andere sagen, das mit diesem Bündnis hätte noch viel deutlicher rauskommen müssen, und die Verbindung mit der Linkspartei sei zu spät gekommen.

Nun, das Ergebnis der Landtagswahl in Nordhein-Westfalen – wo ihr ja viel weniger hattet – deutet eher darauf hin, dass es nicht schädlich war, euch mit der Linkspartei zusammenzutun. Landtagswahlen sind ja ein Indikator.
Das schon, aber nicht, wenn man das erste Mal antritt. Obwohl ich ganz und gar gegen Personenkult bin, denke ich, man muss Lafontaine viel davon zuschreiben. Zum Zeitpunkt der NRW-Landtagswahl war er noch in der SPD.

Vor drei Jahren hatte die – damals noch – PDS 1,27 % in Wilhelmshaven. Man sollte also vielleicht, statt zu fragen, ob es euch geschadet hat, mit ihr zusammen anzutreten, eher umgekehrt feststellen, dass es ihr gut getan hat, euch dazuzubekommen. – Wie sieht es denn nun mit eurer Zusammenarbeit aus?
Die Linkspartei hat hier ja nicht so viele Mitglieder. Drei kommen aber mehr oder weniger regelmäßig zu unseren Versammlungen. Das ist aber überall im Westen so, bis auf Hannover, wo die Linkspartei allein schon relativ stark ist. Und in Oldenburg ist sie ziemlich stark – übrigens auch die DKP. Da kann man sagen, dass alle drei Parteien ungefähr die gleiche Mitgliederzahl haben.
Mit denen, die zu unseren Versammlungen kommen, haben wir noch nicht über eine Vereinigung gesprochen. Der Landesvorstand führt ja jetzt Gespräche mit der Linkspartei…

Ich unterbreche dich mal eben. Bevor du mir das erklärst, sag eben zuerst: Wird es ein Zusammenschluss von oben oder von unten sein?
Es wird ein Zusammenschluss von unten her sein.

Heißt das, ihr sollt euch auf Ortsebene zusammenraufen…
Nein. Es gibt einen Parteitagsbeschluss der WASG, wonach wir ergebnisoffen diskutieren, wie es in der Bundesrepublik Deutschland einen Zusammenschluss zwischen der WASG und allen linken Gruppen – allen! – geben kann. Das geht nicht nur um WASG und PDS, sondern um alle linken Gruppen, nicht nur Parteien, sondern auch z.B. ATTAC oder die Sozialforen. In drei Bundesländern sind im Frühjahr schon Landtagswahlen, und wir wissen noch nicht, wie sich die entsprechenden Landesverbände verhalten werden. Und hier in Niedersachsen ist ja im nächsten Herbst Kommunalwahl. Da wird schon heiß darüber diskutiert, wie wir das machen. Die Tendenz ist, dass das regional unterschiedlich gehandhabt wird. Wir wollen hier in Wilhelmshaven im November ein Gespräch haben, ein Gespräch mit allen Menschen, die sich sagen, Mensch, da hat sich ja etwas getan, wollen wir mal sehen, wie es weitergeht, und die ihre Ideen einbringen können. Und in einem nächsten Schritt wollen wir alle linken Gruppen einladen, um inhaltlich zu diskutieren, wie wir hier auf kommunaler Ebene eine vernünftige Opposition auf die Beine stellen.
Dafür ist wichtig zu berücksichtigen, dass in Niedersachsen das Kommunalwahlgesetz geändert wurde. Es wird überhaupt keine Listenverbindungen mehr geben können. Wenn wir z. B. zur Kommunalwahl zusammen mit der Linkspartei antreten würden, dann dürfte von den Kandidaten keiner in der WASG sein. Oder wir treten als WASG an, und WALLI-Mitglieder wollten mit auf die Liste – die müssten aus der WALLI austreten.

Weißt du, warum diese Gesetzesänderung vorgenommen wurde. Extra euretwegen?
Klar. Die haben gemerkt, dass da etwas entsteht, dass eine Opposition entsteht. Man versucht, alles, was in Opposition zu den etablierten Parteien steht, zu schwächen und zu behindern. Am 19. November haben wir einen Landesparteitag, und da wird Thema sein, wie wir mit dieser neuen Lage umgehen.

