Bundestagswahl 2009
Nov 042009
 

Kleine werden groß

Ein (später) Rückblick auf die Bundestagswahl 2009

(hk) Das war schon eine Hammerwahl – nicht die Tatsache, dass die CDU wieder stärkste Partei im Bund wurde – die Hämmer waren: Die SPD verliert in Wilhelmshaven 35% ihrer Wähler und stürzt von 46,7 auf 30,4%. Die Freien Demokraten fliegen von 5,58 auf 13,49% – ein Zuwachs von unglaublichen 142%. Nicht weniger spektakulär ist der Höhenflug der Linken, sie gewinnt 123% Wähler hinzu und steigert sich von 5,88 auf 13,13%. Die CDU und die Grünen dümpeln dagegen weiter auf ihren 2005er Ergebnissen.

Zweitstimme für Zweitstimme

Wahl 3Bei der CDU veränderte sich am wenigsten – 2005 kam man auf 29,39%, 2009 wählten 28,80% die Schwarzen. Ein solches Ergebnis hat die CDU aus Wilhelmshavener Sicht sicherlich auch verdient – dann und wann wird hier eine Frau aktiv, die wie eine personifizierte Warnung vor dem (Miss-)Gebrauch von Sonnenbänken aussieht. Ansonsten geht von der Wilhelmshavener CDU nur Langeweile aus. Der Rückgang um 2% der Stimmen ist da durchaus verständlich und auch verdient. Und der ehemalige Bundestagsabgeordnete Hans-Werner Kammer? Ein Opfer der Überhangmandate, ein Opfer des Listenplatzes. In den Tageszeitungen zwischen Jade und Wapel werden ihm Krokodilstränen nachgeweint. „Ein Verlust für die Region“, heißt es unisono von SPD über WZ bis zur CDU. Ein Verlust? Finden wir nicht.

Und die Grünen? Die Beliebigkeit hat einen Namen bekommen. Die Grünen sind heute die einzige Partei, die wirklich mit allem und jedem koalieren kann. In Wilhelmshaven versucht sie sich ein Profil zu verpassen. Es steht außer Frage, dass die Grünen momentan in Wilhelmshaven eine wichtige Rolle spielen (Kraftwerksansiedlungen u.ä.), doch das reicht wohl nicht aus, die Politik auf Bundes- und Landesebene vergessen zu machen, es riecht alles nach grüner FDP, nach freien Wählern und auch ein wenig nach …

Die SPDWahl 2 – welch ein Fiasko für die Wilhelmshavener Sozis! Im Sturzflug geht es von 54,6 im Jahre 1998 auf katastrophale 30 Prozent bei der diesjährigen Bundestagswahl. Auffällig ist, dass die Wilhelmshavener SPD nur 2% mehr Stimmen verliert als die Partei im Bundesdurchschnitt. Doch die Bundes-SPD ist von einem viel niedrigeren Level abgestürzt – ihr Niedergang begann im Jahre 1998 mit 40,9 %. Der Absturz der Wilhelmshavener SPD begann 1998 bekanntlich bei 54,6%. Die Wilhelmshavener SPD bedauerte zwar das Wahlergebnis: „Das ist ein finsterer Abend für uns“, ließ der SPD-Kreisvorsitzende Helmut Stumm vermelden. Doch schuld war nicht eine falsche Politik, sondern es sei, so Stumm, nicht gelungen, „politische Inhalte zu vermitteln.“ Auf Deutsch heißt das, dass der Wähler zu dumm war. So ist es auch nicht verwunderlich, dass innerhalb der SPD kein Denkprozess einsetzte. Man überlegt jetzt höchstens, mit welchen Tricks man vielleicht doch noch den einen oder anderen zukünftigen Wähler angeln könne. Diese Art der Problemlösung feiert allerdings nicht nur im ehemaligen SPD-Großherzogtum Wilhelmshaven Urständ – das ist auch offizielle Berliner SPD-Politik. Während die Wilhelmshavener lern- und erkenntnisresistent im gleichen Trott mit den gleichen Leuten und der gleichen Politik weitermachen, gibt es auch bei der Bundes-SPD nur ein wenig neue Schminke. Es scheint beschlossene Sache zu sein, dass man die SPD bewusst in die politische Bedeutungslosigkeit steuert.

