WALLI
Aug 012001
 

Visionen einer Stadt

„Wer uns wählt, verlässt die Zuschauertribüne“

(ub) Zur Kommunalwahl im September tritt erstmalig die WALLI (Wilhelmshavener Alternative Liste) an. Die WALLI unterscheidet sich in einem ganz wesentlichen Punkt von allen anderen Angeboten auf dem Wahlzettel: Ihre MitstreiterInnen lehnen konsequent den Bau des Jade-Weser-Port ab. In den letzten beiden GEGENWIND-Ausgaben haben wir über die Entstehungsgeschichte der WALLI berichtet und Teile des Wahlprogramms kritisch unter die Lupe genommen. In dieser Ausgabe beleuchten wir die Vorstellungen der WALLI zum Thema Stadtpolitik, Kultur und Freizeit.

Aufgrund der Tatsache, dass die WALLI als eine vielen Mitbürgern noch völlig unbekannte neue politische Organisation jetzt zur Kommunalwahl und auch mit einem eigenen Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl antritt, hatten wir uns entschlossen, das WALLI-Programm über mehrere Ausgaben detailliert zu beleuchten. Auch wollten wir zur Diskussion anregen. Zur Einschätzung einzelner Programmpunkte durch den Verfasser gab es zum Teil heftigen Widerspruch von Mitgliedern der WALLI (siehe Leserbriefseite).
Relativ breiten Raum im Programm der WALLI nehmen die Themen „Stadtpolitik/Stadtentwicklung“ und „Kultur und Freizeit“ ein. Diese Themen sowie wesentliche Kernaussagen zum Politikverständnis der WALLIaner (siehe Kasten) vervollständigen unsere Betrachtungen des WALLI-Wahlprogramms. Für den nächsten GEGENWIND haben wir die KandidatInnen der WALLI zu einem ausführlichen Gespräch eingeladen.
Quasi als roter Faden durch das Programm der WALLI zieht sich der Gedanke, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt in alle wesentlichen Entscheidungen mit einzubeziehen und möglichst Politik derart zu gestalten, dass das Engagement der BürgerInnen sich nicht auf das Ankreuzen einer Partei auf dem Wahlzettel im Vier-Jahres-Rhythmus beschränkt. Die Mitbürger sollen permanent am politischen Geschehen und damit an Entscheidungsprozessen teilnehmen. „Die BürgerInnen müssen in die Prozesse zur Entwicklung dieser Stadt einbezogen werden. Die WALLI wird diesen Weg gehen, vor der Wahl, nach der Wahl.“

Zukunftsmusik – Vision einer Stadt

Wenn die WALLI mittelfristig ihre Vorstellungen zur Stadtentwicklung verwirklichen könnte, würde Wilhelmshaven „im Jahr 2020 …ohne den Jade-Weser-Port“ in etwa so aussehen: „Alle Orte dieser Stadt sind schnell und bequem mit Bus (kostenfrei), Anrufsammeltaxis, per Rad oder zu Fuß zu erreichen. Autofahren lohnt sich nicht mehr…. Es gibt keine Angstträume mehr… Niemand guckt weg, wenn eine Frau belästigt, ein Schwarzer wegen seiner Hautfarbe angemacht wird… Auf den öffentlichen Plätzen tobt das Leben… Nadelstreifen sitzen neben durchlöcherten Hosen… Es gibt ausreichende und sinnvolle Arbeits- und Ausbildungsplätze zu vernünftigen Löhnen und Arbeitsbedingungen… Wilhelmshaven ist ein Paradies für Kinder und Jugendliche… Wilhelmshaven ist zu einer Stadt gewachsen, die die unterschiedlichen Menschen beheimatet, in die viele kommen, weil sie ein Beispiel für Toleranz … geworden ist.“

Bio-dynamische Stadt Wilhelmshaven

Der Geniusstrand soll als „Badestrand für Jung und Alt ausgebaut werden“. Die derzeit noch unbebauten Flächen des Voslapper Grodens sollen geschützt werden und die Grundlage bilden für ein „alternatives Fremdenverkehrszentrum“ im Stadtteil Voslapp. Dies alles wird möglich, wenn wie erhofft „aufgrund des strukturellen und umweltbezogenen Weltmarktswandels“ die Raffinerie- und Chemie produzierende Industrie ihre Fabrikanlagen wegen „Bedeutungslosigkeit ihrer Produkte“ verschrottet haben. Das Stadtbild wird geprägt durch Sonnenkollektoren auf den Dächern. „Man sieht immer mehr Windkrafträder“ – sauberer Strom wird überall produziert.

Kultur und Freizeit

Die WALLI räumt der kulturellen Entwicklung der Stadt einen wichtigen Stellenwert ein. Im Programm heißt es dazu: „Wir brauchen sie wie die Luft zum Atmen … sie fördert Verständnis und macht tolerant“. Zu einzelnen Kultureinrichtungen werden konkrete Entwicklungsvorstellungen benannt. Die Musikschule „soll offener sein für alle Richtungen“. Das „VHS-Team braucht frisches Blut und Modernität“, besonders das Junge Theater und die Gruppe Wellenbrecher sollen gefördert werden. Die Großkinos sollen wieder kleiner werden, stattdessen aber „in jedem Stadtteil eines“. Museen sind wichtig, sie sollten aber auf die Interessen von Kindern besonders eingehen. Es geht nicht, so die WALLI, ohne die „professionelle Hilfe von Umweltschützern und Museumspädagogen“. Mit dem Marinemuseum haben die WALLIaner leichte Magenschmerzen. Jegliche Verquickungen dieses Vereins mit städtischen Einrichtungen werden abgelehnt, und „ob das Marinemuseum in seiner jetzigen Form für Kultur gehalten werden kann, ist bei der WALLI umstritten“. Bei der zukünftigen Nutzung der Kunsthalle sollen „einheimische Künstler stärker eingebunden werden“. Der Botanische Garten soll wesentlich größer werden. Nach Ansicht von WALLI gibt es viele Leute, die auch unentgeltlich beim Aufbau eines „größeren botanischen Gartens helfen würden“. Auch hier wollen die Aktivisten der WALLI den Bürger aktiv mit einbeziehen. Für die Planung soll ein „runder Tisch“ initiiert werden.

Auszug aus der Präambel:
„Wir wollen nicht mehr die Staunenden bleiben, die erst durch die WZ erfahren, was in Rat und Verwaltung entschieden wurde. Wir wollen bei allen Entscheidungen von Beginn an Offenheit und Mitbestimmung aller BürgerInnen… Wer uns wählt, verlässt die Zuschauertribüne.
Unsere Ratvertreter(innen) werden keinerlei Bündnis oder Koalition mit den etablierten Parteien eingehen. Wir wollen nicht hilfreich sein, wie die GRÜNEN…Unsere RatsvertreterInnen stehen in engem Kontakt zur WALLI, ihre Politik wird von allen erarbeitet, sie wird aber auch frei und keinem Mandat der BürgerInnen untergeordnet…Wir wollen…BürgerInnen-Versammlungen einberufen,… wir werden zusammen diskutieren, wie die entstehenden Probleme gelöst werden können.“

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