Der Krieg ist das Verbrechen...
…nicht seine Verweigerung oder Was ist das Gewissen?
(hk) Daß viele Menschen den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigern und statt dessen ihren Zivildienst leisten, ist normal. Kaum ein Krankenhaus, kein Altenheim, kaum ein sozialer Dienst könnte heute ohne diese billigen Arbeitskräfte existieren. Die Gesellschaft hat das anerkannt. Aber, daß jemand auch den Dienst an Kranken, Gebrechlichen und Behinderten verweigert – das ist Drückebergerei!
Mario Garz, 23 Jahre alt, früher Mitglied der Jugendvertretung bei Kuhlmann und im Ortsjugendausschuß der IG Metall aktiv, sieht das ganz anders. Nach seiner Musterung befaßte Mario Garz sich ausführlich mit dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung und kam zu der Erkenntnis: Zivildienst ist Kriegsdienst – und ist überzeugt davon, daß nur die Totalverweigerung ihn nicht mitschuldig an Gewalt und Kriegen macht: „Es wäre falsch zu glauben, daß ein Krieg von bewaffneten Soldaten alleine zu führen wäre. Krieg ist heute ohne die Unterstützung der Zivilbevölkerung und im wesentlichen ohne die Zivildienstleistenden nicht denkbar. Das Sanitätswesen und der Zivildienst ( … sind) unverzichtbar in der heutigen Kriegsmaschinerie. „So Mario Garz in seiner Prozeßerklärung.
Nun gibt es im deutschen Recht den Begriff Totalverweigerung nicht. Wer seinen Wehrdienst aus Gewissensgründen ablehnt, muß Zivildienst leisten. Wer bei des nicht tut, macht sich strafbar.
Mario hatte sich inzwischen mit den rechtlichen Folgen seines Entschlusses auf Totalverweigerung auseinandergesetzt. Mario zum GEGENWIND: „Ich bin mir über die Folgen, die meine Totalverweigerung mit sich bringen kann voll und ganz im klaren und ich habe Angst vor einer Haftstrafe. Der Bundeswehr habe ich vor meinem Einberufungstermin mitgeteilt, daß ich als Ausgleich ein freiwilliges Jahr absolvieren werde. Den Kriegsdienst lehne ich nicht ab, weil ich keinen Bock habe, sondern weil es mir mein Gewissen verbietet.“
Der Einberufungstermin kam dennoch. Doch Mario erschien nicht in der Kaserne. Eine Woche später wurde er von Feldjägern abgeholt: Die ersten 7 Tage Arrest folgten. So ging es dann zwei Monate lang weiter: Arrest, Entlassung, Festnahme, Arrest. Ende August 1992 wird Mario dann vom Arzt haftuntauglich geschrieben und kommt nach Hause. Seine Reststrafe tritt er auch nach Wiedererlangung der Hafttauglichkeit nicht wieder an: Er wird fahnenflüchtig, um nicht wieder eingesperrt zu werden.
Inzwischen stand der Gerichtstermin für seine Verhandlung fest: 14.9.92. Mario bekommt, einmalig in der BRD, Rechtsschutz von der IG Metall. Hartmut Tammen-Henke, Bevollmächtigter der IG Metall Wilhelmshaven auf unsere Frage, warum eine Gewerkschaft einem Totalverweigerer Rechtsschutz gewährt: „Es kann keine Instanz innerhalb einer staatlichen Ordnung geben, die über das Gewissen eines Menschen entscheidet. Darum haben wir dem Kollegen Garz Rechtsschutz gewährt. Es gibt sicherlich viele Zivildienstleistende, die ihren Dienst nicht als Kriegsdienst sehen. Man kann über die Sache streiten, aber nicht über das Gewissen eines Menschen. “
Zur Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht Delmenhorst sind auch Kollegen aus der Gewerkschaft erschienen: 4 Stunden dauert die Verhandlung. Der Staatsanwalt, der nicht an das Gewissen von Mario Garz glaubt, fordert 7 Monate ohne Bewährung. 1 Stunde dauert die Beratung des Gerichtes. Urteil: 5 Monate Haft mit Bewährung.
Für einen Totalverweigerer ist es unmöglich, die Bewährung einzuhalten. Folgt die erneute Einberufung, wird Mario sich wieder verweigern, wird keine Uniform anziehen – Bewährung hinfällig – 5 Monate Gefängnis. Danach geht’s aber noch weiter: Wieder Einberufung oder Abholung mit Feldjägern – wieder Totalverweigerung – Gerichtsverhandlung. Als Vorbestrafter hat er dann kaum eine Chance auf Bewährung. Wieder Haft, diesmal vielleicht 10 oder 12 Monate. Darum haben sich Mario und sein Anwalt entschlossen, in Berufung zu gehen.
Zweieinhalb Monate aus Marios Leben:
- 1.7. – Einberufung nicht Folge geleistet
- 8.7. – Von Feldjägern abgeholt
- 9.7. – Vorläufig festgenommen
- 10.7.- 7 Tage Arrest
- 16.7. – Entlassung vom Arrest
- 21.7. – Vorläufig festgenommen
- 22.7.- 21 Tage Arrest
- 11.8.- Entlassung; Vorläufig festgenommen
- 12.8.- 21 Tage Arrest
- 26.8.- Arrest wird wegen Haftuntauglichkeit unterbrochen (für 7 Tage)
- 1.9.- Weiterhin haftuntauglich (nochmals für 7 Tage)
- 8.9.- Bleibe bis zur Verhandlung fahnenflüchtig, um nicht wieder eingesperrt zu werden / abends Feldjäger
- 9.9.- Vormittags Feldjäger/ drohen eine Hausdurchsuchung an
- 10.9.- Dienstverbot bei der Bundeswehr
- 14.9. – Gerichtsverhandlung
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