WahlDIE LINKE gehört zu den ganz großen Gewinnern der Bundestagswahl. In Wilhelmshaven übertrumpfte sie in fast 2/3 aller Wahlbezirke die FDP, die ja bekanntlich auch ein Superergebnis erreichte. Doch welche Politik steckt hinter der Linken? Hier in Wilhelmshaven spüren wir die Aktivitäten der Linken im sozialen Bereich – von Hartz IV bis zur Gesundheitsversorgung ist Politik ohne die Linke in Wilhelmshaven kaum vorstellbar. Sicherlich auch ein Grund dafür, dass die Linke in Wilhelmshaven ihr niedersachsenweit bestes Ergebnis erreichte. Bundespolitisch wird es da schon schwieriger – Oskar Lafontaine mit seinen nationalistischen und ausländerfeindlichen Sprüchen ist da nur ein Beispiel für das diffuse Erscheinungsbild der Linken. Dennoch ist die Linke wohl der charmanteste Gewinner dieser Wahlen.

Die FDP räumt richtig ab. Das war ein gehöriger Schreck, als Guido Westerwelle im Fernsehen seine schon hundertmal gehaltene nichtssagende Rede zum Wahlerfolg seiner Partei hält – da hüpft da doch zwei Reihen hinter Guido eine Frau, die aussieht wie eine Cheerleader-Domina; an Stelle der üblichen Cheerleader-Puschel hält sie ein Westerwelle-Schild in die Höhe. Noch ein Blick … tatsächlich! … es ist Wilhelmshavens FDP-Ratsfrau Susanne Bauermeister. Wo ist das Loch, in das man vor Scham versinken möchte? Am übernächsten Tag gesteht Frau Bauermeister stolz, dass ihr Auftritt nicht etwa spontan war – da wurde erst ein Casting (Guido sucht die Superfrau) durchgeführt – so eine Art Jubel-Perser auf liberale Art. Bisher konnte mir noch niemand schlüssig erklären, warum jemand gerade die Partei wählt, die die Realisierung all der Grundsätze, die zur Finanzkrise und zur Krise in der Arbeitswelt führten, zu ihren Programm erklärt hat.

Nichtwähler und ungültige Stimmzettel gab es mehr als bei der letzten Bundestagswahl. Bundesweit sank die Wahlbeteiligung von 77,7 auf 70%, in Wilhelmshaven verzichtete ungefähr ein Drittel der Wahlberechtigten auf den Urnengang (2005:75,28%; 2009: 67,68%). Bewusst ungültig wählen, auch diese u.a. aus dem Baskenland bekannte Meinungsäußerung wird populärer. Zitate aus der Wilhelmshavener Zeitung: Der stellvertretende Wahlleiter, Rudolf Perkams, gab noch weitere Besonderheiten bekannt. „Bis zu 300 Menschen haben Horst Schlämmer und seine Partei HSP gewählt“, sagte Perkams. Der Wahlkreis 27 hätte in Sachen Wahlbeteiligung mit 69,7 Prozent abermals die rote Laterne in Niedersachsen bekommen. In der Jadestadt hat es sogar die schlechteste Wahlbeteiligung an einer Bundestagswahl seit Kriegsende gegeben. 418 Wähler (0,22 Prozent) hätten einen leeren Zettel abgegeben, 593 (0,31 Prozent) den Wahlzettel absichtlich ungültig gemacht. Positiv zu vermerken bleibt abschließend, dass es den rechtsextremen Parteien nicht gelang, auch nur annähernd an die Erfolge der 2005er-Wahl anzuknüpfen. Vielleicht bewegt sich doch etwas bei den Menschen.

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