Tief gesunken
Bei der Europawahl brach Wilhelmshaven einige Minus-Rekorde
(noa) Die Wahl zum Europäischen Parlament liegt schon einen Monat zurück. Doch einige Aspekte der WählerInnenverhaltens in Wilhelmshaven erscheinen uns bemerkenswert genug, um noch darüber zu sprechen: Eine Minusbewegung ist in mehreren Punkten zu verzeichnen.
Tief gesunken ist die Wahlbeteiligung: Nur 33,7 % der Wahlberechtigten stimmten ab; 1999 waren es noch 40,0 % gewesen. Die Wilhelmshavener Wahlverweigerung ist damit deutlicher als andernorts: In Niedersachsen sank die Wahlbeteiligung von 44,2 % 1999 auf 40,1 %; bundesweit von 45,2 auf 43,0 %.
Tief gesunken ist der Stimmenanteil der SPD. „Wer glaubte, die SPD habe mit dem Debakel bei der Landtagswahl Anfang Februar 2003 in Wilhelmshaven ihren Tiefpunkt erreicht, sieht sich getäuscht“, schreibt die „WZ“ am 14. Juni. 31,66 % der Stimmen bekam sie am 13. Juni, ca. 9 Prozentpunkte weniger als bei der Landtagswahl und mehr als 14 Prozentpunkte weniger als bei der Europawahl 1999. Allerdings liegt sie damit immer noch deutlich über ihrem Ergebnis im Bundesland (27,8 %) und im Bund (21,5 %).
Nicht ganz so tief gesunken ist die CDU: Erzielte sie 1999 in Wilhelmshaven 41,3 %, so waren es jetzt nur 40,4 %. Diese Verluste sehen allerdings gleich ganz anders aus, wenn man die absoluten Zahlen vergleicht: 8825 Stimmen gegenüber 11174 in 1999 ist denn doch immerhin ein Verlust von 21 %. Geradezu erschreckend ist der Vergleich der absoluten Zahlen jedoch bei der SPD: 6915 Stimmen gegenüber 12405 in 1999 – ein Verlust von 5490 Stimmen, also von 44,3 %! Da sind sich in der „WZ“ vom 15. Juni die Vorsitzenden der Unterbezirke Wilhelmshaven und Friesland, Norbert Schmidt und Günther Heußen, einig: „So darf es nicht weitergehen.“
Gesunken ist das Wahlergebnis der Republikaner von 1,4 % (579 Stimmen) auf 1,18 % (257 Stimmen).
Gewonnen haben die Grünen. Sie haben ihren Stimmenanteil von 4,4 auf 9,06 % mehr als verdoppelt; auch in absoluten Zahlen sieht es bei ihnen mit 1999 gegenüber 1180 ganz gut aus.
Ebenfalls gewonnen hat die PDS: Hatte sie 1999 in Wilhelmshaven 1,4 % der gültigen Stimmen auf sich vereinigen können, waren es 2004 2,43 % (in absoluten Zahlen: ein Anstieg von 388 auf 530 Stimmen).
Am deutlichsten gewonnen hat in Wilhelmshaven die FDP: Sie konnte ihren Stimmenanteil von 2,5 auf 7,92 % mehr als verdreifachen; auch in absoluten Zahlen (681 auf 1730) ist es ein kräftiger Anstieg.
Ausreißer ist Wilhelmshaven auch in puncto ungültige Stimmen: In diesem Jahr machten 2,4 % der Wähler ihren Wahlzettel ungültig; 1999 waren es 1,0 % gewesen. Eine Erhöhung der ungültigen Stimmen gab es im Bundesland und im Bund zwar auch; der Anstieg ist jedoch in Wilhelmshaven deutlicher als in Bund und Land. Es handelt sich hier eindeutig um eine Form des Protests, wie Wahlamtsleiter Rudolf Perkams feststellt. Man kann vielleicht noch annehmen, dass derjenige, der statt eines Kreuzchens derer drei gemacht hat, die Wahl nicht richtig verstanden hat, doch wer alle Parteien angekreuzt oder alle durchgestrichen hat, sagt damit „Leck mich…“. Am deutlichsten ist der Protest, wo er auf dem Wahlzettel schriftlich ausgeführt und begründet wird. Als „Schmähreden“ bezeichnete Perkams die Texte zahlreicher Wahlverweigerer („WZ“ vom 17.06.), davon bezogen sich die Hälfte auf die vor einigen Monaten bekannt gewordenen Abzockereien von Europaparlamentariern aller Parteien, die andere Hälfte lehnt die Einführung des Arbeitslosengeldes II ab. Den höchsten Anteil ungültiger Stimmen (5,48 %) gab es im Wahlbezirk Siebethsburg-Ost; aber auch in allen Banter und F’grodener Stimmbezirken lag der Anteil ungültiger Stimmen über Wilhelmshavener Durchschnitt (Bant zwischen 2,86 und 4,07 %; F’groden zwischen 2,66 und 4,66 %) . Es sind Hochburgen der SPD, in denen überdurchschnittlich viele Menschen noch deutlicher als durch Wegbleiben „Nein“ gesagt haben.
Nicht oder ungültig zu wählen ist ein Mittel, das die Parteien schmerzlich, nämlich beim Geld, trifft. Laut Parteiengesetz erhalten die Parteien jährlich 0,70 Euro für jede für ihre jeweilige Liste abgegebene gültige Stimme, für die von ihnen erzielten bis zu vier Millionen gültigen Stimmen 0,85 Euro je Stimme. Wilhelmshaven hat kräftig geholfen, Steuergelder zu sparen!
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