Kommunalwahlen sind im Herbst 2006, da ist ja noch ein bisschen Zeit.
Keineswegs. In Kommunen, in denen wir als WASG antreten, müssen ja Unterstützungsunterschriften gesammelt werden. Das geht schon bald los.
Für künftige Bündnisse wollen wir uns mehr Zeit lassen als jetzt zur Bundestagswahl, wo alles sehr schnell gehen musste. Das Bündnis zur Bundestagswahl wurde ja mit der heißen Nadel gestrickt; da ging es darum, jetzt und nicht irgendwann dem neoliberalen Gedankengut etwas entgegenzusetzen. Wir denken an zwei Jahre Diskussion. Herbert Schui, der jetzt im Bundestag ist, geht sogar von einer längeren Diskussion aus. Er sagt, wir müssen alles bis in den hintersten Winkel hinein diskutieren.

Es ist also immer noch alles sehr offen und spannend, und man kann immer noch Einfluss nehmen.
Ja. Zum Beispiel bei dem Gespräch im November. Ich hatte die Befürchtung, dass es jetzt nach der Wahl abflauen würde. Aber unsere Versammlungen montags sind weiterhin gut besucht.

Im letzten ZDF-Politbarometer kam raus, dass bei einer erneuten Wahl die Situation so bliebe, wie sie gegenwärtig ist, also eine große Koalition nötig wäre, die Linkspartei aber einen Prozentpunkt weniger hätte als am 18. September.
Klar. Momentan schauen alle auf die Koalitionsgespräche. Das wird wieder anders, wenn der neue Bundestag arbeitet. Hier in Wilhelmshaven sind wir aber wirklich nach wie vor jeden Montag gut besucht.

Ihr seid so groß geworden, dass ihr euch trennen konntet und Friesland einen eigenen Kreisverband gründen konnte. Wie viele seid ihr momentan?
Ich kann dir jetzt nur die Zahlen für Niedersachsen sagen. Im April waren wir 375, jetzt 1209. Friesland und Wittmund haben einen gemeinsamen Kreisverband gegründet, und das ist gut, weil die Leute aus Wittmund und Friesland jetzt nicht mehr so weit fahren müssen.

Du hat vorhin das neoliberale Gedankengut erwähnt. Mir fällt auf, dass die Grünen und die Leute vom linken SPD-Flügel neuerdings sehr Neoliberalismus-kritisch sind. Wie erklärst du das? Versuchen die, bei euch abzusahnen, euer Profil zu verwischen?
Nun, der linke SPD-Flügel hat durch uns jetzt etwas Oberwasser bekommen und kann seine Vorstellungen jetzt etwas lauter kundtun. Aber was wird denn jetzt passieren? Die SPD-Linken werden sich in ihrer Partei nicht durchsetzen.
Und die Grünen haben es jetzt noch schwerer. Die müssen sich jetzt ja erst neu profilieren. Die hatten eine gute Umweltpolitik, momentan setzen sie auf die Ölfrage, und mit Fischer war da die Außenpolitik, aber ansonsten haben sie keine Politikfelder besetzt. Und jetzt versuchen sie, auf diesen linken Zug, der gestartet ist, mit aufzuspringen.

Hältst du es für denkbar, dass irgendwann einmal die vereinigte Linke sogar die Grünen einschließt?
Ich hätte damit kein Problem. Wenn die starken neoliberalen Tendenzen, die bei Teilen der Grünen ja vorhanden sind, überwunden werden… Aber es gibt auch Teile der Grünen, die bei der CDU gut untergebracht wären.

Noch mal zurück zur WASG Wilhelmshaven. Da ladet ihr also zu dem Gespräch im November ein. Gibt es sonst noch Angebote fürs Volk?
Wie meinst du das?

Politische Bildung, Schulung.
Na, erst müssen wir uns mal selber schlau machen. Augenblicklich diskutieren wir unser eigenes Programm.

Und ihr habt eure Treffen jetzt wöchentlich? Und da darf jeder und jede kommen?
Ja, jeden Montag 19.30 Uhr im Gasthaus „Schwarzer Bär“.

Viel Erfolg weiterhin, und danke für das Gespräch.

Für den 10. November 19.30 Uhr lädt die WASG alle Menschen, die kommen wollen, zu einem Gespräch in die
Gaststätte „Schwarzer Bär“
in der Bismarckstraße 179a ein.

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